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Ipsach

Beim Schnorcheln eine Siedlung entdeckt

Per Zufall hat ein Archäologe während des Schnorchelns im Bielersee Überreste einer Pfahlbausiedlung gefunden. Vor dem Erlenwäldli in Ipsach befinden sich Dutzende Eichenpfähle, die über 5000 Jahre alt sind.

Der Uferbereich vor dem Erlenwäldli in Ipsach, an dem bei Tauchuntersuchungen Überreste einer Pfahlbausiedlung entdeckt worden sind. Bild: zvg/Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Carlos Pinto

Im Sommer 2017 testete ein Mitarbeiter der Tauchequipe des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern (ADB) an einem Badeplatz in Ipsach eine neue Schnorchelmaske. Plötzlich tauchte vor den Augen des Archäologen eine Ansammlung von Pfählen auf. Die Entdeckung konnte in der darauffolgenden Saison durch die Tauchequipe bestätigt werden: Der Schnorchler hatte per Zufall eine Pfahlbausiedlung entdeckt, die seither unter dem Namen Erlenwäldli im Inventar geführt wird.

Aus dem entsprechenden Bericht im kürzlich erschienenen Jahrbuch des Archäologischen Dienstes 2019 wird klar, dass der Fund für Erstaunen gesorgt hat: Es sei bemerkenswert, dass die Seeufersiedlung erst jetzt, rund 150 Jahre nach der 1. Juragewässerkorrektion und dem Beginn der Pfahlbauforschung am Bielersee, entdeckt worden sei. «Mir ist es ein Rätsel, dass zuvor noch niemand diese Fundstelle entdeckt hat», sagt Lukas Schärer, Taucher des Archäologischen Dienstes und Verfasser des Berichts.

Vom Boot aus sichtbar
Die gefundenen Eichenpfähle ragen bis zu 50 Zentimeter über den Seegrund. Bei der dortigen Wassertiefe von rund zwei Metern könne man die Überreste bei klarem Wasser sogar von einem Boot aus sehen, sagt Schärer. Gemäss dem Archäologen erwähnt zwar die frühe wissenschaftliche Überlieferung am südöstlichen Ufer des Bielersees eine Pfahlbaustation «Graseren», die heute nicht mehr auffindbar ist. Dabei könne es sich jedoch nicht um diejenige Siedlung handeln, die nun in Ipsach entdeckt worden ist.

Die Seeufersiedlung liegt im Bereich des Erlenwäldli. Hier befindet sich eine künstliche Lagunenlandschaft: Die 1. Juragewässerkorrektion führte zu einer Senkung des Seespiegels. Um die Ufer vor Erosion zu schützen, wurden Ende des 19. Jahrhunderts Uferverbauungen aus Steinblöcken angelegt (siehe Foto).

Die im See erhaltene Siedlung ist 560 Quadratmeter gross, das entspricht der Grösse von zwei Tennisfeldern. «Die ehemalige Siedlung könnte jedoch bedeutend grösser gewesen sein», sagt Schärer. Zwischen den Bruchsteinen der Uferverbauung ragen nämlich in regelmässigen Abständen Pfähle auf. Das weist darauf hin, dass sich die Siedlung landwärts weiter unter das aufgeschüttete Ufer erstreckt hat. Und auch seeseitig sei eine grössere Ausdehnung als die erfasste denkbar; es könnten sich weitere Pfähle am Seegrund befinden, die aktuell von Sedimenten zugedeckt sind, heisst es im Bericht.

Mithilfe von Proben aus den Eichenpfählen konnten die Archäologen feststellen, dass die Siedlung um die Zeit von 3000 Jahren vor Christus erbaut worden ist. In ähnlichen Zeiträumen gab es auch Pfahlbausiedlungen in Twann, Sutz-Lattrigen und Schafis.

Nur ein paar Knochen
Bei der Suche nach Funden tauchten nur zwei Steinbeile, einzelne Wandscherben und Knochen auf. Weil der Fundplatz seit der Juragewässerkorrektion einer erheblichen Erosion ausgesetzt ist, sind die Archäologischen Schichten nicht mehr vorhanden. Damit gemeint sind organische Reste wie Abfälle, Speisereste, Werkzeug oder Textilien.

Zudem haben die Uferbefestigungen sowie die Wellen des Westwindes, die an dieser Stelle mit grosser Wucht auf das Ufer treffen, den Seegrund verändert. Und noch heute verändert er sich – wie genau, wollen die Mitarbeiter des ADB nun herausfinden. Alle zwei bis drei Jahre werden sie die Fundstelle kontrollieren. Sehen sie die Überreste in Gefahr, müssen sie eine Ausgrabung ins Auge fassen. «Unser primäres Ziel ist es jedoch, den Fundplatz so zu erhalten, wie er ist», sagt Schärer.

Gerade weil sich der Seegrund in steter Veränderung befindet, ist die Chance gross, dass im Bielersee noch weitere Pfahlbausiedlungen entdeckt werden. 2018 habe man Überreste in Vinelz gefunden, die denen in Ipsach ähnlich seien, so Schärer. «Dort ist es mir genauso ein Rätsel, warum die Stelle erst jetzt gefunden worden ist.» Für den Archäologen ist jedenfalls klar: Die Arbeit am Bielersee wird ihm und seinem Team noch lange nicht ausgehen. Carmen Stalder

Quelle: Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern 2019.

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