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Altersheime leben den Corona-Alltag

Noch immer bestimmen Schutzkonzepte, Impfungen und Masken den Alltag in den Bieler Seniorenzentren. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben deshalb aber ihre Gelassenheit nicht verloren.

Copyright: Yann Staffelbach / Bieler Tagblatt

Roman Bertschi

In den Alters- und Pflegeheimen haben sich Pflegende, Besucherinnen und Bewohner an die neue Realität gewöhnt und gelernt, trotz dieser den Alltag zu meistern. Aktuell geht es an die Umsetzung der Zertifikatspflicht in den betriebseigenen Restaurants. Zwar müssen die Bewohner und Bewohnerinnen bei einem gemeinsamen Besuch des Restaurants mit Verwandten und Bekannten kein Zertifikat vorweisen, wenn das Restaurant nicht öffentlich zugänglich ist. Steht das Restaurant hingegen auch externen Gästen offen, besteht eine Zertifikatspflicht, sagt Sevan Nalbandian, Geschäftsführer von Curaviva Bern. Und Thomas Briggen, der Heimleiter des Ruferheims ergänzt: «Die Leute wollen informiert sein und die entsprechenden Massnahmen müssen umgesetzt werden».

Auch ohne Zertifikatspflicht ist die Durchimpfungsrate bei den Bewohnern sowie den Pflegenden hoch: So weisen die vier Bieler Alterszentren, Ried, Esplanade, Cristal und Redern bei den Bewohnerinnen eine Quote von 95, bei den Pflegenden eine von 70 bis 80 Prozent auf, sagt deren Leiter Daniel Stäheli. Eine ähnlich hohe Impfrate bestätigt auch die Geschäftsleiterin der Stiftung Dessaules, Corinne Liechti. Damit das Personal eine möglichst gute Entscheidungsgrundlage für oder gegen die Impfung erhält, stellt Liechti Informationen bereit: «Ich habe meinem Personal von Anfang an empfohlen, sich über das Pro und Contra zur Impfung zu informieren und sich aufgrund der so gewonnen Informationen zu entscheiden», sagt sie.

Bei der Durchimpfungsrate befinde sich die Stiftung auf einem guten Weg, doch Liechti ist skeptisch, ob es bei nur zwei Impfungen bleiben wird. «Ich mache mir bereits Gedanken über Folgeimpfungen», so die Geschäftsleiterin.

Auch bei den Lernenden ist die Impfbereitschaft hoch: Im Ruferheim stehen die angehenden Fachleute der Impfung positiv gegenüber oder sind bereits geimpft, wie der dortige Heimleiter Briggen sagt.

Und auch Nalbandian ist froh um die seit Frühling bestehende Impfmöglichkeit. «Die Hygiene- und Verhaltensregeln gelten zwar weiterhin, aber die Impfung hat eine gewisse Entspannung gebracht», sagt er. Mit der hohen Durchimpfung in den Institutionen gebe es vergleichsweise wenig Erkrankungen und schwere Verläufe.

 

Bessere Stimmung

Die Stimmung in den städtischen Altersheimen beschreibt Stäheli als durchmischt. Zwar sei es nicht zu Kündigungen gekommen, doch man spüre die Müdigkeit des Personals, sagt er. Zudem fehlten grössere Anlässe für das Personal oder Heimfeste, sagt Stäheli. Immerhin können die Alters- und Pflegeheime selbstständig darüber entscheiden, ob sie Anlässe durchführen wollen oder nicht, weiss Nalbandian. «Im konkreten Fall geht es jeweils um die Vereinbarkeit mit dem Schutzkonzept», so Nalbandian. Die Räume müssen genug gross sein, die Hygiene- und Verhaltensregeln müssen eingehalten werden, sagt er.

