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Wochenkommentar

Die Wahlen in den USA verändern die Welt

Die Wahl des 44. US-Präsidenten wird Auswirkungen haben. Welche das sind, untersucht Ressortleiter Peter Staub im Wochenkommentar.

Bildquelle: Keystone
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D er US-Wahlkampf sei eine Schmierenkomödie, schreibt ein Leser zur BT-Frage der Woche. Mit dieser Meinung steht er nicht allein. Bis gestern haben 49 Prozent der Teilnehmenden die Frage, ob sie den Schlussspurt der Präsidentschaftswahlen in den USA verfolgen, so beantwortet: «Nein, diese Schlammschlacht widert mich an.» Gleichviele verfolgen die Wahlen oder erachten sie als wichtig. Das ist hoffentlich nicht repräsentativ, denn der neue amerikanische Präsident wird nicht nur die Weltpolitik der nächsten vier Jahre prägen. Ob am Mittwoch Donald Trump zum 44. Präsident oder Hillary Clinton zur ersten Präsidentin der Weltmacht Nummer Eins ausgerufen wird, hat auch Auswirkungen auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung im Seeland. Nicht nur in Bezug auf die Exportindustrie, die in den letzten Tagen darunter litt, dass die Angst vor Trump den Franken noch stärker machte.

Man wird erst im Rückblick die epochalen Auswirkungen dieser Wahlen beurteilen können. Bereits jetzt aber gibt es politische Auguren, welche die Schlacht ums Weisse Haus mit dem Ende der Römischen Republik vergleichen, als Julius Cäsar den Senat zerschlug und sich zum Diktator machte. Sollte Trump gewählt werden, könnte sich diese Prognose erfüllen: Europa weiss, wie schnell sich die offenen Gesellschaften der 1920er-Jahre in faschistische Diktaturen verwandelten. Trumps Ausfälle über Mexikaner, illegale Einwanderer oder seine Kontrahentin erinnern an die Brandstifter, die die halbe Welt in Schutt und Asche legten.

Auf der anderen Seite steht eine Kandidatin, die so gut auf die Aufgaben des US-Präsidiums vorbereitet ist, wie kein Bewerber zuvor. Ihr grösster Makel: Sie ist eine Frau. Das wagt man aber nicht zu sagen. Die von Trump beschworene und vom FBI aufgewärmte E-Mail-Geschichte hatte der Kongress bereits gründlich abgeklärt. Zudem wird kritisiert, Clinton sei zuwenig volksnah und zu stark etabliert. Doch als ehemalige Senatorin und Aussenministerin kennt Clinton die Probleme à Fonds, welche die USA und Weltgemeinschaft in den nächsten Jahren lösen müssen, soll der Planet nicht weiter im Chaos versinken. Sie hat das Format und die Intelligenz, eine Problemlöserin zu sein. Das hat sie mit ihrem souveränen Umgang mit Trumps Angriffen unter der Gürtellinie demonstriert. Die Welt braucht die erfahrene Troubleshooterin, damit der Kampf gegen die globale Erwärmung oder gegen das global grassierende Flüchtlingselend Wirkung zeigt. Probleme, die auch das Seeland betreffen; nicht nur in Form von Asylzentren, sondern auch durch die zunehmende Trockenheit oder massive Überschwemmungen.

Dass Clinton nicht wie Obama als Messias gehandelt wird, wird es ihr erleichtern, als Präsidentin erste, kleine Schritte in die richtige Richtung zu machen. Vor allem aber wird sie als Kämpferin für Frauenrechte der Gleichberechtigung der Frauen weltweit Schub verleihen. Nicht nur in der frauenrechtlich unterentwickelten arabischen Welt, sondern auch bei uns. Heute ist es zwar kaum vorstellbar, dass Trump das Rennen macht: Den Brexit hielt man im Vorfeld der Abstimmung auch für unwahrscheinlich. Sollte er gewählt werden, muss das nicht das Ende der Demokratie bedeuten. Obwohl ihm zuzutrauen ist, seine Worte in Taten umzusetzen.

Im Gegensatz zum alten Rom gibt es in der amerikanischen Gesellschaft hoffentlich genügend Kräfte, um die Demokratie zu verteidigen. Dazu gehört beispielsweise der Kongress, sofern sich dort nicht die Tea-Party der Republikaner durchsetzt. Dazu gehören auch die Medien. Obwohl diese mit ihrer Jagd auf Klicks und Einschaltquoten mitschuldig sind, dass Trump überhaupt zum Kandidaten gekürt wurde. Die Medien werden wieder lernen müssen, die wilden Behauptungen der Populisten zu überprüfen. Lernen aufzuklären, statt dem Wettstreit zu erliegen, wer zuerst die nächste Sau durchs Dorf treibt. Das gilt auch in der Schweiz.

E-Mail: pstaub@bielertagblatt.ch

Stichwörter: US-Wahlen, Wochenkommentar

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