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Biel/Nidau

Agglolac: Städte verordnen sich selber eine Denkpause

Nach der Klatsche in den Stadtparlamenten nehmen sich die Gemeinderäte von Biel und Nidau ein Jahr Zeit, um die Agglolac-Wunden zu lecken. Danach soll eine neue Vision erarbeitet werden.

Symbolbild: bt/a
  • Dossier

Lino Schaeren

Es war ein schwerer Schlag für die Gemeinderäte von Biel und Nidau, als im März die Parlamente beider Städte das Grossprojekt Agglolac versenkt haben. Ein Jahrzehnt Planungsarbeit, eine Überbauung mit rund 800 Wohnungen, eine Neugestaltung der Uferzone in Nidau, ein Investitionsvolumen von annähernd einer halben Milliarde Franken aus privater Hand: alles futsch.

Das vorgezeichnete neue Seequartier schien zehn Jahre nach der Lancierung wie aus der Zeit gefallen: Es wurde als überdimensioniert empfunden, zu hohe Häuser, zu kleine Freizonen an sensibler Lage am Wasser. Man habe, so der Vorwurf der Agglolac-Gegner, an der Bevölkerung vorbeigeplant. Nach der Ohrfeige für die Projektverantwortlichen in den Parlamenten ist deshalb klar: Das ehemalige Expogelände liegt viele weitere Jahre brach. Die Vision Agglolac, sie ist tot – nicht aber der Wille der Involvierten, am Nidauer Seeufer allenfalls Neues zu planen. Die Frage ist nur, wie. Gestern haben Biel und Nidau bekannt gegeben, was die nächsten Schritte sein sollen.

Wobei: Wirklich vorwärts wird es unmittelbar nicht gehen. Denn die beiden Gemeinderäte haben sich bis im Sommer 2022 erst einmal selber eine Denkpause verordnet. Sie wollen darüber brüten, unter welchen Rahmenbedingungen ein neues Projekt überhaupt entwickelt werden könnte. Schliesslich waren die Gründe, die zum Scheitern von Agglolac bereits im Parlament geführt haben, in Biel und Nidau nicht deckungsgleich. So war im Bieler Stadtrat die Beteiligung der Privatinvestorin Mobimo für einen wesentlichen Teil der Parlamentsmitglieder ein Ausschlusskriterium. «Wir müssen jetzt eine Art politische Machbarkeitsstudie durchführen», sagt Nidaus Stadtpräsidentin Sandra Hess (FDP).

 

Unrealistische Vorstellungen?

Dazu gehört für sie auch die Klärung der Frage, ob Nidau der Stadt Biel ihr Land abkaufen könnte, um die Bebauung des Expoareals alleine in Angriff zu nehmen. Der komplette Perimeter liegt schliesslich auf Nidauer Hoheitsgebiet. Doch ist es realistisch, dass der Bieler Stadtrat einem Landverkauf zustimmen würde und damit sein Mitspracherecht über die Entwicklung des exklusiven Gebiets freiwillig aufgibt? Biels Stadtpräsident Erich Fehr (SP) führt als Gegenvorschlag die Frage einer Gemeindefusion ins Feld – die Chance auf Erfolg sei derzeit in beiden Fällen ungefähr gleich klein, sagt er.

Es sind also die ganz grundlegenden Fragen, mit denen sich die Gemeinden nach Agglolac befassen müssen. «Wir müssen jetzt schauen, wo die gemeinsamen Nenner sind und ob diese genügen, eine neue Planung aufzugleisen», sagt Sandra Hess. Das soll in aller Ruhe geschehen – was auch heisst, dass die Arbeiten nicht vor den Nidauer Wahlen Ende September beginnen werden. Vor allem aber haben Nidau und Biel klargemacht, dass es jetzt alleine an den Städten ist, eine allfällige neue Vision zu entwickeln. Das heisst: Die in Bieler Politkreisen unbeliebte private Investorin Mobimo bleibt erst einmal aussen vor.

Was allerdings nicht heisst, dass sich Mobimo von der Parzelle am Seeufer abwenden würde. Im Gegenteil. Die Investorin hat kaum ein Interesse, sich aus Nidau zu verabschieden, nachdem sie bereits Millionen in die Planung investiert hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Projektentwicklerin ein Scheitern im ersten Anlauf als Möglichkeit miteinkalkuliert hat; auch wenn man bei Mobimo über die Ablehnung der jahrelangen Planung selbstredend alles andere als glücklich ist. Hat sich die Enttäuschung erst einmal verzogen, findet sich Mobimo aber in einer eigentlich komfortablen Beobachtungslage wieder.

 

Finanzdruck liegt bei Städten

Die Verträge mit den Städten sichern der Immobiliengesellschaft nämlich einen zweiten Versuch zu. Wollen die Städte das nicht, müssen sie Mobimo die horrenden Planungskosten zurückerstatten. In Nidau wäre dafür eigens eine Volksabstimmung notwendig. Die Investorin wird also erst einmal abwarten, was für ein Nachfolgeprojekt den Städten vorschwebt und dann entscheiden, wie sie weiter vorgehen will. «Es ist jetzt an den Gemeinden, eine neue politische Vision zu entwickeln. Dazu können wir keinen Beitrag leisten. Wir werden uns gerne wieder einschalten, wenn die Ausgangslage klar ist», sagt Mobimo-CEO Daniel Ducrey.

Bis dahin werden mehrere Jahre vergehen. Gelingt es Biel und Nidau, sich auf Rahmenbedingungen für eine neue Planung zu einigen, soll nämlich ein partizipativer Planungsprozess angestossen werden. «Die Partizipation soll breit geführt werden, darin sind wir uns einig», sagt Erich Fehr. Auch Sandra Hess bekräftigt die Wichtigkeit, nebst der Politik auch die Bevölkerung und die Direktbetroffenen vor Ort in der neuen Planung mitzunehmen.

Erst danach soll Mobimo wieder mitreden. «Als seriöser Entwickler wissen wir, dass politische Prozesse mitunter langatmig und unwegsam sein können», sagt Daniel Ducrey. Damit hat er nicht unrecht: Mit dem Entscheid, bis im Sommer nur über Rahmenbedingungen zu verhandeln, haben die politischen Entscheidungsträger in den Stadtregierungen von Nidau und Biel erst einmal ein Jahr inhaltliche Sendepause in Sachen Agglolac verkündet.

Stichwörter: AGGLOlac, Biel, Nidau, Projekt, Bauen, Pause

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