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Biel

Ab in den Bunker

In den nächsten Wochen und Monaten werden in Biel Notausstiege, Panzertüren und Frischluftaggregate überprüft. 
Die Rede ist von den Luftschutzkellern, einem Erbe aus dem Kalten Krieg.

Sechs Mitarbeitende der Jean Frey AG in Zürich betreiben im Mai 1979 die Notbelüftung des Luftschutzraumes undter dem Firmengebäude. Heute gibt es dazu moderne Frischluftaggregate. Bild: Keystone

Sarah Zurbuchen

Derzeit erhalten alle, die eine Liegenschaft mit einem Schutzraum besitzen, Besuch von der Firma Abri Audit AG. Im Auftrag der Stadt kontrolliert das Unternehmen die Zivilschutzräume in Biel. An insgesamt 900 Standorten müssen die Mitarbeitenden prüfen, ob Überdruckventile, Notausstiege oder Panzertüren noch funktionieren. Sven Eggli, Kommandant Zivilschutz der Stadt Biel, ist federführend bei dieser Kontrolle, die alle zehn Jahre stattfindet. «Wir testen, ob das Frischluftaggregat noch funktioniert, die Türen sich gut öffnen und schliessen lassen oder der Notausstieg noch in Ordnung ist.» Da Letzterer ins Freie führe, bilde sich dort witterungsbedingt gerne mal Rost, führt Eggli weiter aus. Schliesslich werden auch die Dichtungen der Türen und Ausstiege unter die Lupe genommen und wenn nötig ausgewechselt.

Und was ist mit Möbeln und anderen Gegenständen, die oft in Schutzräumen gelagert werden? Ist das erlaubt? «Ja», sagt Eggli, «das ist erlaubt». Wichtig sei, dass der Zugang zu den oben genannten Schutzraum-Komponenten jederzeit gewährleistet sei.

Anlässlich der momentanen Überprüfung wird auch erfasst, wie viele der Schutzräume noch betriebsbereit sind. Anhand dieser Informationen wird dann die Zuweisungsplanung überarbeitet, die es laut Zivilschutzverordnung braucht. Das heisst, jede Person im Kanton Bern wird informiert, wohin sie sich im Krisenfall begeben soll.

 

Sinnvoll oder nicht?

Ziel sei es, dass ein solcher Bunker innerhalb von fünf Tagen bezogen werden kann. Im Krisenfall würde der Bundesrat die Bevölkerung frühzeitig alarmieren, sodass die nötigen Vorbereitungen, wie genügend Platz schaffen, Betten aufstellen oder Vorräte besorgen, innert nützlicher Frist ausgeführt werden könnten.

Schutzräume seien eine Hinterlassenschaft aus dem Kalten Krieg und folglich ursprünglich dazu gedacht, die Bevölkerung bei kriegerischen Ereignissen zu schützen. Es sei deshalb auch nicht vorgesehen, dass die Räume innerhalb von zwei Minuten einsatzbereit seien, so Eggli. Bei der Frage, wie sinnvoll Schutzräume heutzutage noch sind, gibt sich der Kommandant neutral. «Die Vorschriften für Schutzräume sind in der Zivilschutzverordnung geregelt, wir führen nur aus, was gesetzlich vorgeschrieben ist.» Natürlich könne man sich heutzutage die Frage stellen, wovor solche Räume die Bevölkerung schützen sollen. «Doch niemand weiss, was in Zukunft sein wird.»

 

Vertikale Evakuierung

Die Erinnerungen an die Flächenbombardierungen ab 1940 und den Abwurf der ersten Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki 1945 führten dazu, dass in der Nachkriegszeit Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung getroffen wurden. Der Einbau von Schutzräumen in Neubauten grösserer Ortschaften wurde obligatorisch. Die damals erstellten Schutzräume genügen den heutigen Anforderungen aber nicht mehr, wie einem Bericht der Zeitschrift «Bevölkerungsschutz» des Bundesamts für Bevölkerungsschutz (Babs) aus dem Jahr 2012 zu entnehmen ist.

Während des Kalten Krieges wurde der Bau von Schutzräumen erneut zu einem zentralen Thema. Das Konzept der «vertikalen Evakuierung» – der Schutz unter der Erde vor Feindeinwirkung – verlangte nach einer Infrastruktur. Ab 1963 mussten in Gemeinden mit mehr als 1000 Einwohnenden in Neu-, An- und Umbauten moderne Schutzräume erstellt werden. 1978 wurde der Bau auch für kleine Gemeinden obligatorisch.

Der Fokus änderte sich mit dem Ende des Kalten Krieges sowie natur- und zivilisationsbedingten Katastrophen: Neue Leitbilder richteten sich zunehmend auf die Bewältigung von Katastrophen und Notlagen aus.

Gemäss Angaben des Babs gibt es heute zirka 8,6 Millionen Schutzplätze. In rund 900 Gemeinden besteht jedoch ein Schutzplatzdefizit, insbesondere in grösseren Städten.

Unter dem Eindruck des AKW-Unfalls von Fukushima haben sich die eidgenössischen Räte in der Sommersession 2011 gegen eine Abschaffung der Schutzraumpflicht und für die Werterhaltung der Schutzbauten ausgesprochen. Allerdings gab es einige Anpassungen: So müssen künftig Schutzräume nur noch in grösseren Überbauungen ab 38 Zimmern erstellt werden.

 

Auch für andere Zwecke

Laut Olivier Andres, stellvertretender Vorsteher des kantonalen Amts für Bevölkerungsschutz, dient die Infrastruktur nach wie vor primär dem Schutz der Bevölkerung «bei bewaffneten Konflikten». Insbesondere grössere, öffentliche Schutzräume könnten aber auch für andere Zwecke wie etwa als Notunterkunft verwendet werden, so Andres. Das Massnahmenkonzept sieht ebenfalls vor, dass die Menschen bei einem AKW-Unfall vorübergehend im Bunker Schutz finden können.

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