Sie sind hier

Abo

«Ich habe Angst, dass alles wie 
ein Kartenhaus zusammenbricht»

BBZ An der Bieler Berufsschule soll laut mehreren Quellen Geld verschwendet worden sein. Ein Informatik-Projekt sei plötzlich gestoppt worden, obwohl es schon fast eine halbe Million Franken verschlungen habe. Der Kanton sieht den Fehler woanders.

Bild 03_BBZ.jpg (9075615)

Deborah Balmer

Die Ferien im Berufsbildungszentrum Biel (BBZ) haben begonnen, doch Ruhe ist in der Schule keine eingekehrt. Nach einem vor rund zwei Wochen erschienenen BT-Artikel über die schlechte Stimmung, über zahlreiche Abgänge kompetenter Fach- und Lehrpersonen und über fehlendes Vertrauen in die oberste Führung der Schule, meldeten sich nicht nur Lehrlinge beim BT (das BT berichtete), sondern eine weitere Lehrperson und zwei ehemalige IT-Fachleute der Berufsschule. Sie machen der Direktorin Katharina Mertens ebenfalls Vorwürfe, was deren Führungsqualitäten und Kommunikationsfähigkeiten angeht. Doch nicht nur das.

Schon lange Missstände

So wie Lukas A., der 2018 als externer Informatiker beim BBZ begonnen und ein Jahr später fest angestellt wurde. Er hat dem BT schon einmal Auskunft gegeben und behauptet nun, von Anfang an gravierende Missstände in der Informatik beobachtet zu haben. So seien etwa Auszubildende alleingelassen worden, «und weit hinter dem erwarteten Ausbildungsniveau zurückgelegen».

Gemäss dem Informatiker fehlte es im Informatik-Team an einer klaren Führung: So sei das IT-Personal, ein Team von sieben Leuten, nur unregelmässig anwesend gewesen. Einige seien an manchen Tag erst um 11 Uhr zur Arbeit gekommen, andere gingen bereits um 14 Uhr wieder. Bis auf seinen Druck hin angeblich Arbeitszeiten gestempelt werden mussten. Das Informatik-Budget sei zudem jedes Jahr überzogen worden, sagt er.

Lukas A. beschreibt hier allerdings eine Zeitspanne, bevor die neue und vielkritisierte Direktorin im Januar 2021 beim BBZ angefangen hat. Missstände soll es also schon vor ihrer Zeit gegeben haben.

So ist es kaum verwunderlich, dass man in der Informatikabteilung grosse Hoffnung in die neue Chefin Katharina Martens gesetzt habe. «Doch dann ist alles noch viel schlimmer geworden», sagt Lukas A. Und: «Die neue Direktorin hätte auf jeden Fall merken müssen, dass in der IT etwas nicht stimmt.» Zumal man sie immer wieder darauf aufmerksam gemacht habe. Denn es habe eine konkrete Strategie gefehlt, was IT-Aufgaben angehe. «Wir verrichten eigentlich immer Feuerwehrarbeiten, akute Problemlösung statt Analyse, was schief läuft», sagt Lukas A., der heute wegen eines Burn-outs krankgeschrieben ist.

Wurde Geld verschwendet?

Ein weiterer Informatiker macht der Berufsschule ähnliche Vorwürfe. Darunter jener, der besonders schwer wiegt: Ab Sommer 2021 sei unter ihrer der Leitung der neuen Direktorin ein Grossprojekt gestartet worden, es ging darum, die Netzwerkinfrastruktur zu erneuern. «Doch dieses Projekt ist von ihr im Februar 2022 auf halbem Weg gestoppt worden», sagt Martin T.

«Wir gehen davon aus, dass insgesamt bis zu einer halben Millionen Franken vergeudet worden sind und das auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler», sagen sowohl Lukas A. wie auch Martin T.

Tatsache ist, dass die Informatikabteilung im BBZ geschlossen wird, sie wird ab dem Schuljahr 2023 von der Berner Firma EduBern weitergeführt (das BT berichtete).

Das bedeutet aber auch, dass am BBZ Material bestellt worden ist, das nie verbaut wurde und alles, was neu installiert worden ist, nun wieder ersetzt wird So jedenfalls beschreiben es die Quellen. Doch hätte nicht jemand dem BBZ auf die Finger schauen müssen, was die Ausgaben für die IT angeht?

«Intransparente Geldflüsse»

Mit Sicherheit. Denn das BT hat sich mit dem Lehrer Samuel M. unterhalten, der seit zehn Jahren am BBZ unterrichtet. Sein Vorwurf an die Direktorin lautet ebenso: intransparente Finanzflüsse an der Schule und zwar in verschiedenen Bereichen. «Unter anderem als direkte Folge davon, dass Angestellte in wichtigen Positionen wegfielen. Also auch als Folge der Unfähigkeit der Direktorin, gut zu führen», sagt Samuel M.

So habe das BBZ nach Abgängen in der HR ein externes Treuhandbüro beauftragt, das mit 200 000 Franken zu Buche geschlagen habe. Eine Umfrage unter Mitarbeitern zur Zufriedenheit, die von den meisten boykottiert worden sei (das BT berichtet), weil sie nicht anonym war, kostete laut dieser Quelle 25 000 Franken.

Der Lehrer will auch wissen, weshalb keiner mit Namen hinstehen will. «Jeder befürchtet, seinen Job zu verlieren.» Und: «Ich habe nicht nur Angst um die Qualität der Schule, sondern auch darum, dass sie wie ein Kartenhaus zusammenbricht, die Zeit drängt», sagt Samuel M., der hofft, dass eine mögliche externe Untersuchung des Kantons Licht ins Dunkel bringen wird.

Kanton sieht es anders

Doch was ist denn konkret falsch gelaufen? Weshalb hat von aussen keiner der Schule genauer auf die Finger geschaut? Das BT hat die Bildungsdirektion mit den jüngsten Vorwürfen konfrontiert. Die Direktorin selbst darf nicht reden. Der Chefsprecher Yves Brechbühler sagt nur so viel: «Das Mittelschul- und Berufsbildungsamt analysiert derzeit die Situation und kann zu den konkreten Vorwürfen deshalb keine detaillierte Auskunft geben.»

Doch eine Frage beantwortet Brechbühler dann doch noch: «Das BBZ hat eine komplexe Ausbildungsstruktur mit mehreren Standorten und Berufen mit zunehmend erhöhten Anforderungen an das Informatiksystem der Schule. Die Situation in der Informatik am BBZ ist dem Mittelschul- und Berufsbildungsamt bekannt», sagt er. Und: «Das Informatikteam des BBZ hatte die Möglichkeit, die Situation zu verbessern. Weil die Mängel nicht befriedigend behoben werden konnten, hat das Mittelschul- und Berufsbildungsamt der Direktorin empfohlen, einen Systemwechsel zu prüfen. Dieser Empfehlung ist die Direktorin nachgekommen.»

Yves Brechbühler,
Sprecher Bildungsdirektion
Kanton Bern