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Natur

Auf den Spuren des Bibers

Eine geführte Wanderung zu den Biberbauten an der Zihl zwischen Nidau und Port zeigt: Ob man die Nager tatsächlich zu Gesicht bekommt, ist Glücksache.

Solche Asthaufen sind typisch für Biberburgen. Der eigentliche Bau liegt in der Uferböschung und wird mit den Ästen überdeckt. Bild: Marjorie Spart

Marjorie Spart/pl

«Ich weiss nicht, ob wir heute Abend Biber sehen werden. Seit zwei Jahren zeigen sich die Tiere eher selten», sagt Wanderleiter Jean-Jacques Amstutz zu Beginn der kleinen Exkursion.

Er begleitet im Auftrag von Jura & Drei-Seen-Land Tourismus Wanderungen zu den Biberbauten an der Zihl. Amstutz sagt, dass es schon Abende gab, an denen er keines der scheuen Nagetiere zu Gesicht bekam – oder er musste stundenlang auf der Pirsch liegen, bis sich der Biber zeigte.

Der ideale Ort
An diesem Sommerabend geht es um 19 Uhr hinter dem Bahnhof Biel los. Manchmal nehmen bis zu 20 Personen an der abendlichen Wanderung teil. Aber heute sind es nur drei: Jean-Jacques Amstutz, eine angehende Wanderleiterin und die Journalistin. Dem Leiter spielt das keine Rolle: «Ich stand schon alleine hier und bin trotzdem auf die Tour gegangen», meint er und lacht.

Dann schnallt er seinen grossen Rucksack um: Aufbruch. Es geht Richtung Nidau. Der Bestimmungsort ist die Zihl. «Dort haben wir die besten Aussichten, Biber zu sehen, denn das stille Gewässer ist ein idealer Lebensraum für die Nagetiere.»

Die heutigen Biber sind in den 60er-Jahren aus dem Kanton Neuenburg eingewandert. Anfang des 19. Jahrhunderts war die wegen ihres Fleisches geschätzte Tierart in der ganzen Schweiz ausgestorben. «Die Kirche hatte den Biber wegen seiner Schwanzform als fischähnliches Wesen bestimmt. Deshalb durfte sein Fleisch auch während der Fastenzeit gegessen werden», erzählt Jean-Jacques Amstutz.

Neben dem dichten Fell wurde der Biber auch wegen des Castoreums gejagt – einem talgartigen Drüsensekret, das zu Heilsalben verarbeitet wurde. Im Jahr 2007 zählte man in der Schweiz wieder 1600 Tiere.

Friedliche Koexistenz
Während der Wanderung zeigt Amstutz erste Spuren der Nagetiere. An einem Baumstamm sind frische Kerben zu sehen, die ein Biber geschlagen hat. An anderer Stelle zeugen Schutzgitter von seiner Anwesenheit. «Die Tiere fressen gerne Weiden- und Birkenrinde. Aber auch Gräser, Früchte und Getreide gehören zu ihrem Speiseplan. Das sehen die Landwirte nicht gern», berichtet Amstutz.

Allerdings würden dort, wo sich Biber ansiedeln, Massnahmen mit allen Beteiligten getroffen, damit das Zusammenleben nicht zur Qual wird. Oft genüge es, einige Meter Abstand zwischen dem Bibergewässer und der landwirtschaftlich genutzten Fläche freizuhalten. Das Anpflanzen von Bäumen in diesem Bereich habe sich ebenfalls bewährt, erklärt Amstutz.

Ein haariger Geselle
Ab und zu steigt Amstutz zu einer der vielen Bootsanlegestellen hinunter. «Von hier aus kann man gut erkennen, ob sich im Umfeld ein Biberbau befindet.» Und siehe da: Unter einem ausladenden Blätterdach ist eine typische Ansammlung von Ästen zu sehen, die aus dem Wasser ragt. «Der Biber schützt sein Zuhause, indem er den Eingang unter der Wasseroberfläche anlegt», so Amstutz.

Die Nagetiere leben monogam. Wenn die Jungen zwei Jahre alt sind, werden sie ausgestossen und gehen auf Wanderschaft – bis sie ein freies Plätzchen für den Bau einer eigenen Biberburg gefunden haben.

Heute bleibt es still auf der Zihl. Auch im Astnest rührt sich nichts. Keine Spur von den putzigen Tieren. Für solche Fälle hat Jean-Jacques Amstutz Anschauungsmaterial mitgebracht: Aus seinem Rucksack zieht er einen Biberschädel und ein gut erhaltenes Fell. Der ausserordentlich dicke Pelz zählt auf dem Rücken
12 000 Haare pro Quadratzentimeter; auf dem Bauch sind es sogar doppelt so viele. Die eindrucksvollen Schneidezähne sind fünf Zentimeter lang. Ebenso sind die Pfoten regelrechte Werkzeuge, denn sie sind wie Greifhände ausgelegt. «Der Biber ist ein fleissiger Arbeiter und zudem ein guter Schwimmer», sagt Amstutz.

Dort, im Wasser
Um 20.30 Uhr auf der Brücke zwischen Nidau und Port: Amstutz sucht die Wasseroberfläche mit dem Feldstecher ab. Überall sind Paddler und Freizeitboote unterwegs. Ob diese Betriebsamkeit den Biber misstrauisch gemacht hat? «Das weiss ich nicht», meint Amstutz.

Er befragt einen Spaziergänger, der mit seinem Hund unterwegs ist. Dieser zeigt uns das Foto eines Bibers, den er drei Wochen zuvor am Ufer entdeckt hatte. Es wird langsam kalt auf der Brücke. Die Hoffnung auf eine Begegnung mit dem scheuen Tier ist fast aufgegeben.

Da, plötzlich schiesst ein Biber pfeilschnell unter der Wasseroberfläche heran. Er taucht auf, um Luft zu holen. Dann taucht er wieder ab, und seine Spur verliert sich. Dieser kurze Auftritt war der Lohn für die Geduld, der Schlusspunkt einer beschaulichen Abendwanderung entlang der Zihl.

Stichwörter: Natur, Nidau, Zihl, Biber, Nager, Port

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