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Klima

Sichere Ernährung bedroht

In einem Sonderbericht schreibt der Weltklimarat, dass sich Landwirtschaft und Ernährung stark verändern müssen, um menschliche Lebensgrundlagen zu sichern.

Mit einer Erwärmung von anderthalb Grad steigt das Risiko von Extremereignissen wie Dürre oder Hitzewellen. Bild: Keystone

Thomas Häusler

Fast zwei Drittel der festen und eisfreien Erdoberfläche werden in irgendeiner Form genutzt: Äcker, Weiden, bewirtschaftete Wälder. Und diese Nutzung hat stark zugenommen, sagt Edouard Davin, Mitautor des IPCC-Berichts und Forscher an der ETH Zürich.

In den letzten 60 Jahren hat sich zum Beispiel die Fleischproduktion pro Kopf verdoppelt. Das ging nur, weil enorme Flächen an Wald abgeholzt wurden, um Platz für Weiden und Futteranbau zu schaffen. All diese Aktivitäten machen die Land- und Forstwirtschaft zu einem der grossen Treibhausgasproduzenten: Fast ein Viertel sämtlicher Treibhausgase, die die Menschheit verursacht, stammen von diesen Branchen. Darum sei klar: Um die Klima-Erwärmung, wie angestrebt, bei anderthalb Grad zu begrenzen, muss auch die Landwirtschaft ihren CO-Ausstoss drastisch senken, sagt der Sonderberichts-Autor Davin.

Es dürfen keine Wälder mehr abgeholzt werden. Aber das reicht nicht: die Bauern müssen die Bewirtschaftung anpassen, zum Beispiel weniger pflügen, dadurch könnten die Böden wieder mehr CO speichern.

Zur Reduktion von CO beitragen müssten aber auch wir Konsumenten, sagt Edouard Davin: Weniger Fleisch essen würde den Landbedarf drastisch senken, weil die Tierhaltung und der Futtermittelanbau viel grössere Flächen brauchen als die Produktion von Getreide und Gemüse.

Und zu guter Letzt müssten wir alle weniger Früchte, Brot oder Wurst verderben lassen – fast ein Drittel aller Nahrung wird weggeworfen, steht im neuen IPCC-Bericht – das verursache allein etwa 10 Prozent des globalen Treibhausgasausstosses.

Risiko für Knappheiten steigt

Die Klima-Erwärmung wirke sich schon jetzt auf die Produktion von Nahrungsmitteln aus, sagt Edouard Davin: In den Tropen seien manche Erträge bereits gesunken. Ein Faktor sind häufigere extreme Ereignisse wie Hitzewellen oder Trockenheiten – wie sie auch hierzulande aufgetreten sind.

Extremereignisse können einen Domino-Effekt auslösen: Als Russland 2010 unter einer Dürre litt und die Ernte schlecht war, stiegen auch andernorts die Getreide-Preise. Der IPCC-Bericht warnt, dass bereits bei einer Erwärmung von anderthalb Grad das Risiko ansteigt, dass in ärmeren Ländern Nahrungsknappheiten auftreten. Momentan befindet sich die Erde auf dem Kurs Richtung plus drei Grad.

Die Forscher haben verschiedene Szenarien für die Zukunft durchgerechnet. Im optimistischsten Fall erreicht die Weltbevölkerung bald ihr Maximum und die Wirtschaft arbeitet weit klimafreundlicher als heute.

Im pessimistischsten Fall nimmt die Erdbevölkerung deutlich zu, und wir wirtschaften weiter wie bisher. Gegenwärtig befänden wir uns auf einem Pfad irgendwo dazwischen, sagt Edouard Davin. In welchem Szenario wir bis in 50, 60 Jahren enden, sei unklar.

Verschiedene Szenarien

Die Unterschiede wären drastisch: Im optimistischen Szenario halten sich die Risiken für Landwirtschaft und Ernährung in Grenzen. Im anderen Fall aber könnte die Menschheit bereits bei einer Erwärmung von unter anderthalb Grad in Schwierigkeiten kommen und zum Beispiel die Unterernährung in ärmeren Ländern deutlich zunehmen.

Es käme dann wohl zu einer grossen Konkurrenz um Land: Die Landwirtschaft bräuchte noch grössere Flächen, um die Menschen zu ernähren – aber um die Klima-Erwärmung abzubremsen, würde man dann riesige Flächen aufforsten, weil das CO bindet. Im Bericht ist die Rede von einer Fläche so gross wie zweimal Indien. Die Menschheit wäre dann in ernsten Schwierigkeiten.

Quelle: srf.ch/Thomas Häusler. Nachrichten, Radio SRF 4 News, 8.8.2019, 10 Uhr

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