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Biel

Befürchtungen der Jodler wurden nicht wahr

In Biel erhoben am Samstag nicht nur die Demonstranten ihre Stimme. In Trachten erschienen die Jodler am 42. Seeländischen Jodlertreffen. Konfliktpotential war auf der Esplanade reichlich vorhanden. Wie ging es aus?

Mit den Händen in den Hosentaschen sangen die Mitglieder der Seeländer Jodlerklubs zum Abschluss gemeinsam im Chor. copyright/ Frank Nordmann

Hannah Frei


Eine ungewohnte Szene spielte sich am Samstagmorgen in der Bieler Innenstadt ab: In Trachten gekleidet und teils mit Alphörnern oder «Schwyzerörgeli» ausgerüstet zogen, die Jodler aus den Seeländer Gemeinden ins Kongresshaus. Dort, wo am Nachmittag die Demonstranten ihre Stimmen gegen den Westast erhoben, trafen sich die Jodler am Morgen, um in der Sporthalle Esplanade leisere Töne anzuschlagen und ihre Stimmen aufzuwärmen. Denn um 10 Uhr begann das 42. Seeländer Jodlerfest, an dem rund 330 Jodler und Jodlerinnen aus 31 Jodlerklubs ihre lang geübten Lieder vortrugen.
Im vor dem Eingang ins Kongresshaus aufgebauten Jodlerdorf blickten die Besucher bereits am Morgen kritisch in Richtung Gaskessel, besonders zur Bühne für die Demonstranten. «Wir hoffen, dass die Demonstranten nicht zu früh aufkreuzen werden», sagte Andreas Meyer, OK-Präsident des Jodlerfestes. Denn es wurde befürchtet, dass die Musik der Jodlergesellschaft durch diejenigen der Demonstranten untergehen könnte.


Singen ohne Verstärker


Obwohl die Stühle im Konzertsaal bereits am Morgen gut besetzt waren, wurde es bei der Ankündigung des ersten Jodlerklubs ganz ruhig. Kein Wort wurde gewechselt, kein Stuhl gerückt, um den Vortragenden mit voller Aufmerksamkeit zuhören zu können. Denn gesungen wurde ohne Verstärker, meist a cappella. Den Anfang der Konzertreihe machten die Gastgeber, der Jodlerklub Bielersee Biel, der in diesem Jahr sein 100-Jahr-Jubiläum feiert. Die 13 Mitglieder, unter ihnen fünf Frauen, traten auf die Bühne. Mit den Händen in den Hosentaschen stellten sie sich in einem Halbkreis auf. Der Dirigent des Klubs, Jakob Tobler, stimmte den Ton an. «E See im hälle Sunneglanz, wit hintrem grüene Hügelland» sang die Gruppe zuerst vier-, dann sechsstimmig.
Wer nun denkt, dass alle Mitglieder eines Jodlerklubs auch wirklich jodeln, liegt falsch. Denn meist sind es nur die Frauen, welche die nicht ganz einfache Technik des Jodelns beherrschen und die hohen Töne singen können. Die anderen begleiten die Solopassagen mehrstimmig mit klassischem Gesang. Im Jodlerklub Bielersee Biel sind es nur drei tatsächliche Jodlerinnen. Die Jodlerlieder erzählen von Kameradschaft, Liebe und Dankbarkeit, aber auch vom Tod. Besonders bei melancholischen Melodien schienen die Besucher nachdenklich zu werden und sich mit den anderen und der Welt verbunden zu fühlen.


Beatrice Simon will jodeln


Auch Regierungsrätin Beatrice Simon (BDP), die als Ehrengast die Festansprache der Veranstaltung hielt, ist vom Jodeln beeindruckt. «Zu unseren Bräuchen und Traditionen habe ich eine starke Verbindung», sagt sie. Das Jodeln löse bereits beim Zuhören in ihr ein Gefühl der Zufriedenheit aus. Für sie seien die Texte weniger wichtig als die Melodien und Stimmen. «Jodeln ist erdenschön und bodenständig», sagt Simon.
Da die Regierungsrätin leidenschaftlich gerne singt, in den vergangenen Monaten jedoch zu wenig Zeit dafür aufbringen konnte, wird sie im Oktober zum ersten Mal einen Schnupperkurs im Jodeln besuchen. «Ob es für einen Auftritt beim nächsten Jodlerfest reichen wird, kann ich nicht versprechen», sagt Simon lächelnd.
Jodeln wird nicht aussterben
Hoch war an diesem Anlass nicht nur der Männeranteil, sondern auch das Durchschnittsalter. Doch unter den fein herausgeputzten älteren Herren und Damen konnte man vereinzelt auch junge Gesichter entdecken. «Unser jüngstes Mitglied ist gerade mal 22 Jahre alt», sagte der 35-jährige Mark Wampfler vom Jodlerklub Zytröseli Studen. Er ist überzeugt, dass die Jodlertradition nie in Vergessenheit geraten wird. «Im Seeland gibt es viele Kinderjodlerchöre. Meine Mutter hat selber einen gegründet.» In diesem habe er gegen seinen Willen mitsingen müssen. Doch mit der Zeit habe er das gemeinsame Singen und Jodeln immer mehr lieben gelernt. «Beim Jodeln kann ich heute sogar besser abschalten als beim Sport», sagt Wampfler. Das Jodeln führe bei ihm dazu, dass er sich mit der Natur verbunden fühle, und ermögliche ihm, den Gefühlen freien Lauf zu lassen.


Demo hat kaum gestört


Die Angst der Organisatoren des Jodlerfestes, dass die Demonstranten die Besucher stören könnten, war spätestens um 17 Uhr verflogen. «Wir waren positiv überrascht», sagt Andreas Meyer. Die Demonstranten sind nicht zu früh erschienen und haben daher die Konzerte des Festes nicht gestört. Zudem hätten die Organisatoren mehr Trubel und Tumult erwartet. «Die Demo verlief friedlich», sagt Meyer.
Als die Demonstranten auf der Esplanade ankamen und ihre Konzerte starteten, machten die Musikanten im Jodlerdorf eine zweistündige Pause. Denn ohne Verstärker wäre es schwierig gewesen, die verstärkte Musik der Demonstranten zu übertönen. Ob sich die Demo trotzdem wie befürchtet auf den Umsatz der Festwirtschaft ausgewirkt hat, kann Meyer noch nicht sagen. Neben den Jodlern sind laut Meyer geschätzt rund 250 Besucher gekommen. «Wir hätten ein wenig mehr erwartet», sagt Meyer. Doch für die Organisatoren war das Fest trotzdem ein voller Erfolg.

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