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Biel

Auch für die Jodler wird es laut

Am 23. September findet auf der Bieler Esplanade eine Grossdemonstration gegen das A5-Westast-Projekt statt. Gleichzeitig feiert der Jodlerklub Bielersee im und vor dem gegenüberliegenden Kongresshaus sein 100-Jahr-Jubiläum. «Ein Riesenproblem», finden die Jodler.

Ein Aufwärmen: Letzte Woche haben die Organisatoren der Demonstration «Biel wird laut» auf dem Zentralplatz die Werbetrommel gerührt. Bild: Stefan Leimer

Lino Schaeren

Am 23. September kommt es in Biel zu einem Grossaufmarsch der Jodler: Der Jodlerklub Bielersee feiert mit der Durchführung des 42. Seeländischen Jodlertreffen im Bieler Kongresshaus auch gleich das 100-jährige Klub-Bestehen. Mit bis zu 1000 Besuchern wird gerechnet. Nun aber sehen die Jodler ihre Feierlichkeiten in Gefahr. Dies, weil gleichentags auf der Bieler Esplanade, gleich gegenüber des Kongresshauses, die Demonstration «Biel wird laut» durchgeführt wird. Die Demonstration, die sich gegen das A5-Westast-Projekt richtet, dürfte noch einmal deutlich stärker mobilisieren als das Jodlerfest.

Raphael Benz, der vom hinter der Veranstaltung stehenden Verein «Biel wird laut» mit der Organisation beauftragt wurde, sagt, man rechne mit 3500 bis 5000 Teilnehmern, die sich ab 15 Uhr auf der Esplanade einfinden werden. Für Andreas Meyer, OK-Präsident des Jodlerfests, ist der laute Nachbar «ein Horror»: Unter dem Kongresshaus-Vordach wollen die Jodler ein «Jodlerdörfli» aufbauen, in dem nicht nur gejodelt, sondern auch sonst musiziert werden soll – notabene ohne Verstärkung. Damit das Seeländische Jodlertreffen wie geplant auch unter dem Vordach stattfinden kann, verlangt Meyer eine Verlegung der Demonstration, «denn durch die Demonstration werden nicht nur unsere Darbietungen im Freien überdeckt, wir befürchten auch eine Störung der Jodler-Vorträge im grossen Saal».

 

Das Unwissen der Behörde
Mit seiner Forderung allerdings dürfte Meyer keinen Erfolg haben. Die mündliche Bewilligung für «Biel wird laut» hat Polizeiinspektor René Geiser bereits im Juni erteilt, die Demonstrationsorganisatoren haben in der Folge tausende von Flyern verteilt. Zwar wurde diese Woche in Absprache mit den Verkehrsbetrieben Biel (VB) und der Aare Seeland Mobil (ASM) die Demonstrationsroute vom Robert-Walser-Platz auf die Esplanade noch angepasst (siehe auch Infobox), der Endpunkt der Veranstaltung mit Ansprachen und Konzerten auf einer Bühne aber bleibt bestehen. Doch wieso wird eine Demonstration auf der Esplanade durch die Stadt bewilligt, wenn doch praktisch gleichenorts eine weitere Grossveranstaltung stattfindet, die durch «Biel wird laut» offenkundig konkurrenziert wird?

Die Stadt gibt an, man habe im Juni, als für die Demonstration grundsätzlich grünes Licht gegeben wurde, nichts vom Jodlerfest gewusst. «Die zuständigen städtischen Behörden hatten im Juni noch keine Kenntnis von der musikalischen Grossveranstaltung», schreibt André Glauser, Leiter der städtischen Abteilung Öffentliche Sicherheit, auf Anfrage. Dies, weil das Jodlerfest nicht auf öffentlichem Grund stattfinde und deshalb nicht durch die Stadt bewilligungspflichtig sei. «Die Veranstalter haben keine Verpflichtung, die Behörden der Stadt über die Durchführung eines solchen Anlasses zu informieren und die städtischen Behörden keinen Einblick in den entsprechenden Veranstaltungskalender», so Glauser.

Diese Unwissenheit der Behörde zum Zeitpunkt der mündlichen Bewilligung im Juni erstaunt. Dies, da der Jodlerklub etliche Ehrengäste geladen hat, darunter laut OK-Präsident Meyer auch den gesamte Bieler Gemeinderat. Zumindest der politisch verantwortliche Beat Feurer (SVP), Vorsteher der Direktion Soziales und Sicherheit, war also im Bild: Er hat seine Teilnahme am Jodlerfest laut Meyer bereits im März schriftlich zugesagt.

