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„Krawattenzwang“

100 Jahre Zirkus Knie – alles andere als verstaubt

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, publizistischer Leiter der Gesamtredaktion und Chefredaktor „Bieler Tagblatt“ wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: 100 Jahre Zirkus Knie – alles andere als verstaubt.

Bernhard Rentsch: Krawattenzwang
  • Dossier

Von wegen Zirkusnostalgie: Was im Nationalzirkus Knie im Jubiläumsjahr (100 Jahre) geboten wird, ist erstklassig. Die auch in Biel restlos ausverkauften Vorstellungen entzückten.

Das moderne Zelt ohne Innenpfosten bietet im Zirkus zeitgemässe Möglichkeiten. Mit der neuen Hülle hielt insbesondere die durchkomponierte Technik Einzug. Licht und Ton sind erstklassig – die programmierte und digital angesteuerte Lichtshow ist sogar etwas gar zirkusfremd. Die Nostalgiker vermissen die Beleuchter, die kurz vor Programmbeginn die Höhen die Masten erklommen und dort die Verfolgerscheinwerfer manuell geführt haben.

Ganz ohne Nostalgie geht‘s aber auch sonst nicht. Das Rund besteht nach wie vor aus Sägemehl, das immer wieder hergerichtet oder abgedeckt wird. Der Duft nach Manege und Pferden, die Popcorns und das Anstehen vor dem Zirkuswagen-WC wecken alte Erinnerungen.

Es ist der Zirkusfamilie Knie zu gönnen, dass dieser Sprung nach vorne geglückt ist. In den letzten Jahren zählten Zirkusvorstellungen zu Auslaufmodellen und auch am traditionellen Lack des Nationalzirkus wurde gekratzt. Die einst zur Tradition gehörenden Elefantenauftritte wurden aus der Manege verbannt – die Knie-Familie setzt heute in erster Linie auf Pferdenummern. Über 20 Tiere gleichzeitig im engen Kreis zu führen, ist beeindruckend.

Tiernummern also bei Knies – dazu ein toll zusammengesetztes Programm mit akrobatischen Höhepunkten. Die Qualität und die Waghalsigkeit scheint gesteigert, was wohl auch der modernen Inszenierung mit Licht und Ton geschuldet ist. Jedenfalls wird das Publikum bestens unterhalten und verdankt dies mit stehenden Ovationen.

Allem Schwärmen zum Trotz: Die Entwicklung der traditionellen Zirkusvorstellungen zu modernen Events bringt eine gefährliche Entwicklung mit sich. Im Zirkus Knie gibt es keine «billigen» Plätze mehr – wo auch im Zelt ohne Pfosten, in welchem von jedem Platz aus erstklassige Sicht garantiert ist? Das heisst, dass im Familienbudget ein gemeinsamer Besuch im Knie einen nicht zu unterschätzenden Ausgabenposten bedeutet. Es wäre schade, wenn der Zirkusbesuch zu stark von finanziellen Möglichkeiten gesteuert ist – so, wie dies im Spitzensport häufig der Fall ist, auch hier mit  durchkomponierten Shows gegenüber einfachen Wettkämpfen. Freizeitvergnügen und Unterhaltung für alle – bitte!


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

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