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Yukon

Der Lockruf 
des Goldes

Die Geschichte des Yukons ist eng mit dem Klondike-Goldrausch verknüpft. Am dritten Montag im August feiern die Menschen vor Ort den Discovery Day – den Tag, der vor 123 Jahren ihre Region für immer verändert hat.

Bis in die 60er-Jahre krochen riesige Kettenschwimmbagger wie dieser hier durch den Fluss Klondike, um Gold aus dem Kies zu extrahieren. Bild: zvg/Elfie Lenzin
  • Dossier

Christine Mäder

Goldfunde in der weit von jeglicher Zivilisation entfernten Klondike-Region wurden schon 1863 erstmals erwähnt. Doch nur wenige Unentwegte wagten sich ins Indianer- und Trapper-Territorium vor, ehe der 17. August 1896 in die Annalen der Geschichte einging: An diesem Tag fanden der weisse Siedler George Carmack und seine indianischen Verwandten Skookum Jim und Tagish Charlie am Bonanza Creek unweit von Dawson City unerwartet Goldklumpen – ohne zu ahnen, dass sie damit den grössten Goldrausch in der kanadischen Geschichte auslösten. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht vom sagenhaften Fund und innerhalb weniger Wochen war der ganze Bachlauf mit gut 200 Claims bestückt, wie die Schürfgebiete genannt werden. Das harsche Klima machte den Goldsuchern die Arbeit nicht einfach, aber die zu Tage geförderten Goldmengen und Grössen der Nuggets übertrafen kühnste Erwartungen.

Der lange Weg zum Reichtum
Ein fast endloser Strom von über 100 000 wagemutigen Träumern und Glücksrittern machte sich im Sommer 1897 auf den langen, beschwerlichen Weg zum vermeintlichen Reichtum: per Raddampfer von Seattle nach Alaska zur Mündung des Yukons und dann flussaufwärts nach Dawson City oder auf der See/Landroute durch die Inland-Passage nach Skagway oder Dyea und von da entweder zu Fuss über den Chilkoot Pass oder zu Pferd über den White Pass bis zum Bennett See, von wo es mit Booten oder Flossen zu den Goldfeldern im Klondike weiterging. Rund 40 000 erreichten nach einer gut zehnmonatigen Reise schliesslich ihr Ziel – um feststellen zu müssen, dass die besten Schürfgebiete schon längst vergeben waren.

Statt Gold und Reichtum fanden viele bloss Enttäuschung und endeten oft in Armut. Doch wer guten Geschäftssinn und Durchhaltevermögen besass, konnte sich im neu entstandenen Dawson City eine goldene Nase verdienen. Der von den Tr‘ondek Hwech‘in-Ureinwohnern traditionell als Sommercamp genutzte Platz an der Einmündung des Klondike in den Yukon River schwoll durch die dem Lockruf des Goldes gefolgten Horden zur grössten Ansiedlung westlich von Winnipeg und nördlich von San Francisco an und im Sommer 1898 tummelten sich über 30 000 Menschen in der «Paris des Nordens» genannten Metropole inmitten der nördlichen kanadischen Wildnis.

Die Nachricht von reichen Goldfunden an den Stränden im alaskanischen Nome bewog manche Abenteurer weiterzuziehen und ihr Glück an der Beringsee zu versuchen. Und so lebten nach der Jahrhundertwende nur noch 5000 Seelen in Dawson City. Immer noch doppelt so viele wie heute!

Goldschürfen ist kein Zuckerschlecken
Das harsche Klima mit den langen, strengen Wintern und den erbarmungslosen Minustemperaturen machte den frühen Goldsuchern die Arbeit nicht einfach. Mühselig musste der Dauerfrostboden mit Holzfeuern aufgetaut werden, ehe das Erdreich abgetragen werden konnte. Im tiefsten Winter wurden Schächte in den pickelhart gefrorenen Boden geschmolzen, damit im nächsten Frühsommer, sobald das Wasser wieder floss, mit Goldwaschen begonnen werden konnte.

Auch heute noch wird in der Klondike-Region Gold geschürft, allerdings nicht mehr mit Goldwaschpfanne, Schaufel und Spitzhacke, sondern mit modernen Hilfsmitteln wie Bagger, Planierraupe und Waschrinne. Eine weitaus effizientere Methode, womit auch geringste Mengen an Gold herausgewaschen werden können.

Viele Goldgräber im Yukon bearbeiten als lokale Familienbetriebe ihre Claims, die zum Teil über mehrere Generationen weitergegeben werden. Wer einen erfolgreichen Sommer hat, kann sich den Winter über in südlicheren Gefilden von den Strapazen der Arbeit erholen. Manchmal trifft aber auch «ausser Spesen nichts gewesen» zu und stürzt eine Familie tief in Schulden. Etliche grössere Unternehmen jedoch scheffeln in der kurzen Sommersaison Millionen. So etwa der aus der Reality-TV-Serie «Gold Rush» bekannte, erst 25-jährige Parker Schnabel, der 2018 mit seiner Crew über 7400 Unzen Gold mit einem Wert von knapp neun Millionen kanadischen Dollars aus dem Boden geholt hat. Klar, dass so etwas nur mit riesigen Maschinen und Schichtarbeit rund um die Uhr zu erreichen ist.

Die Gegend um Dawson City ist reich an Gold, weil der Boden in der Klondike-Region nie von eiszeitlichen Gletschern bedeckt war. Wird mineralienreicher Kies mehrmals von fliessendem Wasser gewaschen, fällt das gelbe Schwermetall immer tiefer bis es auf das Grundgestein oder eine undurchlässige Lehmschicht stösst. Seit den Anfängen des Goldrauschs hofft jeder Schürfer, die legendäre Hauptader zu entdecken – bisher allerdings vergeblich. Obwohl reichlich darüber spekuliert wird, wo sich diese Bonanza befinden könnte, ist sie bis heute trotz modernster geologischer Technik unauffindbar geblieben.

«Kies-Raupen» als Teil der Geschichte
Heutige Claims, die ausgebeutet sind, müssen wieder in möglichst ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Das heisst, alle Strukturen beseitigen, den Boden planieren und mit Erde so anreichern, damit wieder Vegetation wachsen kann.

Wer nach Dawson City reist, sieht sowohl vom Flugzeug wie von der Strasse aus die vielen grauen «Kies-Raupen», die in den Goldfeldern die Landschaft durchziehen. Sie sind ein Überbleibsel aus der Zeit des industrialisierten Goldschürfens. Bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts krochen riesige Kettenschwimmbagger durch die Flussbette, um Gold aus dem Kies zu extrahieren. Dieser blieb dann in schlangenförmigen Hügeln liegen. Was für manche bloss wie Steinhaufen aussieht, ist für den Yukon und insbesondere für Dawson City ein wichtiger Bestandteil der Goldschürf-Geschichte. Und diese wird mit den Discovery Days am dritten Wochenende im August jedes Jahr gebührend gefeiert.

Info: Christine Mäder, in Biel geboren und aufgewachsen, war von 1977 bis 1993 Journalistin und Redaktorin beim «Bieler Tagblatt». Nach weiteren drei Jahren als Musikredaktorin in Zürich und Baden wanderte sie in die «hinterste obere Ecke» von Kanada aus: ins spärlich besiedelte Yukon Territorium, wo sie ihre Sprachkenntnisse zuerst im Tourismus anwendete, seit 2014 nun aber in Whitehorse als Administrative Assistentin in der Finanzabteilung von Parks Canada tätig ist.

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