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Nakba

Ausstellung scheidet die Geister

Gestern ist in Biel die Ausstellung Nakba zur Vertreibung der Palästinenser zu Ende gegangen. Der Besucherandrang hielt sich in Grenzen. Die Kritik an der Ausstellung hingegen war gross.

Während dreier Wochen war die Wanderausstellung «Nakba» in der Bieler Pauluskirche zu sehen. Was bleibt? copyright: olivier gresset/bielertagblatt

von Jacqueline Lipp

Seit langem hat keine Ausstellung mehr so hohe Wellen geschlagen wie «Nakba» in der Bieler Pauluskirche. Von Skandal, Geschichtsklitterung und antiisraelischer Propagande war die Rede, aber auch von sehenswerter Dokumentation und überfälligem Tabubruch. Kurz: Die Meinungen gingen auseinander.

Bis gestern zeigte die Wanderausstellung Nakba die palästinensische Sicht auf die Staatsgründung Israels, und die Flucht von über 700'000 Palästinensern – das bezeichnet «Nakba», das arabische Wort für Katastrophe (siehe Infobox). Thematisiert wurden etwa die Gründung erster zionistischer Organisationen, der «fragwürdige» UNO-Beschluss zur Trennung des Landes in einen israelischen und einen palästinensischen Staat oder die israelisch-arabischen Kriege. Die 16 textlastigen Plakate waren unterlegt mit Statistiken, Karten und Zitaten.  

Was ist legitim?
Zweifellos ist die Geschichte des Nahostkonflikts zu komplex, um auf 16 Plakaten Platz zu finden. Die Ausstellung richtete das Augenmerk denn auch deutlich auf das Leid der Palästinenser – und klammerte vieles aus, wie ein Rundgang in der Pauluskirche zeigte. «Nakba» will «informieren und Verständnis wecken für die Rechte der Palästinenser», hiess es am Anfang der Ausstellung. Dass sie einseitig ist, streitet daher kaum jemand ab. Die Frage ist vielmehr: Ist das legitim?

«Ja», sagt Liliane Gujer vom Arbeitskreis für Zeitfragen, der die Ausstellung nach Biel geholt hat. «Es geht nicht um Schuldzuweisung, sondern darum, Wissen zu vermitteln.» Die Ausstellung ziehe das Recht der Juden auf einen eigenen Staat überhaupt nicht in Zweifel und sie sei auch kein Persilschein für palästinensischen Terror. Gujer verweist zudem auf das Rahmenprogramm, in dem friedensfördernde Perspektiven aufgezeigt worden seien. Etwa das Friedensdorf Neve Shalom, in dem arabische Palästinenser und jüdische Israeli gemeinsam leben.

Kritiker Alain Pichard lässt das nicht gelten. «Eine derart einseitige Ausstellung kann man nicht durch einzelne Anlässe retten.» Für den Bieler Lehrer, GLP-Stadtrat und Mitglied der Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI) ist «Nakba» eine «Karikatur einer historischen Ausstellung». Sie wähle Quellen selektiv aus, ignoriere wichtige Fakten und den historischen Kontext. «Die Ausstellung zitiert lediglich israelische Scharfmacher.» Dass es solch Radikale auch bei den Palästinensern gebe, werde zum Beispiel verschwiegen, weil es nicht ins Bild passe. «Eine historische Ausstellung kann sich das nicht erlauben.»
Er leugnet keinesfalls, dass Palästinenser vertrieben wurden, und Massaker und Landraub geschehen sind. Das sei aber auch auf der Gegenseite passiert. Wäre dies thematisiert worden, hätten sich die Besucher laut Pichard ein eigenes Bild machen können, «dann wäre es einigermassen objektiv gewesen».

Für Gujer hingegen gibt es keine objektive Geschichtsschreibung. «Es gibt von jedem historischen Ereignis verschiedene Lesarten. Die palästinensische Sicht ist wenig bekannt, weshalb wir dieses Wissen bekanntmachen wollten.» Die Staatsgründung Israels werde offiziell immer mit den jüdischen Hoffnungen gleichgesetzt. «Die Ausstellung ist ein Versuch ausgleichender Gerechtigkeit», sagt Gujer. Sie habe die Diskussionen rund um «Nakba» als konstruktiv erlebt.

Thema sei für Bieler wichtig
«Kritik ja, Geschichtsklitterung nein danke» lautete die Botschaft auf den Flyern, die Pichard letzte Woche verteilte. Er war als Kritiker am Podiumsgespräch eingeladen. Eine sachliche Debatte, sagt Pichard, sei nicht möglich gewesen. «Weil eben die Ausstellung nicht sachlich ist und nur Emotionen schürt.» Wolle man den Fokus auf die Vertreibung der Palästinenser legen, müsse man nach den Ursachen fragen und diese seien nicht so einfach zu benennen. «Ich bin ein Freund Israels, aber meine Haltung ist wesentlich differenzierter als die gezeigte.» Die Ausstellung sei zudem alles andere als versöhnlich.

Für Liliane Gujer hingegen ist Versöhnung nur möglich, wenn man das Leiden beider Seiten kenne. Sie zieht darum trotz aller Kritik ein positives Fazit. Der Arbeitskreis für Zeitfragen der reformierten Kirche werde das Thema weiterverfolgen. «Der Nahe Osten ist der Schoss der Weltreligionen, darum beschäftigt es auch uns Bieler.»
 

Wanderausstellung Nakba
• Die Wanderausstellung «Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948» wurde vom Verein Flüchtlingskinder im Libanon e.V. konzipiert.
• Der Arbeitskreis für Zeitfragen der reformierten Kirchgemeinde Biel holte die Ausstellung für drei Wochen in die Pauluskirche.
• Mit den Besucherzahlen sind die Organisatoren zufrieden. Jeweils 20 bis 30 Personen hätten die Führungen besucht.

 

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