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5G sorgt für Aufruhr in Seeländer Gemeinden

Im Seeland stehen derzeit erst zwei 5G-Antennen. Doch zahlreiche Baugesuche sind durch Verfahren blockiert. Gegner in den Gemeinden wehren sich erbittert gegen die neue Technologie.

Diessbach: Die geplante 5G-Antenne neben dem Sportplatz, auf dem Kinder spielen, hat entschlossene Gegner. Obwohl das Regierungsstatthalteramt die Anlage kürzlich bewilligt hat, ist davon auszugehen, dass die Gegner das Verfahren an die nächste Instanz

von Brigitte Jeckelmann
Noch ist das Seeland praktisch frei von Mobilfunkanlagen der neuen Generation 5G. Das zeigt ein Blick auf die Übersichtskarte des Bundesamts für Kommunikation Bakom. Nur gerade auf dem Margelacker beim Weiler Spins bei Aarberg steht laut der Karte eine 5G-Antenne. Das wird sich vermutlich demnächst ändern: Nach Auskunft des Aarberger Bauverwalters, Marc Lehmann, haben sich bereits Mobilfunkbetreiber gemeldet. Es sei damit zu rechnen, dass auch in Aarberg bald Anfragen für 5G-Antennen eingehen würden.


5G ist die Antwort auf den steigenden Datenkonsum der Menschen. Die neue Technologie soll die mobile Übertragung von Daten revolutionieren: Noch mehr, noch schneller. Zudem soll sie neue Technologien möglich machen wie die Kommunikation zwischen Maschinen. Schrittweise bereitete der Bund vor, 5G in der Schweiz einzuführen. Innerhalb von zwei Jahren, so der Plan, sollte die Welle so richtig anrollen. Im November 2017 reservierte der Bundesrat die Frequenzbänder. Einen Monat später war die erste Version des Standards 5G bereit, 2018 standen schon die ersten Ausrüstungen zur Verfügung. Im letzten Februar vergab die Kommission Comcom die neuen Frequenzen. Das Bakom kündigt auf seiner Website an: «Im Jahr 2019 startet 5G in der Schweiz richtig durch.»


Moratorien und Einsprachen
Es sollte anders kommen. In den letzten Wochen haben die Mobilfunkanbieter in den lokalen Anzeigern immer mehr Baugesuche publiziert. Wie in der ganzen Schweiz hagelt es auch im Seeland Einsprachen (siehe Übersicht folgende Seite). Die Kantone Jura, Waadt und Genf haben für 5G einen Baustopp verfügt. Der Kanton Zug hat ein Baugesuch in der Gemeinde Baar abgelehnt. Grund: Es sei noch nicht genügend geklärt, wie sich 5G auf die Gesundheit auswirke. Zudem sei nicht zulässig, dass die Behörden, die sogenannt adaptiven 5G-Antennen gleich behandle wie herkömmliche. Dabei stützte sich das Zuger Umweltamt auf ein Rechtsgutachten der Aarauer Anwaltskanzlei Pfisterer Fretz. Resultate einer Arbeitsgruppe des Bundes über Bedarf und Risiken von 5G stehen noch immer aus, obwohl man diese bereits Mitte Jahr in Aussicht gestellt hatte.


Anbieter dementieren
Der schweizweit tätige Verein Schutz vor Strahlung berichtete jüngst in einer Mitteilung an die Medien von 98 Prozent aller Bauvorhaben, die blockiert sein sollen. Die Bevölkerung habe so faktisch ein Moratorium herbeigeführt. Der bernische Grosse Rat dagegen hat Anfang Monat zwei Vorstösse für ein 5G-Moratorium im Kanton deutlich abgewiesen. Die Telekommunikationsanbieter Sunrise, Swisscom, und  Salt dementieren die Zahlen des Vereins: Gemäss Angaben von Swisscom gehen bei rund einem Drittel aller Baugesuche Einsprachen ein, diese würden auch Frequenzen für 5G erfassen. Salt schreibt, es komme nach wie vor bei etlichen Projekten zu Protesten und Einsprachen. Laut Rolf Ziebold von Sunrise ist aktuell über die Hälfte aller baubewilligungspflichtigen Neubauten «unter Opposition».
Dennoch widerspiegeln die Aussagen der Telekomriesen eine gewisse Frustration: Salt schreibt von einer schizophrenen Situation: Konsumentinnen und Konsumenten nutzten immer mehr Daten mobil, wollten das schnellste und beste Netz, aber nicht die dafür nötige Infrastruktur. Sunrise will Juristen einschalten, falls Behörden Baubewilligungen willkürlich verweigern.
Die Betreiber rechnen mit Mehrkosten und Verzögerungen durch die Einsprachen. Swisscom will trotz Widerstand bis Ende Jahr 90 Prozent der Bevölkerung mit 5G versorgen. Wieviele Antennen im Seeland noch geplant sind, wollen die Telekomanbieter allerdings nicht angeben.


