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Alice Weidel hat genug von Biel

Fraktionschefin Alice Weidel zieht mit ihrer Familie nach Berlin. Bei den Einwohnern von Biel hatte die Familie schon länger einen schweren Stand.

Neu in Berlin und nicht mehr in Biel: AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Bild: Keystone

Charlotte Theile

Als im April 2017 bekannt wurde, dass Alice Weidel (39), damals Spitzenkandidatin der rechtspopulistischen deutschen Partei AfD, mit einer Schweizer Filmproduzentin in der Schweiz zwei Kinder aufzieht, war das eine grosse Überraschung. Man ging schliesslich davon aus, dass jemand, der so dezidiert deutsche Politik verfolgt wie Weidel, ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland hat. Auch was darüber hinaus bekannt wurde, passte nicht so recht zusammen.

Das Regenbogenpaar hatte sich das zweisprachige, multikulturelle Biel als Wohnsitz ausgesucht und ging in der linken Kulturszene Biels ein und aus. Dort fragten sich nun Künstler und Intellektuelle, wie sie die nette Alice von nebenan mit der rechten Scharfmacherin aus den Nachrichten zusammenbringen sollen. Wenn man sich dagegen in Biel umschaut, ergibt die Entscheidung plötzlich Sinn. Dass Weidel sich Biel als Wohnort ausgesucht hat, erstaunt wenig. Ihre Frau und ihre Kinder sind dunkelhäutig, in Biel fallen sie überhaupt nicht auf. Im Gegenteil.


Schon länger einen schweren Stand
Bei den Einwohnern von Biel dagegen hat die Familie schon länger einen schweren Stand. «Seit ich weiss, wo Alice politisch steht, würde ich sie nicht mehr einladen», sagt ein Nachbar. Früher habe er das lesbische Paar dagegen «total cool» gefunden. Er berichtet von der modern eingerichteten Wohnung – dann sagt er: «Aber vielleicht ist es nicht schlecht, dass sie jetzt wegziehen.» Vor kurzem hätten Interessenten die Eigentumswohnung angeschaut, die Familie wolle die Stadt verlassen.

Alice Weidel zieht mit der Familie nach Berlin. Was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, ist auf den zweiten Blick eine Kapitulation. Schliesslich hatte Weidel stets betont, dass sie sich in der Schweiz wohl fühle, dass der Rückzugsort in einer Stadt, in der sie selten erkannt werde, für sie und ihre Familie wichtig sei. Nun, da Weidel – ausgerechnet wegen einer Spende aus der Schweiz – unter Druck ist, wäre ein solcher Ort ideal.
Neben der Verbundenheit zur Schweiz – 2017 sagte Weidel, sie wolle die AfD zu einer deutschen Version der SVP machen – deutet auch die Eigentumswohnung darauf hin, dass die Familie andere Pläne hatte, sich die Schweiz bewahren wollte.

Doch das Leben in Biel war für Weidel zuletzt nicht einfach. In der politisch eher linken Kulturszene, in der sich das Paar seit Jahren bewegt hatte, stiess sie auf immer grössere Ablehnung. Im vergangenen Sommer wurde der AfD-Politikerin bei einem Fest am See mitgeteilt, dass der Anlass, auf dem sie ihr Bier trinke, mit ihren politischen Überzeugungen nicht zusammengehe. Sie soll das Fest daraufhin sofort verlassen haben. Alice Weidel wollte weder diese Episode noch die möglichen Umzugspläne ihrer Familie kommentieren.


«Nicht mehr unser Problem»
Nun, da in Biel die Nachricht durchsickert, sind viele erleichtert. «Sie passt einfach nicht in eine Stadt, in der 130 Sprachen gesprochen werden und Menschen aus allen Ländern zusammenkommen», sagt ein Kulturmanager. Dass das lesbische Paar auch eine andere Seite hatte, Kontakt mit syrischen Flüchtlingen pflegte, ihre Kinder in die städtische Kita brachte und an einer guten Nachbarschaft interessiert war, ist für viele Grund zum Kopfschütteln.

«Das geht hier niemandem in den Kopf, wie sie mit diesen Widersprüchen lebt», heisst es immer wieder. Schliesslich macht die AfD nicht nur gegen Ausländer Stimmung, sondern auch gegen Homosexuelle und Kinderkrippen. In Biel hat man sich damit abgefunden, das «Rätsel Alice Weidel» nicht lösen zu können. «Manchmal habe ich das Gefühl, die wissen selbst nicht, wer sie sind», sagt ein Kulturschaffender. Dann zuckt er mit den Schultern. «Das ist nicht mehr unser Problem.»

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