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Betäubungsmittel

Biel nimmt Cannabis-Pilotprojekt in Angriff

Kommende Woche treffen sich Vertreter der Stadt Biel und Fachleute zu einer ersten Sitzung in Sachen Cannabis-Pilotprojekt. Während es den Befürwortern zu schleppend vorangeht, befürchtet die Polizei eine Zunahme an Kriminalität.

Geht das «Gras» in der Schweiz schon bald legal über den Ladentisch, so wie in Teilen der USA? Dieser Frage geht man auch in Biel nach. Keystone

von Patrick Furrer

«In Biel guten Hanf oder Hasch aufzutreiben, ist nicht schwierig. Willst du Cannabis kaufen, geh einfach in die Altstadt. Es gibt sogar besseres Marihuana als in Amsterdam.» Diese Bewertung auf der Internetseite «marijuanatravels» lässt vermuten, wie stark die Kifferszene in Biel auch Jahre nach der Blütezeit mit ihren unzähligen Hanfläden noch ist.

Im letzten Jahr hat die Polizei rund zwanzig Indoor-Anlagen auf Stadtgebiet sichergestellt. Ausser in Bern ist die Polizei nirgends so viel mit Hanfdelikten konfrontiert wie in Biel und seiner Umgebung. Das zeigt die Betäubungsmittelstatistik. Über 2000 Straftaten wurden 2014 für Biel registriert. Die Zahlen sind rückläufig, aber nach wie vor hoch (siehe Zweittext).

Rahmenbedingungen prüfen

2014 wurde im Bieler Stadtrat ein dringliches überparteiliches Postulat überwiesen, damit sich der Gemeinderat für ein Pilotprojekt zur kontrollierten, legalen Abgabe des grünen Krautes engagiert (das BT berichtete). Elf Monate später kommt nun langsam Bewegung in die Sache: Kommende Woche treffen sich Vertreter der Direktion Soziales und Sicherheit (DSS), der Kantonspolizei und weiteren Fachkreisen zu einer Startsitzung und ersten Auslegeordnung, wie Gemeinderat Beat Feurer (SVP) bestätigt. Dabei würden die spezifischen Rahmenbedingungen Biels im Hinblick auf ein Konzept diskutiert.

Biel ist nicht allein: In der nationalen Debatte um das Pilotprojekt, dessen langfristiges Ziel die Legalisierung von Cannabis ist, hat sich nach Bern im März kürzlich das Basler Parlament ebenfalls für eine kontrollierte Abgabe ausgesprochen. Im Hinblick auf die Nationalratswahlen sympathisieren auch Mitteparteien mit einer Entkriminalisierung. Die Schweizer Piratenpartei hat für ihre Legalisierungs-Petition seit Anfang August knapp 2800 Unterschriften gesammelt. Den «Piraten» geht es gemäss eigenen Angaben in den Städten zu wenig schnell. Am meisten Vorarbeit geleistet hat die Stadt Genf, die nach dem Vorbild der spanischen «Cannabis Social Clubs» ein Pilotprojekt durchführen will. Die Idee stösst beim Bund allerdings auf Vorbehalt und Kritik (siehe Infobox).

Jungpolitiker unzufrieden

Dass man in Biel zum Schluss kommen wird, ebenfalls das Prinzip von «Social Cannabis Clubs» zu verfolgen, ist deshalb ziemlich unwahrscheinlich. Auch von der Idee einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit anderen Städten sei man inzwischen abgekommen, sagt Beat Feurer. «Die Thematik wird nun in den Regionen bearbeitet.» Gemäss Feurer macht das Sinn, weil die Rahmenbedingungen oft unterschiedlich seien. Kommt hinzu, dass Beobachtern zufolge die Chancen für Pilotprojekte grösser sind, wenn sie zuerst an einem Ort getestet werden. Würden mehrere Städte gleichzeitig auf den Bund zugehen, könnte dies für die Cannabis-Befürworter kontraproduktiv sein.

Ungeduldig sind die Bieler Jungsozialisten, die vor über einem Jahr eine Petition mit mehr als 1000 Unterschriften bei der Bieler Stadtkanzlei einreichten. Dass man sich ein Jahr später erst zur Startsitzung trifft, bezeichnet Juso-Bielingue-Sprecher Juliàn Rodrigues als «doch recht schleppend». Er nehme zwar an, dass die Gemeinderäte ihren Auftrag erfüllen werden, aber mit dem Tempo ist Rodrigues nicht zufrieden, zumal der Gemeinderat eine jährliche Berichterstattung versprochen hat.

Etwas anderer Meinung ist Stadtrat Max Wiher von den Grünliberalen, der sich an vorderster Front für eine Legalisierung von Cannabis einsetzt. «Manchmal braucht es einfach ein wenig mehr Geduld und vielleicht auch mehrere Anläufe».

Polizei hat Vorbehalte

An der Sitzung von kommender Woche wird auch Raymond Cossavella, Chef der Polizei Biel anwesend sein. Cossavella hat die Hanfpolitik der letzten drei Jahrzehnte unter anderem als Drogenfahnder mitverfolgt. Die Polizeiarbeit habe sich seit der Gesetzesrevision im Hanfbereich 2011 vereinfacht, sagt er (siehe Zweittext). Eine Legalisierung oder auch schon ein Pilotprojekt könne hingegen zu mehr Kriminalität führen, weil Biel für die Szene wieder attraktiver würde.

Ein definitiver Entscheid ist nicht vor Ende Jahr zu erwarten. Dennoch wird sich das Engagement für eine Cannabis-Entkriminalisierung in Biel nicht einfach in Rauch auflösen. Beat Feurer sagt: «Wir verfolgen das Thema weiter.» Bereits auf die Petition der Juso hatte sich der Gesamtgemeinderat vorsichtig für ein Projekt ausgesprochen.