Sorgen um Schulkinder
In den Gemeinden auf dem Land wie auch in Biel haben sich Gruppen gegen 5G gebildet: Nancy Meier aus Diessbach spricht stellvertretend für die über 100 Einwohnerinnen und Einwohner, die sich mit einer Kollektiveinsprache und einer Petition mit 300 Unterschriften gegen die geplante Antenne gleich beim Schulhaus neben dem Sportplatz wehrten: Sie sorgt sich wegen «fehlender wissenschaftlicher Beweise für die Unschädlichkeit» um die Gesundheit der Schulkinder, die gleich neben der Antenne auf dem Rasenplatz spielen. Zudem sei 5G im Dorf zum heutigen Zeitpunkt unnötig, da man mit der bestehenden Anlage nur wenige hundert Meter von der geplanten gut ausgerüstet sei. Aus Sicht der Gegner sei es für 5G heute zu früh, zumal ja auch der Bericht des Bafu wie auch weitere Erkenntnisse über 5G fehlten.
Kürzlich hat das Regierungsstatthalteramt Seeland die umstrittene Antenne in Diessbach bewilligt. Es stützt sich dabei auf den Fachbericht des kantonalen Amts für Wirtschaft. Jener bescheinige, dass die geplante Anlage die Immissionsgrenzwerte wie in der entsprechenden Bundesverordnung vorgegeben einhalte. Damit fällt ein gewichtiges Argument der Gegner weg, wonach die Grenzwerte teils massiv überschritten würden.
Die Einsprecher rügten zudem, dass die Stärke der Strahlung falsch berechnet worden sei. Es sei fahrlässig, auf diesem Platz Kinder spielen zu lassen, wenn die 5G-Antenne dort stehe. Dem hält Regierungsstatthalterin Franziska Steck entgegen, die Antenne würde waagrecht strahlen und nicht in Richtung Boden. Dies schwäche die Strahlung ab, heisst es im Bauentscheid.


Weiterzug wahrscheinlich
Obwohl der Gemeinderat die Verhandlungen mit der Swisscom ohne Beizug der Bürger durchgeführt hatte, wie die Gegner monieren, fühlte dieser sich offenbar vom kollektiven Aufschrei überrumpelt: Wie im Bauentscheid steht, hat die Gemeinde in ihrer Stellungnahme darum gebeten, mit dem Entscheid zuzuwarten, bis der Bericht der Arbeitsgruppe des Bundes vorliegt. Dies «aufgrund der herrschenden Unsicherheit und Angst eines Teils der Bevölkerung». Die Diessbacher 5G-Gegner sind von der Regierungsstatthalterin enttäuscht. «Sie ist gar nicht auf unsere Argumente eingegangen», sagt Nancy Meier. Höchstwahrscheinlich werde die Gruppe an die nächst höhere Instanz gelangen, sagt sie. Derzeit sammle man Spenden für die Finanzierung.
In Büren hat sich gegen die geplante 5G-Antenne das Komitee «Stop dem Ausbauwahnsinn» gebildet. Die Baukommission des Stedtlis muss sich mit über 100 Einzeleinsprachen befassen, ein Entscheid liegt noch nicht vor. Daniel Laubscher, Sprecher des Komitees, geht davon aus, dass man einen positiven Bauentscheid je nach Begründung weiterziehen werde.


