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Lebendig gewordene Farbe

Ausstellung Ihre abstrakten Bilder wirken kontemplativ, die eigenwilligen Skulpturen anarchistisch:
Das Kunsthaus Grenchen präsentiert «Un affare di famiglia» von Maria Magdalena Z’Graggen.

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Helen Lagger

An Anfang war der Kreis. Zumindest in der Malerei hat das Symbol der Einheit nebst der Linie schon immer eine wichtige Rolle gespielt.

Der Kreis ist denn auch das erste, dass einem ins Auge sticht, wenn man die Ausstellung «Un affare di famiglia» der Künstlerin Maria Magdalena Z’Graggen im Kunsthaus Grenchen betritt. Das Gemälde «#1380122 Uadf (Zirkon-Cölinblau)» aus dem Jahr 2022 besteht, wie der Name sagt, aus blauer Fläche und einem Kreis aus Gelb, Schwarz und Weiss. Tritt man näher an das Gemälde heran, erkennt man, dass es mehrschichtig ist. Hinter der blauen Fassade kommt vereinzelt ein leuchtender Orangeton zum Vorschein.

Flächen begegnen sich

Maria Magdalena Z’Graggen, die 1958 in Basel geboren wurde, arbeitet oft in Serien, wobei Texturen in ihrer Arbeit eine wichtige Rolle spielen. «Jedes Bild hat eine Untermalung, wobei eine transparente, lasierende Fläche einer soliden Fläche begegnet», erklärt sie anlässlich der Vernissage vom vergangenen Samstag. Geht es ihr darum, den Malprozess offenzulegen? «Ich verstecke ihn zumindest nicht», so die Künstlerin.

Z’Graggen wuchs in Basel in einer binationalen Familie auf, wobei die Mutter aus Triest und der Vater aus Affoltern a. A. stammt. Nachdem sie im Projektmanagement einer Grossbank gearbeitet hatte, besuchte sie in den Neunzigerjahren die Fachklasse für Malerei an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel. Sie absolvierte ein Austauschjahr in New York an der Cooper Union School of Art und erhielt ihre erste Einzelausstellung 1998 in der Roger Smith Gallery.

«Die Malerei wurde schon oft totgesagt und in Frage gestellt», beginnt Claudine Metzger, künstlerische Leiterin am Kunsthaus Grenchen, ihre Eröffnungsrede. Und schiebt nach: «Maria Magdalena Z’Graggen hat sich bewährt, weil sie sich behaupten musste.» Die Malerei habe gerade in einer digitalisierten Welt wieder eine besondere Bedeutung, weil sie eine sinnliche Erfahrung sei.

Metzger bezeichnet Z’Graggen als «eine der konsequentesten Malerinnen» der Schweiz. Tatsächlich gibt es zahlreiche, die das Medium weit kühner ausloten: Miriam Cahn, Valérie Favre, Klodin Erb oder Inka ter Haar – die Liste «konsequenter» Schweizer Malerinnen ist lang, weshalb dieses Etikett nicht greift. Malerei war nie tot und auch nie nur männlich, auch wenn viele Frauen der Gegenwart – teils bewusst um sich von den sogenannten Malerfürsten abzugrenzen – andere Medien wählten.

Z’Graggen nimmt eine eher unaufgeregte Position ein, wobei bei ihr die Farbe selbst zum Hauptakteur wird. Sie malt grossformatig auf Holz, wobei die Wahl des Trägers Teil des Gestaltungsprozesses ist. Die letzte Farbschicht trägt sie mit einem Spachtel auf, «alla prima», eine Technik, die keine Korrekturen erlaubt.

Spontan und spielerisch

Während die Malerei, die mit harmonischen Kompositionen und komplementären Farbkontrasten zur Kontemplation anregt, fast schon allzu klassisch modern daherkommt, offenbart die Künstlerin mit den sogenannten Zurli ihre spielerische, anarchistische Seite. Auf einem langen Holztisch, der an ein Bankett denken lässt, präsentiert die Künstlerin kleine Skulpturen, die sie ihrem zweiten Familienzweig aus Italien widmet und worauf auch der Name der Schau – «Un affare di famiglia» – anspielt.

Es sind krude, aus Löffeln, Baumwolle, Blech, Schnur, Gesso, Porzellan, Holz und Ölfarbe gestaltete Objekte, denen die Künstlerin Namen aus der eigenen Familie verpasst hat. Rachele, Umberto, Pino oder Giulia faszinieren mit Witz und Eigenwilligkeit, sind kleine Persönlichkeiten. Eines der Objekte besteht aus reiner Farbe und erinnert an ein reichlich mit Schlagsahne dekoriertes Dessert, das in der Sonne stehen gelassen wurde. Ein Objekt, das mit seinen zarten Blau- und Rosatönen an die Malerei des Spätbarocks erinnert, als die an Höfen grassierende Lebenslust sich in einem herrlichen «Mehr ist mehr» offenbarte.

Parallel zu Z’Graggens Schau präsentiert das Kunsthaus Grenchen mit «Form, Farbe, Schrift – Konkrete Kunst aus der Sammlung Liliane Beck-Barbezat (Teil 1)» Acrylarbeiten auf Papier und verschiedene Serigrafien.

Erstmals ausgestellt

Die Sammlung, die 2014 ans Kunsthaus kam, wird nun zum ersten Mal ausgestellt. An die kühle, von Emotion befreite konkrete Kunst knüpft Z’Graggens Malerei nur punkto Liebe zur Geometrie an. Die Farbe hingegen wird bei der Malerin sinnlich und plastisch eingesetzt, bei den «Zurli» sogar figürlich-kreatürlich zum Leben erweckt.

Info: Kunsthaus Grenchen,
bis 25. September.