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Nidau

Anwohner kämpfen gegen Abholzung

Bei Unterhaltsarbeiten entlang des Nidau-Büren-Kanals sind zahlreiche Bäume gefällt worden. Eine Gruppe von Anrainern spricht von einer regelrechten Rodung vor ihrer Haustür – und fordert eine Rückbesinnung auf die Natur.

Auslichtung am Unteren Kanalweg: Spardruck führt zu weniger, aber jeweils grösseren Einsätzen. Bild: zvg/ Jerôme Tschudi

Jasmin Hefti

Wer in den letzten beiden Jahren regelmässig entlang des Nidau-Büren-Kanals spazierte, konnte beobachten: Am Kanalweg wurden zahlreiche Bäume gefällt. Auf der Böschung zeugen Baumstümpfe von den Eingriffen. Das Amt für Wasser und Abfall (AWA), das für den Unterhalt des Ufers zuständig ist, spricht von Lichtungsmassnahmen. Diese stossen nun bei einer Gruppe Anwohner am Unteren Kanalweg auf Widerstand. Sie empfinden den Eingriff als Kahlschlag. «Seit Jahren werden vor allem alte Bäume gefällt», sagt Jérôme Tschudi, der die kleine Interessengruppe koordiniert. «Das kommt einer Rodung gleich, da die Bäume nicht so schnell wieder nachwachsen.»

Das Thema Umweltschutz beschäftigt den Nidauer Chirurgen schon lange. Im letzten Frühling erfüllte er sich einen Traum und nahm an der zweimonatigen Expedition der Esperanza teil, dem Forschungsschiff der Umweltorganisation Greenpeace. Als Schiffsarzt reiste er ans Amazonas-Riff vor der brasilianischen Küste (das BT berichtete). Nun möchte er sich für den Lebensraum direkt vor seiner Haustür einsetzen. Das Fällen von Bäumen entlang des Kanals ist unter den Nachbarn schon seit mehr als zehn Jahren ein Thema. Einzelne Anwohner haben sich bereits beim AWA beschwert, jedoch ohne Erfolg.

Protest geht in die zweite Runde
Das Ehepaar Dominique und Jean-Pierre Lötscher beispielsweise wandte sich 2006 in einem Schreiben an das Amt, nachdem ein Jahr zuvor in Nidau und Port die ersten Bäume gefällt wurden. Die Lötschers waren entsetzt, als sie auf einem Spaziergang den Umfang der Abholzung sahen. «Wir verstehen nicht, wie man die Natur und das Landschaftsbild in diesem Ausmass verletzen kann», schrieben sie damals und baten um eine Begründung der Aktion. Das AWA antwortete mit einem Brief, in dem es mitteilte, dass die Ufervegetation vor dem Holzschlag übermässig dicht gewesen sei. Man habe Hochstämmer mit brüchigen Ästen und Weidebäume mit krankem Strunk entfernt, ausserdem Bäume, die Strassenlampen verdecken oder bei einem Umsturz Bootsanlegestellen gefährden könnten. Die Durchlichtung habe auch das Ziel, jüngeren Bäumen Platz zu machen und Spaziergängern mehr Nähe zum Wasser zu ermöglichen.

Holzarbeiten würden immer subjektiv beurteilt, hiess es in der schriftlichen Antwort des AWA weiter. Die Narben würden anfangs immer gross scheinen. Bald wären die Lücken durch neuen Bewuchs wieder geschlossen. Der damals zuständige Beamte erläuterte den Lötschers die Massnahmen sogar auf einer Führung durch das Gelände. Die Argumentation überzeugt das Ehepaar aber bis heute nicht. «Das ist keine Auslichtung, sondern eine Abholzung», sagt Jean-Pierre Lötscher und deutet auf die Uferböschung vor seinem Haus am Unteren Kanalweg, auf der momentan nur ein paar kahle Sträucher zu sehen sind.

Nun möchten sich die Lötschers mit Tschudi und weiteren Anwohnern zusammentun, um in einem zweiten Anlauf gegen weitere Abholz-Aktionen vorzugehen. «Bäume haben einen Wert», betont Tschudi. Sie würden eine wichtige Rolle spielen, als Lebensraum für Vögel beispielsweise, oder als Schattenspender gegen die Sommerhitze. Er räumt ein, dass es auch ein emotionales Thema ist. Aber er und seine Mitstreiter am Kanalweg haben auch handfeste Argumente: In der Kantonalen Verordnung zur Erhaltung und Aufwertung von Fliessgewässern steht, dass entlang der alten Aare ab Biel der naturnahe Gewässerunterhalt und das Schaffen von naturnahen Uferabschnitten sehr hohe Priorität hat.