«Brauchen wir 5G?»
Karin Baasch ist eine der Einsprecherinnen, die sich gegen die 5G-Anlage an der Dr.-Schneider-Strasse in Nidau wehrt. Ihre persönlichen Gründe: Niemand wisse Genaues über die Auswirkungen. Vor allem jene auf Insekten, Pflanzen und Vögel. Zudem fragt sie sich: «Brauchen wir 5G überhaupt?» Selbstfahrende Autos solle es ja erst in einigen Jahren geben. Die Technologie sei noch gar nicht da. Für sie ist der massive Ausbau von 5G «vorauseilender Overkill». Sie begründet ihre Einsprache unter anderem mit einer fehlenden übergeordneten Planungsgrundlage nach Bundesrecht. Zudem seien keine alternativen Standorte geprüft worden.
In Lengnau sollen zwei 5G-Anlagen zu stehen kommen. Auch dort hat sich eine breite Opposition organisiert. Federführend ist Reto Gatschet. Er schreibt: «Täglich engagieren sich in Lengnau mehr Menschen gegen 5G.»


Die Fachfrau für Einsprachen
Zentral im schweizweiten Widerstand gegen 5G ist die Grenchnerin Rebekka Meier, Uhrmacherin, Amateurfunkerin, Präsidentin des Vereins 5G Moratorium und beim Verein Schutz vor Strahlung Verantwortliche der Abteilung Baurecht. Sie berät landesweit Gruppen von 5G-Gegnern bei der Abwicklung der Einspracheverfahren (siehe Interview).
Jüngst hat der Verein in einer Medienmitteilung happige Vorwürfe gegen die Mobilfunkbetreiber erhoben. So sei eine Einschätzung der Strahlung von 5G-Antennen nicht möglich, weil diese innert Bruchteilen von Sekunden ihre Richtung ändern. Mit den heutigen Messgeräten könne man die Stärke der Strahlung nicht messen, was eine Kontrolle verunmögliche. Zudem sollten die Antennen mehr Energie auf kleine Flächen strahlen. So könnten Gesundheitsschäden vor allem bei Kindern entstehen. Auch Menschen mit Herzschrittmachern seien gefährdet.
Salt, Sunrise und Swisscom weisen alle Vorwürfe zurück. Swisscom schreibt, man verstehe zwar die Befürchtungen, sie würden oft bei neuen Technologien geäussert. Man nehme diese ernst, komme aber aufgrund des aktuellen Stands der Wissenschaft zum Schluss, dass es keinen Nachweis für gesundheitliche Nachteile gebe. Salt gibt an, die Signale von 5G-Antennen könnten durchwegs mit den heutigen bekannten und verwendeten Messgeräten gemessen werden. Sunrise hält fest, die Schweizer Grenzwerte seien zehnfach strenger als in den meisten anderen Ländern. Sie müssten überall eingehalten werden, wo sich Menschen regelmässig und längere Zeit aufhalten.
Die 5G-Gegner werden den Kampf weiterführen: Nach einer ersten Kundgebung im Mai in Bern, an der hunderte Menschen teilnahmen, findet morgen Samstag eine Demo auf dem Bundesplatz statt.

 

Noch keine Antenne, aber viele Baugesuche


Biel In der Stadt Biel befindet sich im Moment noch keine 5G-Antenne. Doch im Amtsanzeiger werden ständig neue Baugesuche abgedruckt, die Bewilligungsverfahren laufen. Nun formiert sich in der Bevölkerung Widerstand.

von Sarah Zurbuchen
Bis dato gibt es in der Stadt Biel noch keine einzige 5G-Antenne. Umso mehr geben Mobilfunkanbieter wie Swisscom oder Sunrise jetzt Gas. Praktisch jede Woche sind im Amtsanzeiger zwei bis drei Baugesuche zu finden, auch wenn der Begriff 5G darin nicht auftaucht. «Umbau der bestehendenMobilkommunikationsanlage für Swisscom (Schweiz) AG mit neuen Antennen» lautet etwa ein Gesuch an der Bahnhofstrasse 2b, oder «Erstellen einer neuen Mobilfunkanlage mit entsprechenden technischen Einrichtungen» am Mettlenweg 34.


Insgesamt 22 Antennen-Baugesuche wurden seit Sommer 2018 bis Ende August 2019 bei der Stadt Biel eingereicht, fünf davon wurden bereits bewilligt. «Ob es sich dabei um 5G-Antenneninstallationen handelt, ist nicht in allen Fällen bekannt», so Florence Schmoll, Leiterin der Stadtplanung. Im Rahmen eines Baugesuches muss nämlich nicht angegeben werden, ob es sich um eine 5G-Antenne handelt. Dies, da die einzuhaltenden Grenzwerte primär von der Frequenz abhängig sind. Auch beurteilt die Stadt Biel im Baubewilligungsverfahren nur die Antenne als bauliches Objekt, dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine 3G, 4G oder 5G-Antenne handelt. Die Einhaltung der Umweltvorschriften, etwa bezüglich Strahlung, wird vom Amt für Wirtschaft, Fachstelle Immissionsschutz, überprüft (siehe auch Zweittext).
Auch das Amt für Wirtschaft liefert keine spezifischen Antworten zu künftigen 5G-Antennenstandorten in Biel. Mit einer Ausnahme: Die geplante Mobilfunkanlage an der Länggasse 50 wird eine der ersten wenn nicht gar die erste 5G-Antenne in Biel sein.


