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Wahlen 19

Bei der SP sind die Frauen auf der Überholspur

Die Sozialdemokraten wollen einen Richtungswechsel, bleiben in ihrer Zielsetzung im Kanton Bern aber auf dem Boden: Sechs Nationalratsmandate gilt es zu verteidigen. Zittern dürften dabei vor allem die Männer – und zwar vor der eigenen Frauenliste.

Symbolbild: Keystone
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Lino Schaeren

Die Sozialdemokratische Partei tritt im Kanton Bern gleich mit vier Listen zu den Nationalratswahlen an. Nebst dem traditionellen Aufteilen in eine Männer- und eine Frauenliste wollen es die Jungsozialisten ebenso mit einer eigenen Liste wissen wie die Auslandschweizer. Zu verteidigen hat die SP sechs Mandate: Drei auf der Männerliste und drei auf der Frauenliste. Dabei können die Sozialdemokraten auf viele bekannte Gesichter zählen – mit Margrit Kiener Nellen tritt nur gerade eine Bisherige am 20. Oktober nicht mehr an. So sagt denn auch Nationalrat Corrado Pardini aus Lyss: «Wir sind nicht nur thematisch gut aufgestellt, sondern auch personell.»

Pardini gehört zu den profiliertesten Köpfen der Berner SP. Der Unia-Gewerkschafter ist in den letzten Monaten immer wieder schweizweit in den Schlagzeilen gelandet, dies unter anderem wegen seinem Kampf gegen das Rahmenabkommen mit der EU und für den Lohnschutz. Die Krankenkassenprämien und die AHV sind weitere Themen, die Pardini bewegen – und wie er glaubt auch grosse Teile der Bevölkerung: «Und diese Themen sind der SP sehr nahe.» Dasselbe gilt für das Klima – der Klimawandel wird im Wahlkampf auf linker Seite allerdings auch stark von den Grünen geprägt. An ein gutes Ergebnis für seine Partei glaubt Pardini auch deshalb, weil es der SP im bürgerlich dominierten Kanton zuletzt gelungen sei, im Volk Mehrheiten für die eigenen Positionen zu finden; so etwa beim Sozialhilfegesetz oder bei Fragen zu den Unternehmenssteuern.

Kantonale Wahlen als Gradmesser

Zuversicht gibt den Sozialdemokraten aber auch das Ergebnis der Grossratswahlen von vor anderthalb Jahren: Dort konnte die SP gut drei Prozent an Stimmen und fünf Sitze zulegen. So lautet denn auch die offizielle Zielsetzung der kantonalen Parteileitung, diesen Erfolg zu wiederholen – angepeilt wird ein Wähleranteil von 23 Prozent. Damit bleibt die SP mit ihrer Zielsetzung auf dem Boden – auch, weil dem Kanton Bern wie 2011 und 2015 aufgrund des geringeren Bevölkerungswachstums erneut ein Nationalratssitz weniger zusteht: Es sind also nur noch 24 Sitze zu vergeben.

Und obgleich die SP bei den kantonalen Wahlen, die auch als Gradmesser für die Nationalratswahlen gelten, zulegen konnte, müssen nicht nur SVP und BDP zittern: Die Genossen hatten ihr sechstes Mandat vor vier Jahren nämlich nur ganz knapp erreicht. Zum angestrebten Richtungswechsel in der Politik Bundeshauptstadt will die Berner SP also in erster Linie beitragen, indem sie behält, was sie hat.

Frauenliste baut Vorsprung aus

Bei den kantonalen Wahlen im März 2018 hatte die SP ihren Siegeszug den Frauen zu verdanken – alle zusätzlichen Mandate gingen an Kandidatinnen. Das ist kein Zufall: Die Frauen haben, seit bei den Sozialdemokraten die Männer- und Frauenlisten eingeführt wurden, stetig Boden gut gemacht und ihre männlichen Kollegen inzwischen längst überholt: 2003 holte die SP-Frauenliste im Kanton Bern erstmals mehr Stimmen als jene der Männer. Und seither ist ihr Vorsprung noch angewachsen.

Mit dem Frauenstreik als Motor ist es deshalb durchaus möglich, dass die Frauenliste in knapp drei Wochen einen zusätzlichen Sitz machen könnte. Da ein siebtes Mandat für die SP aber unwahrscheinlich scheint, würde der zusätzliche Sitz wohl nicht auf Kosten einer anderen Partei gehen, sondern auf jene der SP-Männer. Ein mögliches Szenario, dessen man sich parteiintern durchaus bewusst ist. Das aber nicht eintreten soll, wenn es nach Andrea Zryd (Magglingen) geht: Sie hoffe, dass nebst dem Seeländer Corrado Pardini auch Matthias Aebischer (Bern) und Adrian Wüthrich (Huttwil) die Wiederwahl schaffen, sagt sie.

Und dies, obschon der Gewinn eines Sitzes für die Frauen ihre eigene Wahlchance erhöhen würde. Als Favoritin für das frei werdende Mandat von Kiener Nellen gilt Stadtbernerin Tamara Funiciello, die sich in den letzten dreieinhalb Jahren als Juso-Präsidentin einen Namen gemacht hat. Zryd sagt: «Ich peile den ersten Ersatzplatz an.» Die Sportlehrerin wurde bei den letzten Grossratswahlen mit dem besten Ergebnis im Wahlkreis Biel-Seeland aller Kandidatinnen und Kandidaten gewählt. Als gebürtige Adelbodnerin sass Zryd zudem auch schon für das Oberland im Kantonsparlament. Zryd rechnet deshalb auch mit einigen Stimmen aus ihrer alten Heimat.

Starke Bieler Jungpartei

Besonders stark vertreten ist die Region Biel-Seeland auf der Liste der Jungsozialisten. Die Juso Bielingue besetzt gleich acht Listenplätze, sechs Kandidaturen kommen aus der Stadt Biel, eine aus Busswil und eine aus Büren. Die Dominanz der Juso Bielingue sei kein Zufall, sagt Muriel Günther, Zentralsekretärin der Juso Schweiz. «Biel hat derzeit sicherlich eine der aktivsten Juso-Sektionen im Kanton Bern», so die Bielerin, die auch selber für den Nationalrat kandidiert. Günther hat nach ihrer Wahl zur Zentralsekretärin der nationalen Jungpartei dieses Jahr all ihre kommunalen Ämter niedergelegt, darunter auch ihr Bieler Stadtratsmandat. In ihrer neuen Funktion ist Günther für die Wahlkampf-Kampagne der Juso mitverantwortlich.

Diese setzt vor allem auf Verteilungsgerechtigkeit und übt Systemkritik – und spielt damit auf die 99-Prozent-Initiative der Jungpartei an. Günther verweist aber auch auf die Aktivität vieler Mitglieder im Klimastreik und darauf, dass die Juso unter der Präsidentschaft von Funiciello noch einmal feministischer geworden sei. Es ist denn auch erklärtes Ziel der Jungsozialisten, ihrer ehemaligen Präsidentin ins nationale Parlament zu verhelfen – ein eigener Sitzgewinn im bürgerlichen Kanton Bern wäre eine riesige Überraschung.

Alles zu den eidgenössischen Wahlen vom 20. Oktober finden Sie unter
www.bielertagblatt.ch/wahlen2019

Stichwörter: SP, Wahlen 19

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