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Kafipause

Ab jetzt grüsst kein Murmeltier mehr

Im persönlichen Blog berichten Bernhard Rentsch und Parzival Meister, Mitglied der publizistischen Leitung, abwechslungsweise wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen und gesellschaftlichen Leben – immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Ab jetzt grüsst kein Murmeltier mehr.

Bernhard Rentsch
  • Dossier

Flink, schnell und scheu – so haben viele von uns Murmeli in Erinnerung. Mit suchendem Blick auf Alpwiesen unterwegs, erlebt man in der Regel immer wieder das gleiche: Ein Pfiff, ein Rascheln und die Murmeltiere in der näheren Umgebung verschwinden hastig in ihren Erdlöchern. Ein letzter warmer Sommertag in den Berner Alpen zeigte uns am Wochenende für einmal ein anderes Bild: Aus der leise schwebenden Gondel waren Dutzende von Murmeli bei einer ihrer letzten Gelegenheiten zum Sünnelen zu beobachten. Noch selten haben wir in freier Natur in so kurzer Zeit so viele Murmeltiere entdecken können. Die Gondelbahn scheint als bekanntes Störelement akzeptiert, die darin eingesperrten Menschen sind so keine Gefahr. Also kein Grund zum Warnpfiff und zum Verschwinden.

Beim Anblick der selten so lange zu beobachtenden Tiere fällt auf, dass momentan die einleitend erwähnten Adjektive flink und schnell dem Gesehenen nicht gerecht werden. Denn die Murmeli sind Mitte September fett und träge. Kein Wunder, stehen doch die Nager in den Alpen unmittelbar vor dem Winterschlaf. Der Blick in die Fachliteratur bestätigt, dass die Tiere mit dem ersten Schneefall eine Ruhephase starten, die bis zu neun Monaten dauern kann. Der Puls und die Atemzüge werden dabei auf ein Minimum reduziert: Während des Winterschlafs sinkt die Atmung auf etwa zwei Züge pro Minute und der Herzschlag von 200 auf 20 Schläge pro Minute. Spannend ist die Tatsache, dass sich während dieser saisonalen Ruhephase der Magen und der Darm um die Hälfte verkleinern können. Der etwas neidische menschliche Seitenblick von vielen lässt nur eine Interpretation zu: Abnehmen im Schlaf – wer möchte das nicht? Aber eine Abwandlung respektive eine Umsetzung dieser Technik auf menschliche Bedürfnisse scheint es nicht zu geben: Die Internetrecherche unter dem Stichwort «Murmeltierdiät» jedenfalls brachte keine Treffer.

Besser bekannt im Internet ist zum Stichwort Murmeltiere der Filmtitel «Und täglich grüsst das Murmeltier» aus dem Jahr 1993. Das daraus abgeleitete geflügelte Wort beschreibt eine Tätigkeit, die sich ständig und oft wiederholt. «Meine» Murmeli in den Bergen machten mir bei der kürzlichen Begegnung allerdings nicht den Eindruck ständiger Wiederholungen, auch wenn der Hintergrund des Filmtitels natürlich bekannt ist: Die Hauptperson muss immer wieder über den Murmeltiertag berichten. Grüssen tun die kleinen Brauen aber jetzt nicht mehr: Am nachfolgenden Tag wurden die Alpwiesen erstmals eingeschneit. Guten Winterschlaf, liebe Murmeli.

Und doch habe ich noch etwas gelernt: Der erwähnte internationale Murmeltiertag ist am 2. Februar. Ob ich mich daran in gut vier Monaten noch erinnere?

bernhard.rentsch@gassmann.ch

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