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Ausstellung

M wie Kunst

Die aktuelle Schau im Kunstmuseum Bern zeigt Kunst verschiedener Sparten aus der Schenkung und zusammen mit Leihgaben der Sammlung Migros Aare. Auch das Seeland ist vertreten.

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Simone K. Rohner

Eine Packung Farmer-Riegel – es könnte die Sorte Apfel-Schoggi sein. Eine Halbliterflasche Valserwasser. Mit Blöterli natürlich. Tiefgefrohrene Bohnen, eine Packung Total-Waschmittel. Eine Flasche Limettensaft, dann noch so etwas, das aussieht wie ein Romanesco. Zwei Kartons Bioeier und ein Reddy-Müesli. Ach nein, es sind doch zwei Packungen Total. Irgendwie untendrunter liegt noch eine Gurke. Oh, noch ein Eierkarton! Auch noch drei grünglänzende Schoggistängeli sind mit dabei. Sind das Trauben dort dazwischen, etwas gequetscht? Eine Flasche Olivenöl. Das Billige in der Pet-Flasche. Ist das eine Konservendose mit Birnen? Ah, da unten drunter hat es auch noch richtige Limetten. Dort, das könnte noch Spülmittel sein. Aber nicht Handy. Denn Handy ist orange. Doch in diesem Einkaufswagen ist alles grün. Schon interessant, was andere Leute so einkaufen. Jede und jeder hat die gleiche Auswahl an Produkten in den Regalen zur Verfügung, und doch sieht jeder Einkauf anders aus. So kuratieren sich alle ihren Einkaufswagen zu einem einmaligen und individuellen Bild.

Migros grün
Dieser Wagen befindet sich aber gerade in keiner Migros des Vertrauens, sondern in einem Museum. Im Kunstmuseum Bern, um genau zu sein. Es ist auch nicht einfach irgendein Einkaufswagen, nein, nein. Es ist derjenige der Bieler Künstlerin Pat Noser. Und eigentlich ist es auch gar kein richtiger Wagen, sondern ein grossformatiges Ölbild, das den Inhalt eines Einkaufswagens zeigt. Aus der Perspektive der einkaufenden Person.
Nosers Bild ist – wie passend – der Auftakt der Ausstellung «Ohne Verfallsdatum – Schenkung und Leihgaben der Sammlung Migros Aare». Unter diesem neckischen Titel zeigt das Kunstmuseum Bern im Moment rund 120 Kunstwerke von Kunstschaffenden aus den Kantonen Bern, Solothurn und dem Aargau. Auch das Seeland ist auf vielfältige Art vertreten: Sei es die Stadt Biel, die bei Fotograf Andreas Tschersich als trostloses, anonymes Allerweltssujet herhalten muss – immerhin in guter, internationaler Gesellschaft mit Detroit, Manchester und Stockholm. Oder die Werke  Kunstschaffender, die im Seeland leben und arbeiten: Der «Garten der Lüste» von M.S. Bastian und Isabelle L. – ein riesenGemälde fast zweiMeter hoch, gemalt in Bastomania-Manier und mit Reizüberflutungsgarantie – ist ebenso vertreten wie ein Teil von Martin Ziegelmüllers Serie «Teilchenbeschleuniger». Jerry Haenggli zeigt mit «The End of the Cycle» eine 2016 in Genua entstandene Serie figurativer Tuschezeichnungen. Schaut man genauer hin, versteckt sich in jedem Bild mindestens ein Rechteck.

M wie Sammlung
Von 1987 bis 1997 kaufte Ulrich Loock, der damalige Direktor der Kunsthalle Bern, für die Migros Aare Kunst an, die das Kunstschaffen der Region wiedergeben sollte. Dass diese Auswahl sehr subjektiv geprägt war, erkennt man auch daran, dass unter den 22 Kunstschaffenden gerade mal fünf Frauen vertreten sind. Dieser Teil der Sammlung wurde 2005 dem Kunstmuseum Bern geschenkt. Seit 2016 ist eine Kommission für den Ankauf der Kunstwerke verantwortlich. Denn mittlerweile legt die Migros Aare mehr Wert auf die ebenbürtige Vertretung der Geschlechter und das Repräsentieren verschiedener Sparten der bildenden Kunst. Das spiegelt sich auch in der Auswahl der Leihgaben für die Ausstellung wider, für die die drei Kuratorinnen Eva Bigler, Sarah Merten und Claudia Spinelli zeichnen. So finden sich in den 13 Räumen neben Fotografie, Druckgrafik und Malerei auch Videos und Skulpturen – ja sogar ein Künstler-Migros-Sack hat’s in die Schau geschafft und steht augenzwinkernd auf einem kleinen, weissen Podest, sogar mit Absperrung. Auch wenn die Ausstellung keinem wirklichen roten Faden folgt, eröffnet sie doch einen interessanten Blick in die Sammeltätigkeit des orangen Riesen.

Gespräche
Kunstschaffende verschiedener Generationen im Dialog: Alois Lichtsteiner und Sadhyo Niederberger, heute um 19 Uhr. Quynh Dong und Vaclav Pozarek am 23. Juni um 11 Uhr. Maia Gusberti und Jürg Moser am 25. August um 11 Uhr.
Podiumsgespräch «Aus der Region für die Region» am 30. Juni um 15 Uhr.

Info: Ausstellung bis am 15. September im Kunstmuseum Bern. www.kunstmuseumbern.ch
 

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