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Nidau

«Agglolac hat mich meinen Sitz gekostet»

Die Parteien, die sich vor den Wahlen in Nidau hinter Agglolac gestellt hatten, mussten am Sonntag Verluste einstecken. Als Gewinner gingen diejenigen hervor, die das Projekt bekämpfen – allen voran die Grünen.

Die Wahlen 2017 in Nidau. Bild: Matthias Käser
  • Dossier

von Carmen Stalder


Um als Politiker in Nidau zu punkten, muss man sich gegen Agglolac äussern – so lautete das Erfolgsrezept an den diesjährigen Stadt- und Gemeinderats-Wahlen. Der Zusammenhang zwischen Wahlerfolg und Positionierung beim Grossprojekt ist auffällig.

So haben sich die Grünen stets gegen das vorliegende Projekt geäussert. Sie schreiben etwa auf der Informationsplattform Wahl-o-Mat: «Agglolac hätte Potenzial, aber nur als verkehrsarmes oder verkehrsfreies Quartier, in dem alle Bevölkerungsschichten ihren Platz haben können».

Die wiedergewählte Stadträtin Carine Stucki-Steiner sagt, dass sich ihre Partei sowohl gegen Agglolac als auch den Westast stark gemacht habe. Am «Grünen Stammtisch», den die Partei einmal im Monat auf dem Nidauer Stadtplatz durchgeführt hat, habe man mit der Bevölkerung mehrmals über diese Themen gesprochen. Damit haben die Grünen den Nerv der Zeit getroffen. Das Resultat: Eine Verdopplung der Stadtratssitze von drei auf sechs.


Das heisseste Thema in Nidau

Auch bei der SVP kann ein Grossteil der Mitglieder nichts mit dem Projekt anfangen. Gleich drei von ihnen gehören dem Verein Stopp Agglolac an: Der wiedergewählte Stadtrat Leander Gabathuler als Co-Präsident sowie der neugewählte Stadtrat Markus Baumann und Bruno Wingeyer.

Im Wahl-o-Mat äussert sich die Partei folgendermassen: «Die SVP Nidau lehnt Agglolac in der vorgesehenen Form klar ab. Eine derart monströse Überbauung an unserem Seeufer ist unpassend.» Das Resultat: Ein zusätzlicher Stadtratssitz und Roland Lutz als wiedergewählter Gemeinderat. Für Lutz ist klar: «Agglolac ist derzeit das heisseste Thema in Nidau und die Stimmung klar dagegen.» Der FDP habe es nicht gut getan, sich so klar dahinter zu stellen.

In der SP ist man sich bezüglich Agglolac nicht einig, es gibt sowohl Befürworter als auch Gegner. Zu letzteren gehört Tobias Egger, der wie Leander Gabathuler Co-Präsident von Stop Agglolac ist. Er ist über alle Parteien hinweg mit den meisten Stimmen in den Stadtrat wiedergewählt worden (nur sein Parteikollege Kurt Schwab konnte noch mehr Stimmen verbuchen, dieser zieht aber in den Gemeinderat ein). Das Resultat: Die SP ist in der kommenden Legislatur sowohl im Stadtrat (acht Sitze) als auch im Gemeinderat (drei Sitze) am stärksten vertreten.

«Es hat sich gezeigt, dass die kritischen Politiker am meisten Stimmen erhalten haben», sagt Egger. Als «konstruktiv-kritisch» gegenüber Agglolac bezeichnet sich auch Philippe Messerli (EVP), der neu in den Gemeinderat gewählt worden ist.


Analysieren, was schief ging

Die grösste Befürworterin von Agglolac ist gleichzeitig die grösste Verliererin der Wahlen: die FDP. Deren Aushängeschild, die Stadtpräsidentin Sandra Hess, präsidiert die Projektgesellschaft von Agglolac.

Die wichtigste Wahlkampfveranstaltung der Freisinnigen war ein Informationsanlass zum neuen Quartier am See. Und mehrere Parteimitglieder machten vor den Wahlen deutlich, dass sie ein rasches Vorankommen des Projektes begrüssen würden.

Das Resultat:Drei Stadtratssitze und ein Gemeinderatssitz weniger. Die Haltung zu Agglolac habe sicher zum Misserfolg beigetragen, sagt Parteipräsident Rolf Lehmann. «Ausschlaggebend waren aber auch die Listenverbindungen, darunter etwa, dass wir nicht mehr mit dem PRR zusammengearbeitet haben.» Er will nun gemeinsam mit seinen Parteikollegen analysieren, was genau schief gelaufen ist.

Monique Schlegel, Parteipräsidentin der BDP, glaubt nicht, dass nur Agglolac am Sitzverlust der FDP Schuld ist. Schliesslich habe die BDP – ebenfalls eine Befürworterin des Projekts – einen Sitz halten können. Dass man den zweiten verloren habe, liege daran, dass der bisherige Bernhard Aellig nicht mehr zur Wiederwahl angetreten sei. Das Problem der FDP verortet sie anderswo:«Sie haben in letzter Zeit zu viel auf die Finanzen geschaut und dabei das Soziale vernachlässigt.»

Ein weiterer Verlierer der Wahlen ist PRR-Präsident Jean-Pierre Dutoit. Als einziger Stadtrat wurde er nicht wiedergewählt. Für ihn ist klar:«Dass ich Agglolac befürworte, hat mich meinen Sitz gekostet.»

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Zugänge und Abgänge im Stadtrat

Neu im Stadtrat
Noemi Kallen (SP), Nils Kallen (SP), Kathleen Lützelschwab Rickenbacher (SP), Markus Baumann (SVP), Michael Rubin (Grüne), Carmen Lucchini-Gutiérrez (Grüne), Soumaya Romdhani (Grüne), Michael Döhrbeck (Grüne), Pauline Pauli (PRR), Joel Hauser (EVP)

Von der Ersatzliste nachgerückt:
Nils Kallen (SP, neu), Kathleen Lützelschwab Rickenbacher (SP, neu), Joel Hauser (EVP, neu)

Nicht mehr kandidiert:
Bernhard Aellig (BDP), Marlis Gutermuth (Grüne), Ursula Hafner-Fürst (FDP), Marianne Hafner-Bürgi (FDP), Ralph Müller (FDP), Peter Rolli (SP)

Abgewählt:
Jean-Pierre Dutoit (PRR)

Stichwörter: Wahlen Nidau

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