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Biel

In Biel hat alles seine Ordnung

Stadtpräsident und Gemeinderat nehmen keine Bürgeranliegen entgegen. Das ist Sache der Verwaltung. Dies stösst einigen Petitionären sauer auf – denn anderswo ist das persönliche Entgegennehmen gang und gäbe.

Symbolcharakter: Sabine Rindlisbacher vom Elternrat des Schulhauses Mühlefeld hält einen Stapi aus Karton – diesem übergibt Otto Hostettler eine Petition. Die Petitionäre hätten ihr Anliegen gerne dem echten Erich Fehr übergeben, was in Biel nicht geht.og

Fabian Maienfisch

Was machen Sie als Bieler, wenn Sie etwas an Ihrer Stadt stört? Wenn Sie der Schuh drückt und schnell etwas geschehen sollte? Ein Anruf direkt bei der Verwaltung wäre eine Möglichkeit. Oder Sie könnten – öffentlichkeitswirksam – eine Petition lancieren und Unterschriften sammeln. Genau das taten die Mitglieder des Mühlefeldleists, des Quartiervereins Möösli und des Elternrates des Mühlefeld-Schulhauses. Innert zweier Monate sammelte die Gruppe 250 Unterschriften. Das Ziel: mehr Sicherheit für den Langsamverkehr und die Kinder.

Stolz erkundigte sich Otto Hostettler vom Bürgerkomitee bei der Fachstelle für Velo- und Fussverkehr in der Baudirektion, wem er denn die Unterschriften übergeben könne. Prompt meldete sich ein Mitarbeiter, der das Anliegen der Quartierbewohner entgegengenommen hätte. Und so hätte diese Geschichte hier enden können. Nur wurde dieser Mitarbeiter von ganz oben zurückgepfiffen – Bürgeranliegen würden einzig von der Stadtkanzlei entgegengenommen, hiess es bei der Stadt. Das stiess den Aktivisten sauer auf, und Otto Hostettler nahm mit dem Stadtpräsidenten persönlich Kontakt auf. Erich Fehr (SP) hingegen sieht in der städtischen Praxis kein Problem und versteht die ganze Aufregung nicht.

Spatenstich Ja, Petition Nein
Der Dialog zwischen Bevölkerung und Politik funktioniere in Biel sehr einseitig, sagt ein enttäuschter Otto Hostettler. «Ich stelle fest, dass Behördenmitglieder sofort zur Stelle sind, wenn es darum geht, einen Spatenstich zu vollziehen, ein Band zu durchschneiden oder eine 1.-August-Rede zu halten.» Auf der anderen Seite lehne es der Gemeinderat aber aufgrund von angeblichen Behördenabläufen ab, Bürger mit einem Anliegen zu empfangen, ärgert er sich.

Im Gegensatz zu anderen Städten ist in Biel die Entgegennahme von Bürgeranliegen wie Petitionen oder Initiativen genau geregelt. Zuständig ist immer die Stadtkanzlei. «Für mich entbehrt es nicht einer gewissen Symbolik, wenn Gemeinderäte Anliegen der Bevölkerung nicht persönlich entgegennehmen», sagt Hostettler weiter.

Laut der Stadtschreiberin Barbara Labbé ist dies so, weil die Kanzlei die Bürgerbegehren zuerst für den Gemeinderat aufarbeitet und die zuständige Direktion ausmachen muss. Oft seien die Anliegen direktionsübergreifend, so Labbé. Anschliessend wird das Anliegen in den Direktionen geprüft und eine Antwort ausgearbeitet. «Jede Petition wird aber vom Gemeinderat beantwortet», hält die Stadtschreiberin fest.

«Niemanden bevorzugen»
Szenenwechsel. Letzte Woche vor der Stadtkanzlei: Das Bürgerkomitee rund um Otto Hostettler wartet auf Einlass, um die Petition übergeben zu können. Es wird diskutiert, hie und da hört man ein kritisches Wort. Man werde nicht ernst genommen, so der Tenor in der Gruppe.
Dieser Ansicht widerspricht der Stadtpräsident am Telefon vehement. «Wer der Kanzlei eine Petition übergibt, übergibt sie damit dem Gemeinderat», sagt Erich Fehr. Denn dieser trage die politische Verantwortung. Er könne schon verstehen, dass die Bürger gerne mit einem Gemeinderat sprechen möchten, fährt Fehr fort. Im Sinne der Gleichbehandlung aller Komitees verhalte sich der Gemeinderat aber zurückhaltend, «wir wollen niemanden bevorzugen». Weiter verweist Fehr auf die Praxis bei Bund und Kanton – auch dort werden Bürgerbegehren von der Kanzlei entgegengenommen.

