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Paris

Die Attacke kam von innen

Der mordende Polizist war kein Amokläufer, sondern ein radikaler Islamist. Und das hätte man schon vor der Bluttat vom Donnerstag sehen können.

Im Fokus der Kritik: Frankreichs Innenminister Christophe Castaner (Mitte). Bild: Keystone

Es war eben doch keine Verzweiflungstat: Seit dem Wochenende geht Frankreichs Staatsanwaltschaft von einem terroristischen Motiv bei der Schreckenstat am Donnerstag aus. Ein Polizeibeamter tötete innerhalb weniger Minuten vier seiner Kollegen, bevor er selbst erschossen wurde.

Druck auf den Innenminister

Nun wächst vor allem der Druck auf Innenminister Christophe Castaner. Es habe offensichtlich Schwachstellen bei der Erkennung der Radikalisierung des Tatverdächtigen gegeben, räumte Castaner gestern in einem Interview mit dem Fernsehsender TF1 ein. Doch Kritiker sagten: Man hätte schon längst und klar erkennen können, dass von dem betreffenden Polizisten eine Gefahr ausging.

Forderungen nach seinem Rücktritt wies der Minister jedoch zurück. Castaner betonte, dass es in der Akte des 45 Jahre alten Polizeimitarbeiters keine Hinweise auf Verhaltensauffälligkeiten gegeben habe. Oppositionspolitiker hatten dem Innenminister zuvor vorgeworfen, kurz nach der Tat am Donnerstagnachmittag nicht die Wahrheit über eine bekannte mögliche Radikalisierung des Tatverdächtigen gesagt zu haben.

Castaner habe gelogen, sagte die republikanische EU-Politikerin Nadine Morano in einer Gesprächsrunde im Sender BFMTV am Sonntag. Auch Politiker der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National um Marine Le Pen forderten den Rücktritt Castaners. Dieser muss Berichten zufolge nun in der kommenden Woche vor einer Delegation des Parlaments Rede und Antwort stehen.

Rückdeckung erhielt Castaner von Premierminister Édouard Philippe. Er vertraue Castaner, so Philippe. Im vergangenen Jahr habe es rund 300 000 Sicherheitsüberprüfungen innerhalb des Polizeiapparats gegeben, sagte der Premier in einem Interview mit der Zeitung «Le Journal du Dimanche» – jedoch nur in 20 Fällen habe es einen Anlass gegeben, um Polizisten von ihrer Position zu entbinden. Nähere Angaben zu den Gründen dafür machte Philippe nicht.

Der Angreifer war nach Angaben des Chefermittlers mit extremer Gewalt vorgegangen – dies habe auch die Obduktion der Opfer gezeigt. Welche Rolle die 38 Jahre alte Ehefrau des Tatverdächtigen spielte, war zunächst offen. Sie wurde gestern aus dem Polizeigewahrsam entlassen.

Über 250 Tote durch Terror

Frankreich wird seit Jahren immer wieder von islamistischen Terrorattacken erschüttert. Dabei sind bislang mehr als 250 Menschen ums Leben gekommen. Beim Anschlag 2015 auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo» in Paris und weiteren Angriffen starben 17 Menschen.

Im November des selben Jahres töteten Extremisten bei einer Attentatserie in der französischen Hauptstadt 130 Menschen. Im Juli 2016 rast ein Attentäter mit einem Lastwagen am französischen Nationalfeiertag in Nizza in eine Menschenmenge. Mindestens 86 Menschen sterben, Hunderte werden verletzt. sda

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Schon vor zehn Jahren radikalisiert

Der Chefermittler der Anti-Terror-Staatsanwaltschaft, Jean-François Ricard, hatte am Samstag Details zu dem Tatverdächtigen bekannt gegeben. Der 45-jährige Mann sei vor rund zehn Jahren zum Islam konvertiert. Ausserdem habe der Angreifer Kontakt zu mutmasslichen Anhängern der salafistischen Bewegung, einer ultrakonservativen Strömung innerhalb des Islams, gehabt.

Der Mann habe vor der Tat im Polizeihauptquartier auf der Seine-Insel Île de la Cité per Mobiltelefon ausschliesslich religiöse Nachrichten mit seiner Ehefrau ausgetauscht. Diese tauche aber nicht in der Datei für islamistische Gefährder auf. Unmittelbar vor der Tat habe der Mann zwei Messer gekauft. Seine Bluttat habe nur wenige Minuten gedauert.

Auch am Arbeitsplatz war der Mann mit radikalen Kommentaren aufgefallen, wie französische Medien berichteten. Kollegen meldeten ihn darum den Vorgesetzten. Das habe aber keinerlei Konsequenzen gehabt. sda/maz

Stichwörter: Frankreich, Attacke, Polizist

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