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„Krawattenzwang“

Auf Glatteis

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, publizistischer Leiter der Gesamtredaktion und Chefredaktor „Bieler Tagblatt“ wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Auf Glatteis.

Bernhard Rentsch: Krawattenzwang
  • Dossier

Die Szene: Auf einem Winterwanderweg wird ein Vater beim Spaziergang von der Tochter laut gewarnt mit «Achtung Glatteis». Da ist es schon zu spät. Mit viel Schwung geschieht das Unvermeidliche, der Vater rutscht aus, verliert das Gleichgewicht und der harte Aufprall auf dem Rücken ist die Folge. Glück im Unglück: Nichts passiert, vielleicht ein paar Prellungen, vielleicht blaue Flecken. Das ist nicht bekannt.

Der Winter hat unser Land im Griff. In höheren Lagen zeigt sich dies mit wunderschönen Schneebildern. In den Niederungen ist es gelegentlich auch weiss, dann wieder pflotschig und häufig neblig. Überall in diesen Tagen: sehr kalt. Und damit eben auch gefroren, durch Glatteis werden Wege und Strassen zu (zusätzlichen) Gefahrenzonen.

Glatteis – ist das nicht ein sogenannter Pleonasmus? Ein Pleonasmus liegt vor, wenn innerhalb einer Wortgruppe eine bestimmte Bedeutung mehrfach auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gebracht wird. Hier eben «glatt» und «Eis». Ja und nein. Sprachlich natürlich schon, von der Bedeutung her wird aber genau das Phänomen beschrieben, das in oben nachgezeichneter Szene dem Vater zum Verhängnis wurde: «Winterglätte (umgangssprachlich im Verkehr auch Strassenglätte) respektive Glatteis entsteht, wenn sich auf dem Boden eine Eisschicht oder eine andere Gleitschicht bildet. Besonders auf der Fahrbahnoberfläche und anderen Gehanlagen ist das ein grosses Verkehrs- und Unfallrisiko.» So steht es in Wikipedia.

Das Risiko besteht vor allem auch deshalb, weil die Gefahr unerwartet und oft überraschend auftritt. Der Wanderweg in der Eingangsszene war mit Schnee bedeckt, dazu gut gepflegt und sogar mit kleinen Steinen «sicher» gemacht. Als Fussgänger begab sich also niemand aktiv in Gefahr.

Gemäss Redensart «jemanden aufs Glatteis führen» ist nämlich wirklich fies. Gemeint ist: Jemanden verunsichern, irreführen oder täuschen. Da wird Glatteis zu einer negativen Assoziation, gar nicht im Sinn der schönen Winterbilder mit sich spiegelndem Sonnenlicht. Eine solch aktive Taktik passt nicht in mein Bild zum Umgang miteinander. Viel eher passt das aktive «sich auf Glatteis begeben». Das verbinde ich mit der Suche nach Neuem, die immer auch Unsicherheiten und Wagnisse beinhaltet. Risiken suchen und eingehen: Ja, gerne.

So, genug der Wortspiele. Und dem unbekannten Sturzopfer: Gute Besserung.


brentsch@bielertagblatt.ch
Twitter: @BernhardRentsch

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