Sie sind hier

Abo

Uhrenindustrie

Behördenentscheid sorgt
in der Uhrenbranche für Aufruhr

Die Wettbewerbshüter prüfen einen Lieferstopp für Uhrwerke des Marktführers Swatch Group. Das hätte für andere Hersteller erhebliche Folgen. Auch Uhrenliebhaber hätten das Nachsehen.

Bild Uhrmacher17.12.jpg (7851398)

Jon Mettler

Die Wettbewerbskommission hat gestern einen Entscheid gefällt, der weitreichende Folgen für die Schweizer Uhrenindustrie mit ihren knapp 58 000 Mitarbeitern hat. Zwar wollen die Wettbewerbshüter ihr Urteil erst gegen Ende Woche mitteilen. Doch am Wochenende ist bereits durchgesickert, worum es im Grundsatz geht.

Der Entscheid betrifft die Swatch Group mit Sitz in Biel, den weltgrössten Uhrenhersteller mit Marken wie Omega, Tissot, Certina und Swatch. Offenbar hat die Wettbewerbskommission vor, die Konzerntochter ETA im kommenden Jahr mit einem Lieferverbot zu belegen, um deren marktbeherrschende Stellung zu brechen. Die Swatch Group bestätigt, dass die Pläne in diese Richtung gehen.

ETA in Grenchen stellt mechanische Uhrwerke her, die sie mehrheitlich an den Mutterkonzern Swatch Group liefert, aber auch an konkurrierende Manufakturen. Dem Vernehmen nach gingen im laufenden Jahr rund 500 000 ETA-Uhrwerke an Drittfirmen. Nach Berechnungen der UBS trägt dieses Geschäft beim Bieler Uhrenkonzern ein Prozent zum operativen Jahresgewinn von 1,1 Milliarden Franken bei.

Swatch zeigte sich selber an

Die Überlegungen der Wettbewerbshüter schrecken die Schweizer Uhrenindustrie auf: Vor allem kleine Hersteller, die sich keine eigene Produktion von mechanischen Uhrwerken leisten können, müssten ohne wichtige Bestandteile für ihre Produkte auskommen.

Uhrenliebhaber müssten im schlimmsten Fall auf neue Produkte verzichten: Chopard werde im Jahr 2020 gewisse Uhrenmodelle nicht wie geplant vorstellen können, sagte denn auch Karl-Friedrich Scheufele. Er ist Eigentümer und Co-Präsident der Genfer Luxusuhrenmarke.

Die Swatch Group ihrerseits rechnet mit Verzögerungen beim Abarbeiten der externen Aufträge, da es eine Vorlaufzeit von mindestens einem halben Jahr braucht. Normalerweise geben die Abnehmer ihre Bestellungen im Frühsommer auf. Weil die Gruppe zu diesem Zeitpunkt über die Absichten der Wettbewerbskommission im Unklaren war, löste sie die Bestellungen nicht aus. Kommt hinzu, dass die Swatch Group Abstriche beim Ergebnis machen müsste, wenn die Liefermenge von einer halben Million Uhrwerke über Nacht wegfällt.

Zwischen den Wettbewerbshütern und der Swatch Group gibt es seit Jahren ein Hickhack um die Lieferung von mechanischen Uhrwerken. In einem aussergewöhnlichen Schritt hatte sich die Uhrengruppe im Jahr 2011 selber bei der Wettbewerbskommission angezeigt.

Die Behörde sollte untersuchen, ob der Konzern über seine Tochtergesellschaft ETA bei der Produktion von Uhrwerken über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Konzernchef Nick Hayek missfiel die historisch bedingte Ausgangslage, dass die Swatch Group für die Mitbewerber zum wichtigsten Lieferanten von mechanischen Uhrwerken und einzelnen Bestandteilen geworden ist.

Sein Vorwurf: Die Konkurrenz habe es verpasst, ihre Abhängigkeit zu verringern. In den Boomjahren habe sie lieber ins Marketing investiert als in die Produktion und damit in Arbeitsplätze.

2013 einigten sich die Swatch Group und die Wettbewerbskommission darauf, dass der Uhrenkonzern bis Ende 2019 den Lieferumfang von Uhrwerken an die Mitbewerber stufenweise verringern kann. So sollte die Konkurrenz genug Zeit erhalten, um selbst eine industrielle Basis für Uhrwerke aufzubauen. Da diese einvernehmliche Regelung nun Ende Jahr ausläuft, braucht es eine neue Vereinbarung.

«Drastische Massnahme»

Weil ein Lieferverbot ein radikaler Entscheid wäre, sorgten die Neuigkeiten vom Wochenende für Verwirrung. Branchenkenner wie Patrik Schwendimann, Finanzanalyst bei der Zürcher Kantonalbank, bezeichnen den kolportierten Entscheid der Wettbewerbshüter als seltsam. Er vermute eher, «dass die Wettbewerbskommission nochmals eine Lieferverpflichtung verhängen will», was die Swatch Group aber nicht akzeptieren wolle, so Schwendimann. Auch die UBS bewertet ein Lieferverbot als ziemlich drastische und ungewöhnliche Massnahme.

Gestärkt hervor gingen allenfalls Konkurrenten wie Sellita Watch Co. SA in La Chaux-de-Fonds und Sigatec SA in Sitten. Die Frage ist, ob diese Produktionsbetriebe in der Lage sind, derart kurzfristig zusätzlich 500 000 Uhrwerke herzustellen. Insider sehen aber grosse Herausforderungen für die Konkurrenten der Swatch Group. Sie glauben, dass sie nicht an Marktführer ETA herankommen.

Nachrichten zu Biel »