Liechti ergänzt, dass sie die Bewohnerinnen und Besucher wann immer es geht zusammenbringen will. Im Januar eröffnete in der Stiftung Dessaules eine Kindertagesstätte, diese sollte Begegnungen zwischen den Generationen ermöglichen. Doch weil die Ansteckungsgefahr für alle zu gross gewesen wäre, wurden gemeinsame Aktivitäten zurückgestellt. Bereits seit dem ersten Lockdown sind in der Stiftung wieder Anlässe für die Bewohner und Bewohnerinnen möglich. So kommen Musiker, Maler oder auch Yogalehrerinnen in die Altersheime und beleben den manchmal tristen Alltag im Pflegeheim.

 

Zusätzliche Kosten

Maskenpflicht, Desinfektionsmittel-Einkauf, Informationsbeschaffung, Unterbelegung und sonstige Schutzkonzepte: Seit der Coronakrise ergeben sich für Alters- und Pflegeheime neue Ausgaben und Mindereinnahmen. Im Vergleich zum Anfang der Pandemie sind diese jedoch wieder im Rahmen, beispielsweise sind Masken nun billiger, sagt Briggen. Zudem sei der Informationsaufwand gesunken, ergänzt Liechti. Auch die Belegung hat sich seit dem Lockdown wieder erholt, schweizweit ermittelte Curaviva für das Jahr 2020 eine Unterbelegung von fünf Prozent. Die Angaben decken sich mit denjenigen aus der Branche. So hat sich beispielsweise in der Stiftung Dessaules die Unterbelegung nach dem Lockdown im Jahr 2020 wieder erholt, so Liechti.

 

Laufende Diskussion

Wer diese Kosten trägt, ist Teil der laufenden politischen Diskussion. Die Verbände Curaviva und Senesuisse verhandeln momentan mit dem Kanton über eine Kostenbeteiligung. Laut Christian Streit, Geschäftsführer von senesuisse, dem Verband wirtschaftlich unabhängiger Alters- und Pflegeeinrichtungen Schweiz, will Bern nur denjenigen Betrieben die Kosten für Schutzmassnahmen entschädigen, welche «existenzbedroht» sind. Dies widerspreche dem Krankenversicherungsgesetz und einem Urteil des Bundesgerichts. Im KVG wird unter anderem die Pflicht der Kantone zur Restfinanzierung der Pflegekosten statuiert.

Im erwähnten Entscheid stellte das Bundesgericht fest, dass Kantone auch Kosten tragen müssen, welche über der von ihnen selbst festgelegten Höchstgrenze bei der Finanzierung von Betrieben liegen. Eine Ausnahme besteht, wenn den Betrieben eine Unwirtschaftlichkeit nachgewiesen werden kann.

Momentan wird die Wirtschaftlichkeit über den Gewinn gemessen. Dazu meint Streit: «Es kann nicht sein, dass Betriebe, welche nicht den vollen Gewinn ausschütten, sondern diesen ins Eigenkapital oder Reserven überführen, dafür bestraft werden».

 

Krisenerprobte Senioren

In der ganzen Diskussion vergessen gehen die Bewohner und Bewohnerinnen. «Sie gehen mit der Situation erstaunlich gelassen um», sagt Briggen. Diesen Eindruck bestätigen auch Theres Zesiger und Getrud von Escher, Bewohnerinnen des Alterszentrums Redern. Für Zesiger ist es zwar wegen der komplizierten Massnahmen nicht mehr so gemütlich im Heim, doch insgesamt sei alles in Ordnung. «Ich bin weder hässig noch habe ich Angst», sagt sie. Doch auch sie hofft, dass sich die Situation nicht wieder verschlimmert.

Escher ist froh, dass sie bis heute um eine Infektion herumgekommen ist. Sie akzeptierte die Massnahmen von Anfang an. Dennoch freut sie sich, wenn diese eines Tages nicht mehr nötig sein werden. Die Gelassenheit der beiden Seniorinnen erklärt sich unter anderem auch aus deren Lebenserfahrung: Beide haben den Zweiten Weltkrieg miterlebt und lassen sich deshalb auch vom nicht vom momentan grassierenden Virus aus der Ruhe bringen.

Stichwörter: Altersheime, Corona, Alltag, Biel, Region

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