 


* Noch keine Eingabe

Fraglich ist nach wie vor, ob das schweizerische Gesetz Ideen wie ein Pilotprojekt zur Abgabe von Cannabis zulässt.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist kritisch, auch wenn gemäss Mediensprecherin Mona Neidhard eine abschliessende Beurteilung noch nicht möglich ist. «Diese können wir erst vornehmen, wenn uns ein detailliertes Konzept vorgelegt wird.»
Noch hat keine Stadt ein konkretes Projekt eingegeben. Was die Projektskizze Genfs betrifft, ist das BAG gemäss Neidhard aber der Ansicht, dass sich ein Cannabis-Club in dieser Form nicht mit dem Betäubungsmittelgesetz vereinbaren lasse.
 fup

Kommentare

programme

Eine interessante Diskussion. Keiner sollte denken, Cannabis wäre harmlos. Doch das gleiche gilt auch für legale (harte) Drogen wie Alkohol und Zigaretten. Heute können Alkohol- und Nikotinabhängige ganz legal und vor allem ohne Schande Hilfe suchen. Dies ist für Cannabis nicht der Fall. Vieleicht würde der eine odere andere das gerne tun. Eine andere Tatsache - als Bieler muss man da keine Statistiken lesen - ist, dass die Menschen die kiffen wollen einfach kiffen. Jungendliche, Erwachsene, Väter, Mütter, Pöstler, Künstler, Bänker, Reiche, Arme. 100 Jahre Prohibition haben das nicht geändert. Wie auch für Alkohol in den 1920er Jahren hat die Kriminalisierung in den USA begonnen und hört am gleichen Ort auch langsamm wieder auf. War on drugs funktionniert eben niergends. Das muss man in der Schweiz auch erkennen und nach Alternativen suchen. Es wenigstens ausprobieren.


Max Wiher

@ serena20 (Dumm, dümmer am dümmsten! Gibt es ausser diesen drei Bieler Regierenden, noch andere Kategorien? Wenn ja, sind diese in Minderheit'): Das Postulat 'Städtischer Cannabis Pilotversuch' wurde von Mitgliedern aller Fraktionen (glp, Grüne, SP, FDP, BDP & SVP) unterzeichnet, von einer Minderheit kann also keine Rede sein - ganz im Gegenteil! Die überwältigende Mehrheit im Stadtrat befürwortet eine undogmatische und sachliche Drogenpolitik, welche auf Fakten beruht - und genau um diese Fakten zu sammeln, dient dieser Pilotversuch. Dummheit stelle ich mit Unwissenheit gleich und genau dagegen richtet sich dieser Versuch.


Biennensis

Man kann sich das natürlich schönreden und von einem Konsum sprechen. Warum befinden sich dann unter Patienten mit Persönlichkeitsstörungen überdurchschnittlich viele Kiffer? Auch in Therapien mit Straftäter ist der Konsum von Hanf ein absolutes NO-GO! Cannabis dient auch als beliebte Einstiegsdroge für den Konsum härterer Drogen. Wie soll ich ihre verharmlosenden Schönredner jetzt verstehen? Frage: „Ist der Konsum von Hanf mit seinen Nebenwirkungen nur dann eine Lüge, wenn der Lügner (Konsument) selbst nicht an sie glaubt… (?)“


Peter Steiger

Endlich wieder mal eine vernünftige Idee...


mikeschwede

Apropos Fakten: Kommentatoren, die Angst vor der Droge Cannabis haben, sollten sich logischerweise vehement für ein Verbot von Alkohol einsetzen. Laut Studie die gefährlichste Drogen von allen (Fremd- und Eigenschaden): http://hanfverband.de/sites/hanfverband.de/files/images/aktuell/drogengefahr_nach_nutt.png


mikeschwede

Eine Polizei hat nichts zu "befürchten", sondern hat sich an Fakten und Studien zu orientieren. Das hier ist doch keine Generalversammlung des Strickclubs! Durch die Legalisierung von Cannabis in Coloroda ist die Kriminalitätsrate innerhalb weniger Monate um 10% gesunken. Und auch hier gab es riesen "Befürchtungen", welche natürlich auch ohne jeglicher Fakten zustande kamen. Zudem hat der Bundesstaat 40 Mio. $ Steuergelder eingenommen und die Kosten für die Strafverfolgung konnten je nach Studie zwischen 12 und 60 Mio $ gesenkt werden. Was eine Legalisierung in Biel bedeutet, muss getestet und gemessen werden und nicht "befürchtet"!


Biennensis

Willkommen in Hanf-City - dazu werden beiden Beile im roten Bieler Wappen durch zwei grüne Hanfblätter ersetzt!


serena20

Dumm, dümmer am dümmsten! Gibt es ausser diesen drei Bieler Regierenden, noch andere Kategorien? Wenn ja, sind diese in Minderheit'


Boezinger

Wieder typisch Biel! Wenn's um Schnapsideen geht, sind wir immer ganz vorne. Das passt zur Solzialquote, zum Nacktperforming u.v.a.m.


adalia

Was für eine absurde Idee , die Legalisierung voranzutreiben . Menschen mit Cannabis im Kopf sind - anhand meiner gemachten Beobachtungen , unklarer im Kopf - und wenn ihr Körper Cannabis benötigt , haben sie sich weniger stark im Griff , sind laut und fahrig und scheinbar unangemessen auffällig... . Eben eine Droge mit Sucht .!! Und Drogen sollten Vehement bekämpft werden .


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