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Biel

70 Massnahmen, um Armut zu bekämpfen

Armut verhindern statt Armut lindern: Das ist der Leitfaden der Sozialstrategie 2020-2030 der Stadt Biel. Handlungsbedarf besteht laut Abteilungsleiter Thomas Michel vor allem bei der Schaffung von Perspektiven.

Laut Thomas Michel müssen nicht nur neue Angebote geschaffen, sondern diese auch bekanntgemacht werden. Yann Staffelbach
Hannah Frei
 
Gestern präsentierte die Stadt Biel ihre Sozialstrategie bis 2030. Sie beinhaltet über 70 konkrete Massnahmen, um die Armut in Biel zu mindern. Mit einer Sozialhilfequote von rund elf Prozent liegt Biel schweizweit auf dem ersten Platz. Für Sozialdirektor Beat Feurer (SVP) ist demnach klar, dass nun mit einem umfangreichen Massnahmenpaket reagiert werden muss. «Es ist eine Herkulesaufgabe», sagt er.
 
Die drei Eckpfeiler sind dabei die Prävention, die Schaffung von Perspektiven und die Integration. Ziel ist es, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Biel in die Gesellschaft eingebunden sind und am sozialen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können.
 
Unter den Massnahmen finden sich zum einen bereits bestehende, die aufrechterhalten oder weiterentwickelt werden sollen, zum anderen aber auch konkrete neue Projekte. Dies sind beispielsweise das Pilot-Projekt «Fokus Arbeit» zur Perspektivenbildung in der Sozialhilfe und Integration in den 1. Arbeitsmarkt und die Durchführung von Themen-Anlässen, unter anderem zu «Mieten und Wohnen» oder «Schulden und Budget». «Die Strategie soll kein Papier bleiben, sondern mit konkreten Massnahmen umgesetzt werden», so der Sozialdirektor. Die Stadt Biel soll dafür die Rahmenbedingungen stecken und die Massnahmen gemeinsam mit Hilfsorganisationen wie etwa dem Landschaftswerk Biel-Seeland umsetzen.
 
«In Biel braucht es mehr»
Für Thomas Michel, Abteilungsleiter Soziales der Stadt Biel, besteht besonders bei der Schaffung von Perspektiven für Menschen in prekären Verhältnissen Handlungsbedarf. Denn in Biel sei dieses Bedürfnis aufgrund der hohen Sozialhilfequote besonders hoch. «In Biel braucht es deutlich mehr als die herkömmlichen Tools zur Bekämpfung von Armut.» Mit der neuen Strategie mache die Stadt nun einen Schritt vorwärts. Dies sei auch zwingend nötig. Denn aufgrund der Pandemie werde es im nächsten Jahr mehr Menschen geben, die keine Perspektive haben. Auch für Beat Feuer hat die Schaffung von Perspektiven hohe Priorität: «Wenn man keine Perspektiven hat, ist der Antrieb etwas zu verändern gering.»
Konkret geplant sind in diesem Bereich unter anderem Projekte in Zusammenarbeit mit Quartierinfos und der Ansprechstelle Integration sowie die Einführung von Bildungsgutscheinen, beispielsweise für Menschen mit Migrationshintergrund, deren Ausbildung in der Schweiz nicht anerkannt ist oder die keine Ausbildung abgeschlossen haben.
 
Laut Feurer sind die Massnahmen in der Strategie zwar nicht verbindlich, aber er versichert, dass die Ziele ernstgenommen werden. Die Fortschritte würden auch regelmässig geprüft und die Massnahmen gegebenenfalls angepasst. Zudem wurde die Erreichung der Massnahmen terminiert, entweder als kurzfristig (wird sofort in Angriff genommen, Umsetzung innert ein bis zwei Jahren) oder mittelfristig (Umsetzung innert zwei bis fünf Jahren).
 
Die Sozialstrategie ist ein weiterer Schritt nach der Reorganisation der Abteilung Soziales 2015, die aufgrund der Ergebnisse einer Studie vom Forschungs- und Beratungsbüro Ecoplan umgesetzt wurde. Auch bei der neuen Sozialstrategie war Ecoplan involviert.
 
Pandemie verstärkt Not
Mit der Planung der Strategie wurde vor zwei Jahren begonnen, also vor der Pandemie. Diese habe die sozialen Probleme in der Stadt Biel noch verstärkt, sagt Tamara Iskra, Leiterin der Bieler Fachstelle Integration. «Die Migrationsbevölkerung ist durch die Pandemie sehr verunsichert», sagt sie. Im letzten Jahr habe es daher deutlich mehr Anfragen bei ihnen gegeben. Die Fachstelle habe den Bedarf kaum mehr abdecken können.
 
Eines der obersten Ziele sei zurzeit nicht nur die Schaffung von Angeboten für die Betroffenen, sondern die Bekanntmachung der Angebote. Dazu werde im Frühsommer ein neues Projekt mit dem Namen «Antenne Biel/Bienne» lanciert. Konkreter werde man erst in ein paar Wochen darüber informieren. Auch Thomas Michel kündigt eine Kampagne zum Thema Prekarität an, die im Herbst starten und auf konkrete Angebote aufmerksam machen soll.

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