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Kafipause

Bevor die Muse küsst, muss sie gekitzelt werden

Im persönlichen Blog berichten BT-Chefredaktor Bernhard Rentsch und Parzival Meister, stellvertretender Chefredaktor und Redaktionsleiter, abwechslungsweise wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen und gesellschaftlichen Leben – immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Bevor die Muse küsst, muss sie gekitzelt werden.

Bernhard Rentsch
  • Dossier

Kuno Lauener schildert uns mit seinen Züri West im Song «Göteborg» sehr schön, wie es ist, wenn uns die Muse zum falschen Zeitpunkt küsst. Er fährt im Auto zum Flughafen, als ihm ein Text in den Sinn kommt, den er aber in dieser Situation unmöglich aufschreiben kann. Die Gefahr ist gross, dass er ihn vergisst und später nicht mehr reproduzieren kann. Kuno Lauener schlägt vor, dass der Song bei anderen Künstlern anklopft, im Wissen, dass jede und jeder immer wieder um neue Ideen ringt.

Auch wir kennen es: Die Gedanken im Traum oder kurz vor dem Aufwachen sind die besten – sie sind dann aber einfach weg. Es bleiben die wirren Gedanken kurz vor dem Aufwachen, mit denen man häufig gar nichts anzufangen weiss. Auch kreative Ideen unter der Dusche oder beim Sporttreiben können nur schwierig festgehalten werden. Das Notizbüchlein, das beim Kochen, beim Putzen oder beim Spazieren ständiger Begleiter ist, hilft dagegen weiter. Das Bilden von unvergesslichen Eselsbrücken an Orten der «Eingebung» hilft, aber auch nicht immer.

Wann küsst uns die Muse? Zur Erinnerung: Die Muse ist eine Figur aus der griechischen Mythologie, die andere Menschen zu kreativen Leistungen anspornt oder inspiriert. Dann können wir also den Kuss der Muse auf Knopfdruck auslösen? Eben nicht. Wir alle kennen es: Wenn Ideen gefragt sind, haben wir eine Blockade – sei dies beim Schreiben, beim Zeichnen oder ganz einfach bei der Auswahl eines besonderen Weihnachtsgeschenks für die Liebsten.

Am ehesten begegnen wir der Muse also wie beschrieben, wenn wir nicht damit rechnen oder nicht bereit sind für neue Ideen. Das können wir ein wenig steuern. Bevor die Muse küsst, muss sie gekitzelt werden. Das schaffen wir durch Ablenkung oder durch Loslassen. Wenn das krampfhafte Suchen nach Ideen durchbrochen wird, geht häufig der Geist auf. Eine kleine Pause oder eine kurze Nebenbeschäftigung wirken dabei Wunder. Dass Ideen oder Projekte danach am besten im Team weiterentwickelt, diskutiert oder verworfen werden, ist bekannt. Hier geht es also einzig um den persönlichen Geistesblitz, der häufig am Anfang von Grossem steht.

Der Einstieg in eine Weiterbildung zum Thema Kreativität bewies dies vor Kurzem eindrücklich. Die Teilnehmenden der digitalen Konferenz waren zu Beginn etwas skeptisch, wie die Kursleiterin aus Berlin via Bildschirm zu Kreativität und neuen Ideen anregen sollte. Der kleine Trick zu Beginn löste die Stimmung und wirkte Wunder: Alle virtuell Anwesenden mussten innerhalb einer Minute mit Gegenständen, die gerade in Griffnähe waren, einen Turm bauen. Notizbücher, Handys, Kaffeetassen und Taschentücher wurden in der Eile aufeinandergeschichtet und es entstanden zehn wunderbare Türme. Das Eis zur kreativen Stunde war gebrochen.

brentsch@bielertagblatt.ch

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