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Am liebsten mit Früchtebrot

Die aufmerksame Schuhverkäuferin fragt: «Kann ich Ihnen helfen?» Eigentlich nicht. Lieber nicht. Denn ich ahne, wie das enden wird. All die schönen Winterschuhe im Schaufenster gibt es in meiner Grösse bereits im November nicht mehr zu kaufen.

Niklaus Baschung

Nach einem Blick über die Auslage im Geschäftsinneren war dies schon klar. Aber die Verkäuferin schlägt vor, im Lager nachzusehen, ob sie doch noch passende Schuhe findet. Wie kann ich dieses nette Angebot ausschlagen? Tatsächlich bringt sie zwei Schuhpaare in der richtigen Grösse mit, bindet sie mir perfekt an die Füsse, lässt mich Gehschritte machen im ansteigenden Gang, auf und ab, prüft den Abstand zwischen Zehen- und Schuhspitze. Eine wirklich kundige und freundliche Fachfrau. «Drückt etwas?» Nein, da drückt absolut nichts. Ausser dem schlechten Gewissen.

Denn statt der gesuchten warm gefütterten Winterschuhe hat sie zwei Paar Wanderschuhe zur Anprobe mitgebracht. Davon besitze ich bereits zwei. Gut, ein drittes Paar kann nie schaden. Ein Paar für die Alpen, ein Paar für den Jura und eines fürs Mittelland. Oder für den Notvorrat. Beim Wandern verliere ich doch regelmässig immer etwas – weshalb also nicht mal meine 
Wanderschuhe? Dauernd komme ich in solch ungemütliche Einkaufs-Situationen. Ich kann doch diese Frau jetzt nicht enttäuschen. Weshalb trage ich überhaupt Schuhe?

Manchmal möchte ich ein ganz anderer sein. Ich will auch einmal während der Essensbestellung im Restaurant ein paar Mal die eigene Meinung ändern können, mir ausführlich die vegetarischen Menus erläutern lassen, um schliesslich zu erklären, dass ich eigentlich nie fleischlos esse. Oder als Übung 
den servierten Beutel-Schwarztee 
zurückweisen, mit der Belehrung, ich tränke nur handgepflückten Bio-Tee aus dem indischen Hochland, in einem Tal an der Grenze zu Nepal, alles andere sei kulturlos.

Bis dahin ist noch ein weiter Weg. So backen sie in einer Bieler Bäckerei ein vorzügliches Früchtebrot. Meist komme ich allerdings zu spät, wenn mir spontan einfällt, im Laden vorbeizuschauen. Das Früchtebrot ist regelmässig ausverkauft. Dann kaufe ich stattdessen das 
Vierkornbrot. Oder einen anderen 
Ladenhüter. Vierkornbrot habe ich gar nicht gerne, ist mir zu viel Korn drin. Oder zu viel Brot. Aber die Backwaren-Verkäuferin kann ja auch nichts dafür. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder nur noch das kaufen würde, was er will? Die 
kleinen Fachgeschäfte möchte ich doch auch unterstützen. Am liebsten mit dem Kauf von Früchtebrot. Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal eines gegessen habe.

Wie es mit den Winterschuhen weitergegangen ist, will ich hier nicht preisgeben. Nur dies: Sie ist wirklich eine ausgesprochen hilfsbereite Schuhverkäuferin. Und so tüchtig.

Info: Niklaus Baschung ist Journalist, Kommunikationsfachmann und 
Hundehalter.


kontext@bielertagblatt.ch

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