 

«Ich bedaure den Konflikt»
Geiser wurde offenbar erst Mitte August durch Meyer auf das Problem der kollidierenden Veranstaltungen aufmerksam gemacht. Dieser wiederum erfuhr im BT von der Westast-Demonstration. Geiser sagt: «Ich bedaure den Konflikt.» Er versuche aber eine Lösung für das Jodlerfest zu finden und habe Meyer angeboten, dass das «Jodlerdörfli» statt auf der Vorderseite auf der Hinterseite des Kongresshauses aufgebaut werden könnte.

Dafür hat der OK-Präsident grundsätzlich aber kein Gehör, schliesslich sei man darauf angewiesen, dass die Besucher des Jodlerfests in der Festwirtschaft konsumierten, «sonst geht die finanzielle Rechnung nicht auf». Er befürchte, dass der Umsatz deutlich geringer ausfallen würde, müssten die Gäste zuerst die Liegenschaft umrunden, statt wie angedacht beim Verlassen des Kongresshauses direkt ins «Jodlerdörfli» zu gelangen.

Meyer sagt deshalb: Müsse man zügeln, verlange man von der Stadt eine Defizitgarantie und ein grosses Festzelt für den nicht überdachten Bereich hinter dem Kongresshaus. «Wir haben das Kongresshaus vor anderthalb Jahren reserviert, wir waren zuerst da, es ist nicht fair, wenn wir es nun sind, die sich verbiegen müssen», so Meyer. Die Bielerseejodler erhoffen sich von ihrem 100-Jahr-Jubiläum, dieses möge lange in Erinnerung bleiben. «Die Feier bleibt nun definitiv haften, allerdings nicht im positiven Sinne», meint Meyer.

 

«Mit Appellwirkung»
Er verstehe nicht, sagt der Jodler, wieso der Demonstrationszug unbedingt auf diesen Platz führen müsse. Meyer schlug der Stadt in den letzten Wochen immer wieder eine Verlegung an den See vor, darauf ging die Stadt aber gar nicht erst ein. Glauser hält der Forderung Meyers entgegen, dass «Biel wird laut» eine «Veranstaltung mit Appellwirkung» sei, die möglichst viele Personen mit ihrer Botschaft erreichen wolle. «Es liegt deshalb in der Natur der Sache, dass die Veranstalter ihre Kundgebung nicht am im Herbst mehr oder weniger menschenleeren Strandboden durchführen möchten.»

Sarah Fuhrimann, Präsidentin des Vereins «Biel wird laut», sagt, man werde grösstmöglich Rücksicht nehmen auf die Jodler. Das Problem, dass die Ansprachen und Konzerte, die an der Demonstration geplant sind, die Festgemeinschaft im und um das Kongresshaus stören könnten, kann sie aber nicht verneinen. Sie schlägt deshalb vor, die Jodler zu integrieren und auf die Bühne zu holen: «Es würde uns freuen, etwas Gemeinsames zu machen», sagt Fuhrimann.

Die Idee ist nicht ganz neu – die Westast-Gegner haben kürzlich mit dem Seeländer Jodler René Voramwald, der ebenfalls am Seeländischen Jodlertreffen im Kongresshaus teilnehmen wird, ein Promovideo gedreht und ihn damit zumindest bereits auf die Facebook-Bühne der Demonstranten gehoben.

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Organisation und Demonstrationsroute

  • Die Demonstration «Biel wird laut» wird vom gleichnamigen Verein durchgeführt. Dieser wurde eigens für die Veranstaltung gegründet und dürfte danach auch wieder aufgelöst werden; die Mitglieder sind in anderen Gruppierungen aktiv, die sich gegen den Westast engagieren.
  • Die Demonstrationsroute führt am 23. September ab 14 Uhr vom Robert-Walser-Platz aus über die Aarbergstrasse zum Guisanplatz und dann weiter über die Bahnhofstrasse zum Zentralplatz und schliesslich auf die Esplanade.
  • Die Bewilligung der Stadt für die Demonstration endet um 18 Uhr. Dies auch wegen einer weiteren Veranstaltung: Der EHC Biel empfängt an diesem Abend den SC Bern, der mit vielen Fans anreisen dürfte. lsg

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