Sie sind hier

Abo

Wahlen

Besonders die Frauen freuen sich

Beim Einzug von Frauen in die Exekutive zählt vor allem die Symbolik. Nicht nur in Nidau hat die Stadtbevölkerung am Sonntag eine Frau zur Stadtpräsidentin gewählt. Künftig werden auch Bettlach und Selzach von FDP-Frauen regiert.

Die frisch gewählte Nidauer Stadtpräsidentin Sandra Hess (FDP) freute sich am Sonntag im Rathaus über ihren Sieg. Der Kontrahent der SP, Marc Eyer, ist ein fairer Verlierer. Er gehörte zu den ersten Gratulanten. Bild: Olivier Sauter

Gleich drei bürgerliche Frauen haben am Wochenende im Seeland den Sprung zur Stadt- oder Gemeindepräsidentin geschafft. In Nidau wurde Sandra Hess (FDP) als Nachfolgerin von Adrian Kneubühler (FDP) gewählt. In Selzach heisst die neu gewählte Gemeindepräsidentin Silvia Spycher (FDP), in der Nachbargemeinde Bettlach ist es Barbara Leibundgut (FDP). Für den Politologen Georg Lutz ist die Wahl einer Stadtpräsidentin «nichts Wahnsinniges» mehr. So wird etwa Zürich schon länger von einer Frau regiert. Für eine Wahl sei nicht das Geschlecht, sondern die Qualifikation und die Persönlichkeit ausschlaggebend, so Lutz. Er glaubt zudem nicht, dass Frauen anders politisieren als Männer. «Es gibt keine Studie, die das untermauern würde.» So gibt es Politikerinnen, die sehr machtbewusst sind und einen direkten Stil pflegen. Im Gegenzug gibt es Politiker, die kommunikativ und sehr gute Zuhörer sind. Frauen sind in Exekutivämtern noch massiv untervertreten. Am seltensten finden sich hier Vertreterinnen der SVP, gefolgt von der FDP. «Die Wahl einer Stadtpräsidentin ist deshalb natürlich sehr erfreulich.»

Eine solche Wahl hat für Lutz aber vor allem symbolischen Charakter. Die Wahl einer Frau in eine so wichtige Position werde deshalb besonders von weiblicher Seite her gewürdigt. Das hat die frisch gewählte Sandra Hess genaus so erfahren. Die Gratulationen kamen zahlreich, sagt sie. «Besonders häufig aber von Frauen.»

Ab kommendem Jahr wird Nidau von einer Frau regiert. Die frisch gewählte Nidauer Stadtpräsidentin Sandra Hess (FDP) hat ihren Wahlsieg am Sonntag gefeiert. Mehr als 60 Menschen sind ins Stadthaus gekommen. Sie haben der 41-jährigen Kauffrau und Mutter von zwei Töchtern gratuliert und ihr für das Amt alles Gute gewünscht. Dazu sagt Hess: «Ich bin noch immer überwältigt. Glückwünsche kamen sogar aus anderen Gemeinden.» Dass nun erstmals eine Frau die Stadt regieren wird, war an der Wahlfeier ebenfalls Thema. Hess sagt, dass besonders Frauen sich über ihren Sieg gefreut hätten. Doch eigentlich ist man sich einig: Zwar dürfte ihr der Frauenbonus die eine oder andere Stimme von linker Seite eingebracht haben. Am Ende zählte aber die Persönlichkeit. Die war vielleicht sogar wichtiger als die Partei. Die FDP betonte auch im Vorfeld stets, dass das Geschlecht keine Rolle spiele. Kurz nach dem Sieg sagte etwa der noch amtierende Gemeinderat Ralph Lehmann (FDP), der Leistungsausweis und die Persönlichkeit hätten Hess zum Sieg verholfen. «Sie ist sympathisch, kompetent und eine ‹Chrampferin›». Nicht ganz ernst gemeint ergänzte er, man brauche in Nidau nun keine Frauenquote mehr, schliesslich liege das Stadtpräsidium zu 100 Prozent in Frauenhand.  

