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Kanton Jura

Am Ufer eines Sees erklingt
ein Alphorn – dann folgt die Busse

Jonas Scheidegger hat am Étang de la Gruère, einem Moorsee im Berner Jura, Alphorn gespielt. Nun hat er eine Busse erhalten. Der junge Bieler Musiker will diese anfechten.

Copyright: Matthias Käser / Bieler Tagblatt

Alexandre Wälti/pl

Der 22-Jährige Jonas Scheidegger ist aktives Mitglied bei der Bläsergruppe Aarelouf in Port. Zudem tritt er an Festen und Hochzeiten auf. Zum Alphorn ist er dank seiner Nachbarin gekommen. «Dank ihr spiele ich heute Alphorn. Sie hat mir mein erstes Instrument verkauft und mir Unterricht gegeben», so Scheidegger.

Scheidegger fiel aus allen Wolken, als er Post von der Staatsanwaltschaft des Kantons Jura erhielt, wie die Zeitung «Blick» berichtete. Die «Tat» ereignete sich im März am Ufer des berühmten Moorsees Étang de la Gruère bei Saignelégier. Dort stimmte er «Smoke on the Water» von Deep Purple an, und seine Freundin filmte ihn dabei. Unvermittelt trat der Wildhüter vor die beiden. Er erklärte Scheidegger «in freundlichem Ton», dass Musizieren im Naturschutzgebiet nicht gestattet sei. Ohne zu murren packte der Bieler sein Instrument ein.

 

Was das kostet

Dass ihm deshalb eine Busse ins Haus flattern würde, erstaunt den Musiker: «Ich glaubte, der Fall sei mit der mündlichen Belehrung durch den Wildhüter erledigt.» Die Geldstrafe beträgt 100 Franken plus 71 Franken Verwaltungsgebühren. Dass ihm die Übertretung per Strafbefehl eröffnet wurde, wird mit Artikel 3, Buchstabe i des Erlasses zum Schutz des Etang de la Gruère begründet. Darin werden alle Ruhestörungen im Gebiet geahndet. Radioempfänger und Musikanlagen sind ausdrücklich verboten (siehe Zweittext).

Jonas Scheidegger hat seine musikalische Grundausbildung im Jugendensemble der Bieler Stadtmusik auf dem Waldhorn erhalten. Mit fünf Jahren hörte er auf einer Bergwanderung zum ersten Mal den Klang des Alphorns: «Ich war überwältigt von der Kraft und dem Echo. Seither träumte ich davon, das Instrument zu spielen. Heute mache ich daraus meinen Beruf».

Die sorgfältig gerichtete Berner Tracht ist Scheideggers Markenzeichen. Schliesslich war seine Grossmutter Mitglied der Trachtengruppe Choufailles in Täuffelen. «Ich beobachte fasziniert, wie sie die historischen Kleider nähte und mit Stickereien schmückte», erinnert er sich. Der 22-Jährige schätzt die Schweizer Tradition, aber er blickt vor allem auf den Nachwuchs, wenn er hofft: «Alphorngruppen sollten ihr Repertoire mit zeitgemässen Melodien weiterentwickeln, damit mehr Jugendliche zum Instrument finden.» Immerhin: Die Bieler Musikschule bietet seit Kurzem Alphornkurse für Kinder ab sieben Jahren an.

Jonas Scheidegger möchte viele Menschen für seine Passion begeistern. Er zieht aus seinem Pullover zwei Mundstücke hervor: eines aus Holz, das andere aus Karbonfiber.

Das Alphorn aus dem leichten Kunststoff sei «genial», denn er könne es überallhin mitnehmen – in die Gassen von Bern oder auf eine Wanderung. Das Karboninstrument lässt sich in unterschiedlichen Längen aufbauen. Dadurch kann der Musiker verschiedene Tonlagen wählen.

 

Was Scheidegger fordert

Dass er für seine Kunst bestraft wird, will Scheidegger nicht auf sich beruhen lassen: «Ich werde Einsprache gegen die Busse erheben.» Er erwartet von den Behörden zumindest ein klares Piktogramm am Eingang des Schutzgebietes, wonach das Musizieren am Moorsee verboten sei. «Zudem müssen Musikinstrumente im kantonalen Erlass explizit aufgeführt werden», fordert der Bieler.

 

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Unklare Verordnung?

Die Piktogramme auf Hinweisschildern in Schweizer Schutzgebieten werden durch die Bestimmungen des Bundes begrenzt. Das bestätigt Louis Roulet, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Naturschutzzonen im Kanton Jura zuständig ist: «Es gibt kein amtliches Piktogramm, das ein Verbot des Musizierens mit Instrumenten symbolisiert.»

Dennoch könne Scheideggers Spiel eine Ruhestörung der Tierwelt am Étang de la Gruère sein, glaubt Roulet: «Dem Begriff ‹Musikanlagen› lassen sich durchaus auch Instrumente zuordnen. In einer zukünftigen Fassung des Erlasses, die derzeit in Beratung steht, könnte das Verbot von Musikinstrumenten ausdrücklich formuliert werden», so der Verantwortliche.

Der Vertreter der jurassischen Verwaltung stellt klar, dass es «keinerlei Bestrebungen gibt, das Alphorn getrennt von anderen Musikinstrumenten ins Visier zu nehmen». Die Informationstafeln am Eingang zum Moorsee bei Saignelégier würden in den kommenden Jahren wohl alle erneuert und gleichzeitig auch angepasst werden. AWA/pl

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