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London

Boris Johnson bekommt seine vorgezogene Wahl doch noch

Grossbritannien wählt am 12. Dezember ein neues Unterhaus. Die Labour-Opposition hat eine überraschende Kehrtwende vollzogen und den Weg für Neuwahlen freigemacht.

«Larry statt Lügner»: Einige möchten die Downing-Street-Katze als Premier. Bild: Keystone

Am Ende war die Mehrheit überwältigend: 438 Unterhausabgeordnete stimmten für Neuwahlen am 12. Dezember, nur gerade 20 dagegen. Der Neuwahl-Erlass muss nun noch vom ungewählten Oberhaus genehmigt werden. Dass sich die Lords querstellen, gilt aber als äusserst unwahrscheinlich.

Noch am Montag war ein Antrag Johnsons auf eine Neuwahl am Widerstand der Labour-Opposition gescheitert. Denn eigentlich ist laut britischem Wahlgesetz eine Zweidrittelmehrheit notwendig, um eine vorgezogene Neuwahl auszulösen. Doch mit dem gestern im Eilverfahren durch das Unterhaus gepeitschten Neuwahlgesetz konnte dieses Erfordernis umgegangen werden. Labour hatte sein Veto verloren und gab wenige Stunden vor dem Votum den Widerstand auf. Die kleineren Oppositionsparteien, die Schottische Nationalpartei SNP und die Liberaldemokraten, hatten bereits am Wochenende ihre Unterstützung für eine Neuwahl signalisiert. Einziger Streitpunkt war der Wahltermin. SNP und Liberale sprachen für den 9. Dezember aus. Die Regierung setzte sich schliesslich durch.

No-Deal-Brexit vom Tisch

Kurz vor dem Entscheid des Unterhauses hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk bekannt gegeben, die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union hätten die Verlängerung der Frist für den Brexit um weitere drei Monate auch offiziell gebilligt.

Ebenjene Fristverlängerung nannte der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, als Grund für seine Kehrtwende. «Ich habe immer gesagt, dass wir zu einer Wahl bereit sind und dass unsere Unterstützung davon abhängt, ob ein No-Deal-Brexit vom Tisch ist», sagte er. Diese Bedingung sei «jetzt erfüllt». Durch den erneuten Brexit-Aufschub sei ein chaotischer EU-Austritt ohne Abkommen nun «für die nächsten drei Monate» ausgeschlossen.

In Wahrheit gab es innerhalb Labours aber offenbar Differenzen über den richtigen Kurs. In den Umfragen liegt die Partei klar hinter den regierenden Konservativen, ausserdem messen die Demoskopen äusserst schlechte Beliebtheitswerte für Corbyn. Besonders Abgeordnete der Partei in traditionellen Labour-Hochburgen in Nord- und Mittelengland fürchten deshalb um ihre Sitze. In vielen dieser Wahlkreise stimmte 2016 eine klare Mehrheit für den Brexit. Zwar sind dort die Konservativen nicht unbedingt beliebt. Premier Boris Johnson hofft aber, mit seinem neu ausgehandelten Brexit-Abkommen ein As im Ärmel zu haben. Zugleich steht Labour auch vonseiten der Liberaldemokraten unter Druck, die den Austritt aus der EU abblasen wollen. Viele EU-freundliche Wähler nehmen es Corbyn übel, dass er beim Thema Brexit lange lavierte.

Was macht die Brexit-Partei?

Doch auch für die Tories ist der Urnengang ist nicht ohne Risiko. Johnsons Vorgängerin Theresa May hatte sich 2017 mit einer Neuwahl verzockt und ihre knappe Mehrheit verspielt.

Johnson hat sein wichtigstes Wahlversprechen bereits gebrochen: «Komme, was wolle», werde er das Land am 31. Oktober aus der EU führen, hatte er bei Amtsantritt angekündigt. Lieber wolle er «tot im Graben» liegen, statt eine Verlängerung der Austrittsfrist zu beantragen. Entscheidend für den Wahlausgang könnte werden, ob es ihm gelingt, die Schuld für die weitere Verzögerung des Brexit der Opposition in die Schuhe zu schieben. Konkurrenz muss er vor allem von der Brexit-Partei von Nigel Farage fürchten, die einen EU-Austritt ohne Abkommen will. mic/sda

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Tausende Brexit-Münzen eingeschmolzen

Ausgerechnet die britische Münzprägerei hat den Brexit für bare Münze genommen, mit beträchtlichem Schaden. Denn Tausende Sondermünzen anlässlich des Austritts aus der EU müssen jetzt wieder eingeschmolzen werden. Wie die Zeitung «Guardian» gestern berichtete, wollte die Münzprägeanstalt insgesamt drei Millionen spezielle 50-Pence-Münzen zum Brexit herausgeben. Einige Tausend waren bereits hergestellt, versehen mit dem bis vor Kurzem noch vorgesehenen Brexit-Datum des 31. Oktober 2019.

Nachdem am Montag klar war, dass auch aus diesem Datum nichts wird, stellte die Anstalt umgehend die Produktion ein. Die entsprechenden Münzen sollen nun eingeschmolzen werden, wie es gestern hiess.

Bereits zum ursprünglich vorgesehenen Brexit-Datum am 29. März waren Sondermünzen geplant, allerdings nur 10_000 Stück, dafür zum Nennwert von 10 Pfund.

Vom Tisch ist die Sondermünze damit nicht. Das Prägen soll wieder aufgenommen werden, wenn das definitive Austrittsdatum einmal feststeht. In der bisherigen Version sollte auf der Münze stehen: «Frieden, Wohlstand und Freundschaft mit allen Nationen». Aber wer weiss, vielleicht ändert das auch noch? maz

Stichwörter: London, Boris Johnson, Brexit

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