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«Die Mannschaft hat noch Potenzial»

In einer BT-Umfrage trauen die Seeländer 2.-Liga-Trainer der Schweiz einiges zu. Morgen auch einen Erfolg gegen Frankreich. Am Schluss würden aber die Favoriten um den Europameistertitel spielen.

An ihn scheiden sich die Geister: Xherdan Shaqiri entwischt Rumänien-Verteidiger Cristian Sapunaru./Bild: Keystone

Die Euro in Frankreich zieht die Seeländer Fussballfans in der Heimat in ihren Bann. Gross sind die Emotionen vor dem TV-Gerät oder der Grossleinwand. Auch die regionalen 2.-Liga-Trainer lassen sich vom Fussballfieber anstecken, bewahren dabei aber eine professionelle Distanz und analysieren die Spiele. Speziell im Fokus ist die Schweizer Nationalmannschaft. «Gegen Albanien haben sie glücklich gewonnen», bemerkt Aarbergs Trainer Marco Aebischer. «Es gab zu viele defensive Mängel, während vorne die kreativen Lösungen fehlten.»
Albanien kämpfte aufopfernd
Phlipp Eich, Cheftrainer der Biel-Albaner von Besa, würdigt gleichwohl die Auftaktleistung der Schweizer. Denn es sei nie einfach für ein favorisiertes Team, sich gegen den Aussenseiter durchzusetzen, obwohl dieser durch eine rote Karte personell geschwächt werde. «Die Albaner haben danach umso aufopfernder gekämpft und gut dagegengehalten.»
Laut David Meister, der in der letzten 2.-Liga-Saison Nidau zum 2. Gruppenrang geführt hat und neu Assistenztrainer beim NLA-Frauenteam von YB ist, hätten die Schwierigkeiten auch mit dem Spielverlauf zu tun. «Nach dem frühen 1:0 erwarteten alle das zweite Tor, das einfach nicht kommen wollte», bemerkt Meister. Unter dem Erfolgsdruck hätte sich die Auftaktpartie zu einem nervösen Spiel entwickelt.
Nach diesem zu knappen 1:0-Sieg, bei dem die Schweizer laut Pierre Alain Mathez zu wenig Druck aufgebaut hätten, war der Grünstern-Trainer für den weiteren Turnierverlauf skeptisch gewesen. «Das zweite Spiel gegen Rumänien gestaltete sich dann aber bedeutend besser», so Mathez. «Die Schweiz hatte den Gegner gut im Griff und konnte ihm ihr Spiel aufzwingen.»
Wenig Qualität auf der Bank
Roberto De Feo, Trainer von Azzurri Biel, spricht von einer kompakten Mannschaftsleistung. Dass der Sieg verpasst worden ist, hänge von diversen Mängeln ab. «Die Schweiz verfügt auf der Ersatzbank einfach über zu wenig Qualität», so De Feo. Spieler, die nach ihrer Einwechslung gewinnbringende Impulse liefern, fehlen. Vor allem in der Offensive.
«Schade, dass viele Chancen nicht in Tore umgemünzt werden können», sagt Lyss-Trainer Andreas Güntensperger. An der Leistung gegen Rumänen müsse man zwar am Sonntag gegen Frankreich anknüpfen. «Nur dass diesmal die Effizienz besser sein muss.» Im Zentrum der Kritik steht unter anderem Seferovic, der in den Medien als Chancentöter betitelt wurde. Die Seeländer Trainer gehen mit dem Stürmer weniger hart ins Gericht. «Immerhin erspielt er sich Chancen, das ist schon mal positiv», sagt Mathez. Eich stimmt seinem Trainerkollegen zu. «Mit starken Aktionen bringt er sich in den Abschluss.» Von Erfolg geprägt seien diese zwar bislang nicht gewesen. «Doch irgendeinmal trifft auch Seferovic», hofft Eich.
Enttäuschende Leaderfiguren
Es seien vor allem die grossen Leaderfiguren, die enttäuschten. «Lichtsteiner liegt an dieser EM klar hinter den Erwartungen zurück», sagt Azzurris De Feo über den Juve-Aussenverteidiger und italienischen Doublegewinner, der in Abwesenheit des von Nationalcoach Petkovic nicht aufgebotenen Inler zum Nati-Captain befördert wurde. «In der Innenverteidigung ist Djourou ein Risikofaktor.» Für Mathez fehle es auf den Aussenbahnen an Durchsetzungsvermögen. «Ich bin schwer enttäuscht von Shaqiri», sagt der Grünstern-Trainer. «Er denkt, er ist ein ‹Monsieur›, muss nun aber endlich etwas zeigen.»
Nicht so hart ins Gericht mit dem Star geht Eich. «Ich bin der Ansicht, er wird allgemein überschätzt, und deshalb nicht überrascht, dass er sich nicht in Szene setzen kann.» Ein sicherer Wert sei dagegen Xhaka, in diesem Punkt sind alle gleicher Meinung.
Mit Spannung blicken die Schweizer Fussballfans und die regionalen Trainer dem morgigen letzten Gruppenspiel gegen Frankreich entgegen. «Die Mannschaft hat noch Potenzial», sagt YB-Neo-Assistenztrainer Meister und hofft auf einen Exploit. «Als Gastgeber und grosser Favorit steht Frankreich unter Druck», so Meister. «Den Schweizern kommt entgegen, dass die Franzosen das Spiel machen müssen.»
Gross ist die Hoffnung, dass die Schweiz noch ein Weilchen im Turnier verbleibt. Der Kampf um die EM-Krone wird aber den Finaltipps der Experten zufolge letztlich Sache der Favoriten sein.

Finaltipps der Seeländer 2.-Liga-Trainer
2. Liga interregional:

Andreas Güntensperger (Lyss)
Italien - Deutschland    2:1
Pierre Alain Mathez (Grünstern)
Spanien - Frankreich    2:1
2. Liga:
David Meister (zuletzt Nidau, neu Assistent YB-Frauen NLA)
Deutschland - Frankreich    2:1
Philipp Eich (Besa Biel)
Deutschland - Italien    2:1
Marco Aebischer (Aarberg)
Frankreich - Deutschland    2:1
Roberto De Feo (Azzurri Biel)
Deutschland - England    3:1

Francisco Rodríguez

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