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Spitzenlinker – und Christ

Er wollte es beweisen: Ein Linker kann regieren. Bodo Ramelow, Ministerpräsident in Thüringen, sieht sich nach der Landtagswahl gestärkt.

Mit Bodo Ramelow, Ministerpräsident in Thüringen mit dem Image eines Landesvaters, hat Die Linke erstmals eine Landtagswahl gewonnen.

Bodo Ramelow hat nie einen Hehl daraus gemacht, was er will: Traumjob Ministerpräsident. Seit Dezember 2014 ist der heute 63-Jährige Deutschlands erster Ministerpräsident der Linken und Chef einer rot-rot-grünen Koalition mit Beteiligung von Sozialdemokraten und Grünen.

Und nach der Thüringer Landtagswahl, die Die Linke gestern erstmals in einem Bundesland gewann, versprüht Ramelow Zuversicht – obwohl sein Dreierbündnis keine eigene Mehrheit hat. «Ich sehe mich ganz klar gestärkt. Und ich werde den Regierungsauftrag annehmen.» Wer ist der ambitionierte Mann, der weiter regieren will?

Sozialist und Christ, sagt Ramelow von sich. Der gebürtige Niedersachse, der nach dem Mauerfall als Gewerkschaftsfunktionär nach Thüringen kam, passt nur bedingt ins gängige Klischee. Er wolle kein Parteisoldat sein, sagt Ramelow von sich. «Ich sitze ja nicht für Die Linke, sondern für Thüringen im Bundesrat.» Oder: «Meine Partei wirbt für Die Linke, ich werbe für eine Koalition.»

Ramelow ist ein Freund klarer Worte. Er ist bekennender Legastheniker, neuerdings auch bekennender Dieselfahrer und unter den Thüringer Landespolitikern wahrscheinlich der «Twitter-König». Was er gerade denkt, tut oder worüber er sich ärgert, lässt der Spitzenlinke per Kurznachrichtendienst alle Welt wissen.

Ob im Landtag oder im Auto - das Handy scheint sein wichtigstes Werkzeug zu sein, auch in der Auseinandersetzung mit politischen Kontrahenten. Und da kann es schon mal ruppig zugehen, mit Passagen wie «kotzt mich an».

Bei Opel in Eisenach redet er die Belegschaft mit «liebe Kolleginnen und Kollegen» an und erinnert daran, wie er mit den Opelanern vor dem Werkstor für den Erhalt der Autofabrik demonstriert habe. Aber auch mit Künstlern, Wissenschaftlern, Diplomaten und sogar königlichen Hoheiten umgibt sich der Linke gern.

Geboren wurde Ramelow im niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck. In Hessen absolvierte er eine Ausbildung zum Kaufmann. Mit 25 Jahren wurde er Gewerkschaftssekretär in Mittelhessen. Von dort ging er 1990 nach Thüringen und stieg zum Landeschef der damaligen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) auf.

1999 wurde Ramelow Abgeordneter im Thüringer Landtag - für die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), die Nachfolgerin der früheren DDR-Staatspartei SED. Zwei Jahre später wurde er ihr Fraktionschef.

Nach einem Zwischenspiel im Bundestag und als Fusionsbeauftragter der PDS mit der WASG (Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative) zur Linken profilierte er sich als wortgewaltiger, manchmal auch aufbrausender Oppositionsführer im Landtag – bis zum Wechsel in die Staatskanzlei 2014 als Chef einer rot-rot-grünen Regierung.

Selbst politische Gegner wie Thüringens Alt-Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) äussern sich freundlich. Ramelows Beliebtheitswerte seien beeindruckend, so Vogel kürzlich. sda

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AfD verdoppelt ihren Stimmenanteil

Aus der Landtagswahl im deutschen Bundesland Thüringen ist die Linkspartei von Ministerpräsident Bodo Ramelow Prognosen zufolge als stärkste Kraft hervorgegangen. Die Linke erreichte bei der Wahl von gestern laut Erhebungen von ARD und ZDF 29,5 bis 30,0 Prozent. Die rechtsnationalistische AfD (Alternative für Deutschland) landete mit 23 bis 24 Prozent vor der CDU mit 22 bis 22,5 Prozent auf Platz zwei.

Die SPD kam demnach auf 8 bis 8,5 Prozent, während Grüne mit 5,5 Prozent und die FDP mit 5 bis 5,5 Prozent den Einzug in den neuen Landtag knapp schaffen könnten. Auf Die Linke entfallen den Prognosen zufolge damit im neuen Landtag 27 bis 28 Sitze. Die AfD kann mit 22 Sitzen rechnen, die CDU mit 21 Sitzen. Die SPD kommt den Prognosen zufolge auf 7 bis 8 Sitze, während Grüne und FDP jeweils 5 Mandate erhalten, sollte ihnen der Einzug in den Landtag gelingen. Dieser umfasste seit 2014 91 Sitze (vorher: 88).

Damit zeichnete sich zunächst eine schwierige Regierungsbildung ab. Die Wahlbeteiligung lag mit 65,5 Prozent deutlich über der Marke von 52,7 Prozent bei der Landtagswahl vor fünf Jahren. Die CDU und die SPD dürften ihre bislang schlechtesten Ergebnisse bei einer Landtagswahl in Thüringen einfahren.

AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke hat das Abschneiden seiner rechtsnationalistischen Partei bei der Landtagswahl im mitteldeutschen Bundesland Thüringen als ein deutliches Votum der Wähler gewertet. «Das ist ein klares Zeichen der Thüringer: So geht es nicht weiter», sagte er gestern Abend.

Die AfD habe ihr Ergebnis um mehr als 100 Prozent gesteigert, sagte Höcke unter dem Jubel seiner Anhänger in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. «Die Thüringer haben heute die Wende 2.0 gewählt.» Bei der nächsten Wahl werde die AfD die absolute Mehrheit holen. Die AfD sei auf dem Weg zur gesamtdeutschen Volkspartei. «Fakt ist, die Regierung Ramelow ist abgewählt, und das ist gut für Thüringen», so Höcke mit Bezug auf die bisherige Regierungskoalition zwischen den Linken, der SPD und den Grünen unter Führung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). sda

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