Flut an Einsprachen
Nicht nur die Mobilfunkanbieter sind im Moment äusserst aktiv, sondern auch die 5G-Gegnerschaft in Biel. Im Moment formiert sich eine Arbeitsgruppe, die sich gegen geplante Antennen der neusten Generation in Biel und Umgebung wehren will. Und das Komitee 5G-Moratorium bietet Online-Hilfestellungen für Leute, die eine Einsprache machen wollen. Und so sieht der momentane Stand aus: Gegen 7 der 22 Baugesuche wurden laut Florence Schmoll Einsprachen erhoben (pro Gesuch zwischen einer und 30). Eine wahre Flut an Einsprachen, nämlich deren 100, ging laut der Leiterin der Stadtplanung gegen den «Umbau einer Mobilfunkanlage» an der Juravorstadt 44 ein. Einsprecherin Dora K.* wohnt im Perimeter der Antenne, ihr Kind geht in unmittelbarer Nähe zur Schule, sie selbst engagiert sich in einer Arbeitsgruppe gegen 5G. «Ich spreche mich dagegen aus, dass Schul- und dichte Wohnzonen zum Experimentierfeld werden, ohne dass Bürgerinnen und Bürger aufgeklärt oder sie um ihre Meinung gefragt werden.» Die gesundheitlichen Auswirkungen von 5G seien unklar, so Dora K*. weiter. Sie verweist auf Wissenschaftler, Ärzteverbände und Studien, die vor den Gesundheitsrisiken von elektromagnetischen Feldern und 5G warnen. Sie selbst kenne Ärztinnen, die gegen dieselbe Antenne Einspruch erhoben hätten. «Die Einsprachen kommen also weder von entrückten Esoterikerinnen noch von Personen, die in den 80er-Jahren stecken geblieben sind und sich dem Fortschritt widersetzen.»
Die besorgte Mutter verweist ausserdem auf die Arbeitsgruppe des Bundesamts für Umwelt, die die Bedürfnisse und Risiken von 5G-Netzen analysieren und Empfehlungen abgeben soll. «Die Resultate sind ausstehend, aber schweizweit gibt es derzeit zig Baugesuche der Telekomfirmen. Kommt 5G also einfach durch die Hintertür?» Sie ruft auf zu Innovation und langfristig neuen Lösungen, die nicht gesundheitsschädlich sind.


Probleme mit Funkstrahlung
Gegen dieselbe Antenne an der Juravorstadt sowie gegen eine geplante Antenne an der Quellgasse hat sich die 50-jährige Musiklehrerin Karin Z.* zur Wehr gesetzt. Sie bezeichnet sich selbst als hochsensibel und vermutet, dass ihre gesundheitlichen Probleme mit Funkstrahlung in Zusammenhang stehen. «Vom Telefonieren mit DECT-Telefonen oder Handys bekomme ich sofort Ohren- und Kopfschmerzen.» Das passiere auch an Orten, an denen sich auf engem Raum viele Leute mit Smartphones aufhalten. Sie selbst lebt ohne Internet und Handy. Ein weiterer Grund, warum sie gegenüber der neuen Technologie äusserst skeptisch ist, sei das Verhalten der Kinder: «Ich habe in den letzten Jahren beobachtet, dass sich das Verhalten der Schulkinder an meiner Schule stark in Richtung motorischer Unruhe, grössere Reizbarkeit und zunehmende Konzentrationsschwäche verändert hat.» Karin Z.* sieht ausserdem einen Zusammenhang zwischen dem Insektensterben und steigender Funkstrahlung. «Ich sehe den Ausbau des 5G-Netzes als ein gefährliches Spiel mit der Gesundheit allen Lebens an, zugunsten wirtschaftlicher Interessen», so die Lehrerin.
Auf Nachfrage bei der Stadt Biel informierte Florence Schmoll darüber, dass die Bauherrschaft der Antenne an der Juravorstadt ihr Vorhaben inzwischen sistiert hat.


