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„Krawattenzwang“

Angriffsfläche für Dauernörgler

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, publizistischer Leiter der Gesamtredaktion und Chefredaktor „Bieler Tagblatt“ wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Angriffsfläche für Dauernörgler.

Krawattenzwang: Bernhard Rentsch
  • Dossier

Dauernörgler aufgepasst: Ich biete Ihnen eine (willkommene) neue Angriffsfläche für Kritik. Denn wenn man das halbvolle Glas als ein halbleeres bezeichnet, findet man immer einen Grund zum Motzen. Dabei betrachte man, was wir vor der Haustüre finden – und schätze sich glücklich. Wohlverstanden: berechtigte Kritik ist immer und jederzeit nötig und angebracht. Aber bitte mit Argumenten ergänzt.

Am Wochenende sorgte ein Beitrag auf dem Newsportal „Watson“ für viele Reaktionen in den sozialen Medien. Unter dem Titel „25 Bilder, die beweisen, wie hässlich Biel ist“ präsentierte Autor Jodok Meier schliesslich eine eigentliche Hommage an die Seelandmetropole. Jeder Negativansatz wurde mit einer positiven Feststellung entkräftet. Wer meinte, dass aus dem Zürich-nahen Aargau ein (weiterer) Verriss kommt, sah sich einzig beim bewusst provozierenden Titel bestätigt. Das von Biel gezeichnete Bild entpuppte sich dann als sehr positiv. „Viel begriffen – merci“, kommentiere ich dazu. Und nehme die negativen Kommentare der Frustrierten mit einem Schmunzeln zur Kenntnis.

Mit wie wenig man trotzdem positiv und lebensfroh sein kann, erlebte ich auf einer Ferienreise in Kuba aufs Deutlichste. In ländlichen Gebieten fasziniert uns verwöhnte Schweizer schon nur das pulsierende Leben auf den Strassen: Alle sind draussen, alle sind unterwegs. Und zwar irgendwie. Das Pferd oder der Maulesel kreuzen mit Menschen zu Fuss oder auf uralten Velos oder mit motorisierten Fahrzeugen jeder Art und jeden Jahrgangs. Was da noch alles läuft. Die Bilder von restaurierten Autos aus den Fünfzigerjahren gehören jedenfalls nicht in die Welt der Postkarten. Sie sind Realität. Trotz Mangel an allem überwiegt Fröhlichkeit und kreativer Optimismus. „Aufgeben verboten – aus allem das Beste machen“ – ein Motto, das fasziniert.

Diesem Grundsatz lebte auch Ueli Steck nach. Leider hatte ich nie Gelegenheit, den am Sonntag tödlich verunglückten Spitzenkletterer persönlich kennen zu lernen. Vor der Einstellung und vor den Leistungen dieses Kämpfertypen ziehe ich aber den Hut. Menschen wie Ueli Steck zeigen, wie man Grenzen überwindet und neue Horizonte erreicht. Daran wollen wir festhalten – es muss ja nicht gleich auf über 8000 Metern sein.

Auch hier finden die Nörgler das Haar in der Suppe. Sei’s drum.


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

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