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Kommentar

Anerkennung und Chance

Kommentar von Tobias Graden zum Verkauf der Bieler Privatklinik Linde.

Tobias GradenRedaktor

108,5 Millionen Franken. So hoch ist die Bieler Klinik Linde von den beiden Gruppen bewertet worden, die das Spital gerne gekauft hätten und von denen nun nach dem Ende des Bieterkampfs klar ist, wer es erhält. Noch nie ist in der Schweiz bei einer Übernahme im Gesundheitswesen ein höherer Preis für ein Spital bezahlt worden, er beträgt das 80-fache des Jahresgewinns. Die Zahl scheint umso erstaunlicher, wenn man sieht, welchen Gewinnanteil die Linde gemessen an den letzten Zahlen innerhalb der nun siegreichen Hirslanden-Gruppe einnimmt: Zum Gesamtgewinn der Gruppe (inkl. Linde) von etwa 150 Millionen Franken trägt die Bieler Klinik knapp einen Hundertstel bei.

Der Preis für die Linde und die Heftigkeit des Bieterkampfes um sie könnte also leicht als irrational betrachtet oder zumindest mit der Dynamik des Steigerungsprozesses erklärt werden. Es darf allerdings getrost davon ausgegangen werden, dass alle Beteiligten sehr wohl rational gehandelt haben. So drückt das nun feststehende Resultat zwei Befunde aus.

Erstens ist es eine Anerkennung für das, was in der Klinik Linde in den letzten Jahren von allen Beteiligten geleistet wurde. Die Linde ist aus gutem Grund gemeinhin als «Perle in der 
Spitallandschaft» bezeichnet worden. Zweitens drückt es den Glauben an die Zukunft aus, an die Chancen, welche beide Interessenten mit der Linde in Biel packen wollen. Dass sich die Belegärzte offenbar klar hinter eines der beiden vorgeschlagenen Modelle gestellt haben, dürfte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass das gewählte Modell auch zum Erfolg führt.

Und schliesslich darf man dies auch in einen grösseren Zusammenhang stellen: Biel ist als Standort im Gesundheitswesen gestärkt worden. Aber nicht nur das: Biel entwickelt sich weiter.

E-Mail: tgraden@bielertagblatt.ch

Kommentare

JEANPAUL

Danke, Herr Graden, für die erhellenden Zeilen. Was nach meinem Dafürhalten fehlt, ist ein Hinweis darauf, in was für einem ökonomischen Umfeld dieser Deal zustandegekommen ist. Glauben Sie mir, ich mag jedem Anteilseigner noch den letzten Rappen gönnen, den das gegenseitige Hochschaukeln wundersamerweise generiert hat, aber was da geschieht, dürfte einem ökonomischen Unsinn nahekommen und ist Ausdruck einer Welt, in der viel zu viel Geld im Umlauf ist, das sich nicht sinnvoll, das heisst gewinnbringend investieren lässt. Dazu kommt, dass im grossen, weiten Gesundheitspseudomarkt restlos alle mit Sorgenfalten im Gesicht vom Sparen reden, nur um sich ungenierter an all den Honigtöpfen zu bedienen, die wir ihnen als Gesundheitskonsumenten willfärig hinhalten. Wir sind als ganze Gesellschaft gerade daran, nach der heiligen Kuh der Nahrungsmittelproduktion und dem heiligen Ochsen der öffentlichen und privaten Mobilität zum verschleiernden Spottpreis jetzt auch noch die Gesundheit als ein weiteres scheinbar unantastbares Gut zum Popanz aufzubauen, dessen wahre Kosten wir hinter einer ausgeklügelten Subventionsmaschinerie verbergen. Wir leben länger als früher. Leben wir gesünder? Vielleicht. Glücklicher? Wohl kaum, denn dazu müssten wir den Götzen Gesundheit entlarven und unsere überdrehten Erwartungen an ihn relativieren.


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