Interpellation: Antwort hängig
Das Thema 5G beschäftigt auch die Bieler Politik. Stadträtin Bettina Epper (Grüne) wollte in einer Interpellation im April dieses Jahres mehr zu den 5G-Antennen in Biel wissen. So fragte sie etwa, ob der Gemeinderat über denZeitplan der Einführung des 5G-Netzes auf Stadtgebiet Auskunft geben kann, oder was der Gemeinderat macht, «um die Bieler Bevölkerung vor Mobilfunkstrahlung zu schützen». Weiter möchte Epper vom Gemeinderat wissen, ob es rechtliche Grundlagen gibt, auf denen basierend der Gemeinderat ein 5G-Moratorium erlassen könnte und wenn ja, ob der Gemeinderat bereit wäre, ein solches Moratorium zu erlassen, bis die Resultate der Bafu-Arbeitsgruppe vorliegen. Eine Antwort auf die Interpellation wird erst im Oktober erwartet.
*Namen von der Redaktion geändert

Vom Gesuch zur Bewilligung

Eingehende Baugesuche für Mobilfunkantennenanlagen werden von der Dienststelle Baubewilligungen und Kontrollen Biel (Leitbehörde) auf ihre Vollständigkeit und formelle Richtigkeit hin geprüft. Dann gehen die Baugesuche an den Immissionsschutz im Amt für Wirtschaft des Kantons Bern. Hier werden die angegebenen Daten im mitgelieferten Standortdatenblatt der Antennenanlage kontrolliert. Die Fachstelle Immissionsschutz ist alleine für die Überprüfung der Einhaltung der Umweltvorschriften zur Begrenzung von nichtionisierender Strahlung sowie für die Überwachung der Einhaltung der Emissionsvorschriften bei Anlagen zuständig. Bei dieser Prüfung aus Sicht der Strahlung geht es nicht um die Technologie (3G, 4G, 5G) an sich. Es wird kontrolliert, ob die Grenzwerte der entsprechenden bundesrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Parallel dazu wird jeweils die städtische Fachstelle für Denkmalschutz zum Mitbericht bezüglich des Ortsbildschutzes eingeladen. Sofern alle Fachberichte positiv ausfallen, publiziert die Leitbehörde das Bauvorhaben im Bieler Amtsanzeiger. Falls die Prüfung der einzelnen Fachstellen Mängel aufzeigt, müssen die Gesuchsteller das Baugesuch überarbeiten. Nach erfolgter Publikation werden allfällige Einsprachen behandelt und es kann allenfalls eine Bewilligung ausgestellt werden. sz

«Auf einmal wurde ich mit Anfragen überschwemmt»


Die Uhrmacherin und Amateurfunkerin Rebekka Meier aus Grenchen berät schweizweit 5G-Gegner bei Einspracheverfahren.

Rebekka Meier, weshalb bekämpfen Sie 5G so vehement?
Rebekka Meier: Angefangen hat es damit, dass in Grenchen geplant war, zwei Anlagen aufzurüsten, eine davon in der Nähe meiner Wohnung. Ich bin damit nicht einverstanden, weil mit 5G adaptive Antennen kommen. Ich bin Amateurfunkerin und deshalb weiss ich, wie gross die Sendeleistung dieser Antennen sein kann. Und dann ist mir aufgefallen, dass diese Antennen unsere Grenzwerte massiv überschreiten. Das kann ich nicht einfach so stehen lassen. Dazu kommt: Ein WLAN oder das Handy kann man abschalten und man wird nicht mehr bestrahlt. 5G dagegen nicht. Die Dauerbestrahlung schadet Mensch und Natur. Da ich sehr naturverbunden bin, kann ich dem nicht tatenlos zusehen. Zudem tut es mir weh, wenn ich sehe, wie mit der Einführung von 5G über die Köpfe der Bevölkerung hinweg und ohne Mitspracherecht die Demokratie missachtet wird.