Zwei weitere Präsidentinnen
Nicht nur in Nidau, ebenso in zwei Seeländer Dörfern sind am Sonntag FDP-Frauen an die Spitze der Gemeinde gewählt worden. In Bettlach gewann die freisinnige Barbara Leibundgut die Wahl zur Gemeindepräsidentin. Sie übertrumpfte damit Thomas Steiner, den Kontrahenten der CVP. Für den scheidenden Gemeindepräsidenten Hans Kübli (FDP) ist klar: «Das Zünglein an der Waage dürfte der Frauenbonus gespielt haben.» In der Nachbargemeinde Selzach ist die FDP-Politikerin Silvia Spycher zur ersten Gemeindepräsidentin gewählt worden.

Die 50-jährige Schulleiterin Leibundgut durfte sehr viele Glückwünsche entgegennehmen. «Es gratulierten mir besonders viele Frauen», sagt sie. Leibundgut ist überzeugt, dass sie anders politisiert als ein Mann. Sie könne sehr gut auf Menschen zugehen, habe stets ein offenes Ohr und sei sehr gut vernetzt. Ein Anliegen ist ihr unter anderem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie unterstützt Kitas und als ehemalige Koordinatorin der kantonalen Gleichstellungskommission Solothurn ist sie auf Geschlechterfragen sensibilisiert. In der Familie von Leibundgut gab es immer Frauen in wichtigen Ämtern. Ihre Mutter war Ersatzgemeinderätin. Ihre Schwester führt ein eigenes Unternehmen. Leibundgut sagt: «Es freut mich, dass es in Nidau und Selzach ebenfalls eine FDP-Frau geschafft hat. Das verbindet.»

Die 45-jährige Kauffrau Spycher feierte am Sonntag ihren Sieg mit etwa 50 Leuten im Pfarreizentrum. Auch sie hörte von weiblicher Seite: «Es ist Zeit für eine Frau.» Für Spycher selber ist die Geschlechterfrage unwichtig. Aber auch sie sagt: «Frauen politisieren anders als Männer. Mehr auf der Gefühlsebene.»

«Nichts Wahnsinniges mehr»
Doch ist es denn nun noch etwas Besonderes, wenn eine Frau eine Stadt oder Dorf regiert? Oder ist es vielleicht gerade ein gutes Zeichen, weil es eben keine Rolle mehr spielt, ob von einem Mann oder einer Frau regiert wird?

Der Politologe Georg Lutz bestätigt, dass es vor allem Frauen würdigen, wenn es eine andere Frau in ein Exekutivamt schafft. «Deshalb kommt dann vor allem von Frauen ein positives Feedback.» Es sei aber vor allem die Symbolik, die zähle. Denn laut Lutz fehlen Studien, die belegen, dass Frauen tatsächlich anderes politisieren als Männer. Und bereits für eine Wahl oder Nichtwahl sei nicht das Geschlecht, sondern die Qualifikation und die Persönlichkeit ausschlaggebend. Eine Stadtpräsidentin sei heute «nichts Wahnsinniges mehr». Aber in jedem Fall sehr erfreulich: «Denn Frauen in Exekutivämtern sind noch immer stark unterrepräsentiert.» Und das vor allem in bürgerlichen Parteien.  

Arbeit und Familie vereinigen
Hess sagte bereits im Wahlkampf, dass sie nicht anders politisiere als ein Mann. Fast ein wenig entschuldigend nennt sie auf Nachfrage doch, auf was sie ein besonderes Augenmerk richten wird. «Nidauerinnen sollen Arbeit und Familie unter einen Hut bringen können.» Ansonsten, sagt Hess, werde sie hauptsächlich die Arbeit ihres Vorgängers fortführen.

Die grösste Änderung dürfte sich also nach den Nidauer Wahlen nicht durch eine Frau an der Spitze, sondern durch die veränderten Links-Rechts-Verhältnisse im Stadtrat ergeben. Hier gibt es neu eine klar bürgerliche Mehrheit (siehe Grafik unten). Seit Sonntag ist daneben aber klar, der Stadtbevölkerung spielt es keine Rolle, ob sie von einem Mann oder einer Frau regiert wird.

Nachrichten zu Biel »