Aufforsten statt Abholzen
«Wir wagen zu bezweifeln, dass das Abholzen entlang der Uferböschungen etwas mit naturnahem Unterhalt zu tun hat», hält Tschudi fest. Er ist der Meinung, dass laut der Verordnung nicht nur weniger abgeholzt, sondern sogar wieder aufgeforstet werden müsste. Er geht der Frage nach, ob allenfalls schon Projekte zur Aufwertung der Uferlandschaften in der Region existieren. Dazu sucht er das Gespräch mit allen beteiligten Ämtern, Gemeinden und Umweltorganisationen. Das Ziel seiner Bemühungen ist es, möglichst viele Akteure an einen Tisch zu bringen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die für alle akzeptabel sind. Zentral ist für ihn der Schutz der verbleibenden Bäume.

Beim AWA ist man sich bewusst, dass am Nidau-Büren-Kanal ein Spannungsfeld zwischen verschiedenen Interessen herrscht. «Die Nutzung des Abschnitts ist sehr intensiv», sagt Bernhard Schudel, Abteilungsleiter Gewässerregulierung. Der Uferweg entlang des Kanals ist ein beliebtes Naherholungsgebiet für Familien und Sportler, ausserdem befinden sich dort zahlreiche Bootsanlegestellen. Umstürzende Bäume – zum Beispiel bei einem Sturm – könnten grossen Schaden anrichten und ein Sicherheitsrisiko darstellen. «Wir können nicht einfach alles wachsen lassen», erklärt Schudel. «Sonst würde uns beispielsweise von Bootsbesitzern Fahrlässigkeit vorgeworfen, wenn ein Baum umfällt oder ein grosser Ast abbricht.»

Neben den ökologischen Ansprüchen müsse das AWA auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Die Unterhaltsarbeiten entlang aller Kanäle der zweiten Juragewässerkorrektion – also des Broye-, Zihl- und Nidau-Büren-Kanals sowie des Abschnitts der Aare von Büren nach Solothurn – werden von nur drei Mitarbeitern ausgeführt. Für eine schonendere Pflege wäre mehr Personal nötig, das die Bäume an den Ufern regelmässig kontrolliert und gezielt kranke oder beschädigte Exemplare entfernt. Das sei aber nicht finanzierbar, sagt Schudel. «Das AWA hat bei den Unterhaltsarbeiten am Kanalweg einen engen Handlungsspielraum, macht aber aus den Rahmenbedingungen das Beste», hält er fest. Die drei Verantwortlichen gäben sich Mühe, der Ökologie Rechnung zu tragen, betont er. «Sie freuen sich zum Beispiel über Biberspuren und lassen in einem Gebiet, in dem es keine Bootsanlegestellen gibt, für die Tiere auch mal einen Baum liegen.»

Mehr Gewicht für Umweltschutz
Urs Känzig, Leiter der Abteilung Naturförderung (ANF) beim Amt für Landwirtschaft und Natur (LANAT), bestätigt, dass sich die Mitarbeiter des AWA ihrer Verantwortung für Natur und Landschaft bewusst sind. AWA und ANF tauschen sich über die Eingriffe entlang der Kanäle regelmässig aus. «Es kann aber auch einmal etwas schief laufen», sagt Känzig. «Oder die Verhältnismässigkeit eines Eingriffs wird unterschiedlich beurteilt.» Sparrunden hätten dazu geführt, dass wirtschaftliche Faktoren bei diesen Überlegungen stärker gewichtet werden. Der Kostendruck führe zu weniger, aber dafür grösseren Einsätzen. Auch Haftungsfragen spielen zunehmend eine wichtige Rolle: Bäume mit grosser Krone werden als Risikofaktor eingestuft und präventiv gefällt.

Die Interessengruppe um Jérôme Tschudi am Unteren Kanalweg akzeptiert diese Haltung nicht. Tschudi ist überzeugt, dass diese unweigerlich zu weiteren massiven Eingriffen führen wird. Er ist entschlossen, eine öffentliche Diskussion anzuregen, damit der Umweltschutz bei der Uferpflege wieder stärker gewichtet wird.

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