Die Mobilfunkbetreiber wie auch das Bundesamt für Umwelt beschäftigen Fachleute und Wissenschaftler. In der Schweiz gelten strenge Grenzwerte. Die Betreiber wie auch das Bundesamt bestreiten jeweils alle Vorwürfe von 5G-Gegnern wie Ihnen. Warum sollten Betreiber und der Bund Mensch und Natur schaden wollen?
Das ist mir wie auch den vielen Einsprechern in der ganzen Schweiz ein grosses Rätsel. Wir können es nicht verstehen, es ist für uns nicht fassbar. Viele fragen sich, ob die Fachleute und Wissenschaftler des Bundes in dieser Sache einfach schlechte Arbeit machen. Dass die Mobilfunkstrahlung auch unterhalb unserer Grenzwerte Folgen auf Natur und Umwelt hat, erachte ich als erwiesen. Und ich finde unsere Grenzwerte nicht streng. Es gibt Länder mit strengeren Grenzwerten. Zum Beispiel Belgien, Luxemburg oder Monaco.

Erzählen Sie, wie Ihr Kampf begonnen hat.
Als ich anfing, mich über das Thema zu informieren, sah ich, dass es viele Gruppen gab. Sie waren ziemlich hilflos unterwegs. Sie wussten, 5G ist gefährlich, aber sie wussten nicht, wie sie dagegen vorgehen können. Ich habe dann Mustereinsprachen gemacht, die man auf die jeweilige Ortschaft abändern kann und diese zur Verfügung gestellt. Anfangs waren das Kollegen und Bekannte von mir. Dann hat sich das Ganze verselbstständigt. Man hat meine Telefonnummer weitergereicht und gesagt, dass man sich bei Fragen an mich wenden kann. Und auf einmal hat man mich mit Anfragen überschwemmt. Ich bin derzeit so stark mit 5G beschäftigt, dass Arbeit in meinem Uhrenatelier liegen bleibt.

Und wie ging es dann weiter?
Zwei Kolleginnen und ich haben den Verein 5G Moratorium gegründet. Ich bin die Präsidentin. Wir haben entschieden, dass wir alle in der Schweiz unterstützen möchten, die ein Baugesuch stoppen wollen. Inzwischen hat mich der Verein Schutz vor Strahlung, den es schon länger gibt, als Fachperson für die Abteilung Baurecht mit ins Boot geholt. Wir wollten ein faktisches 5G-Moratorium herbeiführen. Und genau das ist uns jetzt gelungen. Praktisch alle Baugesuche sind mit Einsprachen blockiert.

Die Mobilfunkbetreiber dementieren dies. Wie kommen Sie auf diese 98 Prozent?
Mehrere Personen in unserem Verein suchen schweizweit alle Amtsblätter, Anzeiger und andere Publikationsorgane auf 5G-Baugesuche ab. Wenn die Betreiber von 30 Prozent reden, dann hätten sie zwei Drittel aller Gesuche nicht öffentlich publiziert. Das kann ja nicht sein. Wir haben alle Baugesuche registriert, die wir gefunden haben.

Wie finanzieren sich die Vereine 5G Moratorium und Schutz vor Strahlung?
Ausschliesslich durch Spenden, auch das Rechtsgutachten des Anwaltbüros Pfisterer Fretz konnten wir auf diese Weise finanzieren. Alle anderen Arbeiten erledigen über 60 Personen ehrenamtlich. Einsprecher in Gemeinden unterstützen wir kostenlos und nur rechtlich, soweit ein Laie das kann. Einschätzungen anderer Fachleute oder einen Weiterzug an eine höhere Instanz müssen die Gruppen selber stemmen. Da diese meist aus über 100 Personen bestehen, sollte dies möglich sein.

Sie wollen 5G in der Schweiz verhindern – somit stellen Sie sich gegen den Fortschritt, die technische Entwicklung. Ist das nicht etwas weltfremd?
Ich bin alles andere als eine abgehobene Träumerin. Wir brauchen 5G nicht. Ferngesteuerte Geräte wie Roboterrasenmäher oder Waschmaschinen gibt es ja bereits jetzt. Das funktioniert auch mit 4G. Steigende Datenmengen kann man mit dem Glasfasernetz abdecken, das in der Schweiz noch ausbaufähig ist. Wer in seinen eigenen vier Wänden mobile Daten nutzen möchte, kann das über sein WLAN-Netz machen. Also gibt es keinen Grund für 5G. Jedenfalls nicht heute, in einigen Jahren, und nur, wenn die Forschung sicher weiss, dass es unschädlich ist, kann man wieder darüber reden.
Interview: Brigitte Jeckelmann

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