Auf Gemeindeebene allerdings wird die Entgegennahme von Bürgeranliegen nicht einheitlich gehandhabt. Dazu Hostettler: «Es gibt eine Vielzahl von Ortschaften quer durch die Schweiz, die ein offenes Ohr für die Anliegen der Bürger haben.»

Tschäppät und Co. sind dabei
Das BT hat sich umgehört. In Bern wird die Entgegennahme von Petitionen, Initiativen und Referenden sehr unterschiedlich gehandhabt. Wenn die Petitionäre es ausdrücklich wünschten und es die Zeit erlaube, dann komme es schon vor, dass Stadtpräsident Alexander Tschäppät persönlich ein Anliegen entgegennehme, sagt der Berner Stadtschreiber Jürg Wichtermann. Dabei handle es sich natürlich um eine symbolische Übergabe, die zeigen solle, dass die Stadt die Sorgen der Bürger ernst nehme.

In Grenchen ist es ebenfalls oft Stadtpräsident Boris Banga, der Petitionen entgegennimmt, so Stadtschreiberin Luzia Meister. Es sei ein Zeichen des Respekts: «Die Leute geben sich Mühe und inszenieren dann die Übergabe.» Und im Normalfall gehe das ganze Prozedere ja nicht so lange, sagt Meister weiter. Auch in Lyss oder Solothurn ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Gemeinde-, beziehungsweise der Stadtpräsident, eines Begehrens der Einwohner höchst persönlich annimmt. Wenn man einen Termin findet, steht dem nichts im Weg.

Karton-Fehr ist anwesend
In diesem Sinne macht Otto Hostettler seinem Stapi einen Vorschlag: Man möge in Biel doch diesen alten Zopf abschneiden. «Ich bin überzeugt, das Lob von Seiten engagierter Bürger wäre Ihnen sicher», sagt er an die Adresse von Fehr. Doch die Exekutive will weiterhin neutral bleiben und erteilt dem Ansinnen eine Absage.

Schliesslich nimmt die ganze Geschichte doch noch einen erfolgreichen Abschluss. Anstelle des echten Erich Fehrs nehmen sein Pendant aus Karton und Stadtschreiberin Labbé die Petition entgegen. «Frau Labbé behandelte uns sehr zuvorkommend, wir fühlten uns von ihr durchaus verstanden», gibt sich Hostettler versöhnlich. Dem stimmen auch seine Mitstreiter unisono zu. Und es scheint, als bewege sich etwas: Einen Tag nach der Übergabe erhalten die Aktivisten eine schriftliche Bestätigung ihrer Eingabe. «Das finde ich sehr professionell», freut sich Hostettler.

 

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Eine äusserst gefährliche Passage

«Sehr gefährlich.» So beschreibt Stephanie Lebet vom Mühlefeldleist die Situation beim Kreisel Portplatz und Brüggstrasse. Dem Langsamverkehr sei die momentane Verkehrsführung dort nicht länger zuzumuten. Darum fordern sie und zahlreiche Mitunterzeichner in einer Petition die Stadt auf, Massnahmen zu ergreifen, um die prekäre Lage zu entschärfen. So seien mit dem zunehmenden Verkehrsaufkommen der letzten Jahre die SBB-Brücke und der Mündungsbereich Friedhof Madretsch zu einer äusserst gefährlichen Passage geworden. Das Hauptproblem: Obwohl die Platzverhältnisse auf der Brücke Überholmanöver nicht zulassen und eine ausgezogene Sicherheitslinie dies auch verbietet, ignoriert laut Petitionären eine Vielzahl von Fahrzeuglenkern diese Vorschrift. Radfahrer werden dadurch immer wieder in äusserst gefährliche Situationen versetzt. Die SBB-Brücke sei für Velofahrer aber eine wichtige Verbindung vom Möösli-Quartier ins Stadtzentrum. Mögliche Verbesserungsansätze sehen die Petitionäre in einer verbesserten Signalisation, in besser sichtbaren Sicherheitslinien oder in einer Temporeduktion. Als Leist habe man mit dem Schreiben seine Aufgabe erfüllt, jetzt sei die Stadt an der Reihe, sagt Lebet. «Ich hoffe, die Behörden haben ein offenes Ohr.»

Kommentare

Dvoji05

sient so aus als möchte herr hostettler alle abläufe diktieren. alle erklärungen, damit er es versteht, ignoriert er einfach von vornherein. ich finde er hat das mit der petition super gemacht, dass ist sein recht. jedoch das weitere vorgehen liegt nicht in seiner kompetenz. für mich unverständlich, dass er die grenzen seiner kompetenzen nicht einsieht. er müsste nich gar nicht so aufregen, wenn er es versuchen würde zu verstehen. wozu eigentlicht dieser artikel? gibt es wirklich nichts wichtigeres zu berichten?


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