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Barcelona

Urteil heizt den Konflikt um Katalonien erneut an

Neun prominente katalanische Unabhängigkeitsbefürworter sind zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Eine politische Lösung ist in weiter Ferne.

«Freiheit für die politischen Gefangenen»: Proteste im Zentrum Barcelonas. Bild: Keystone

Der Oberste Gerichtshof Spaniens hat neun Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung des «Aufruhrs» und der Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig gesprochen. Sie erhielten von dem Gericht in Madrid Gefängnisstrafen zwischen neun und 13 Jahren.

Der Mammut-Prozess gegen die führenden Vertreter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung hatte im Februar begonnen. Vorgeworfen wurde den Angeklagten ihre Rolle beim von der spanischen Justiz als illegal eingestuften Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 20017.

Die höchste Strafe erhielt der frühere katalanische Vize-Regionalpräsident Oriol Junqueras, Parteichef der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), mit 13 Jahren Haft. Die frühere Präsidentin des katalanischen Regionalparlaments, Carme Forcadell, wurde zu elf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Gegen drei weitere Angeklagte wurden Geldstrafen in Höhe von 60 000 Euro verhängt.

Auch Aktivisten betroffen

Lange Haftstrafen erhielten auch zwei Akteure, die zum Zeitpunkt der Volksabstimmung gar kein politisches Amt innehatten. Jordi Sànchez und Jordi Cuixart, Symbolfiguren der Unabhängigkeitsbewegung, wurden zu jeweils neun Jahren Haft verurteilt. Sie sind die Köpfe der zivilen Organisationen, die seit Jahren die Massen in Spanien für die Unabhängigkeit Kataloniens mobilisieren. Sànchez leitete die Katalanische Nationalversammlung (ANC), Cuixart steht an der Spitze der Kulturvereinigung Omnium Cultural. Einige spanische Verfassungsjuristen kritisierten nach dem Urteil gegen «die beiden Jordis», wie sie in Katalonien genannt werden, dieses könnte dazu führen, dass Aufrufe zu Kundgebungen auch in ganz anderen Zusammenhängen kriminalisiert würden. Die Anklage hatte teils noch härtere Strafen beantragt, sie warf einigen der Angeklagten «Rebellion» vor. Das Gericht folgte dem nicht, da die Angeklagten keine Gewalt angewendet hätten. Es machte die Separatisten aber für Handgemenge bei Polizeieinsätzen vor Abstimmungslokalen und die Zerstörung von Fahrzeugen der Polizei verantwortlich.

Empörung in Barcelona

Nach der Urteilsverkündung blockierten aufgebrachte Unabhängigkeitsbefürworter Strassen in Barcelona. Die Polizei ging zudem gegen Demonstranten am Flughafen der Stadt vor. Bilder zeigten, wie Polizisten wiederholt Schlagstöcke gegen Kundgebungsteilnehmer einsetzten und Demonstranten am Boden festhielten. Hunderte Protestierende hatten die Sicherheitskräfte zuvor mit Steinen und Mülleimern beworfen.

Zu den Zusammenstössen kam es nach Behördenangaben, als Demonstranten eine Polizeiabsperrung vor dem Flughafen durchbrechen wollten. Wegen der Proteste wurden nach Angaben des Flughafenbetreibers Aena etwa 20 Flüge gestrichen. Die Eingänge des Airports wurden von Demonstranten blockiert. Tausende Demonstranten hatten sich schon am Mittag auf der zentralen Plaça de Catalunya in der katalanischen Hauptstadt versammelt. In den nächsten Tagen werden zahlreiche Proteste erwartet. Demonstranten in fünf Städten sollen zu einem Sternmarsch aufbrechen, der am Freitag in Barcelona mit einem Generalstreik enden soll.

Auch der FC Barcelona kritisierte die Haftstrafen. «Gefängnis ist nicht die Lösung», schrieb der Klub auf Twitter.

Puigdemont macht weiter

Kurz nach der Verurteilung erliess der Oberste Gerichtshof in Madrid erneut einen internationalen Haftbefehl gegen den nach Belgien geflohenen ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont. Er hatte nach dem Referendum die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien erklärt. Puigdemont kritisierte die Urteile gegen seine politischen Mitstreiter als «ungerecht und unmenschlich».

Nach der Unabhängigkeitserklärung stellte die Zentralregierung die Region vorübergehend unter Zwangsverwaltung. Die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez hofft, das Ende des Gerichtsprozesses könne dem Dialog mit den Unabhängigkeitsbefürwortern neuen Auftrieb geben. In einer Fernsehansprache rief Sánchez dazu auf, «ein neues Kapitel» aufzuschlagen, betonte aber auch, dass niemand über dem Gesetz stehe. Die ERC, die Partei von Junqueras betonte jedoch, ohne eine «Amnestie» für die «politischen Gefangenen und Exilanten» sei ein Dialog unmöglich. sda/mic

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