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Behandlungskosten

Bieler Arzt ist vorerst aus dem Schneider

Ein Bieler Hausarzt hätte den Krankenkassen über eine halbe Million Franken zurückzahlen sollen. Nach einer Intervention des Bundesgerichts und einer Neuberechnung der Kosten bleibt ihm dies nun wohl erspart.

Der Bieler Arzt macht viele Hausbesuche und betreut alte Personen in Heimen. Symbolbild: Keystone

Hans Ulrich Schaad

Es war eine gesalzene Rechnung, die das Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten im Sommer 2018 einem Bieler Arzt aufbrummte. Das Gremium hatte damals eine Klage von Santésuisse gutgeheissen.

Der Krankenkassenverband warf dem Arzt vor, seine Patientinnen und Patienten unwirtschaftlich behandelt und überdurchschnittlich hohe Kosten verrechnet zu haben. Deshalb sollte er für die Rechnungsjahre 2014 und 2015 den Kassen insgesamt rund 570 000 Franken zurückerstatten.

Im Herbst 2018 trat der Arzt an die Öffentlichkeit. Er wehrte sich gegen den happigen Vorwurf und die Rückforderungen. Seine hohen Kosten seien erklärbar. Er mache viele Hausbesuche und begleite schwer kranke Menschen bis zum Tod. Ausserdem leiste er keinen Notfalldienst, sei aber für seine Patientinnen und Patienten auch ausserhalb der offiziellen Praxiszeiten erreichbar.

Diese Besonderheiten seien beim statistischen Vergleich seiner Kosten mit jenen anderer Hausarztpraxen vom Schiedsgericht nicht berücksichtigt worden, kritisierte er. Der Bieler erhob Beschwerde beim Bundesgericht.

Hoher Anteil an älteren und ausländischen Personen

Wie erst jetzt bekannt wurde, hat ihm das Bundesgericht bereits im April 2019 recht gegeben. Die Lausanner Richter anerkannten, dass bei ihm eine Praxisbesonderheit vorliege. Nicht nur wegen der vielen älteren Patientinnen und Patienten, sondern auch wegen des hohen Anteils von ausländischen Personen in seiner Praxis.

Das sei tendenziell aufwendiger und kostenintensiver, legte das Bundesgericht dar und schickte den Fall zurück nach Bern. Bei der Ermittlung der Rückforderung müsste diesen Besonderheiten Rechnung getragen werden. Sie seien noch ungenügend abgeklärt.

Eine nächste Forderung der Krankenkassen

Nun hat das kantonale Schiedsgericht seinen revidierten Entscheid veröffentlicht. Dabei ging es nicht nur um die Jahre 2014 und 2015. Santésuisse hatte inzwischen eine weitere Rückforderungsklage gegen den Arzt fürs Rechnungsjahr 2016 eingereicht. Dabei ging es um einen provisorischen Betrag von gut 70 000 Franken. Dieses Verfahren war wegen des hängigen Bundesgerichtsentscheids vorläufig sistiert worden.

Der Bieler Arzt lag ohne Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten über dem statistischen Toleranzwert, der angibt, ob ein Mediziner wirtschaftlich behandelt. Das Schiedsgericht hatte nun die Aufgabe, diese Besonderheiten konkret zu definieren und abzuschätzen, wie sich diese auf die Kostenstruktur der Praxis auswirken.

Das Schiedsgericht verlangte zwar zusätzliche Patientenunterlagen vom Arzt und den Krankenkassen. Doch eine detaillierte Einzelfallprüfung mit repräsentativen Rückschlüssen zur Statistik hätte den Rahmen des Verfahrens gesprengt, führte das Schiedsgericht aus.

Neue Methode 
als Anhaltspunkt

Ins Spiel kam deshalb die neue und viel detailliertere Screening-Methode. Sie wird seit 2018 angewandt und unterscheidet Patientengruppen besser. Hier spielen neben dem Alter und dem Geschlecht zusätzliche Faktoren hinein wie Morbiditätsfaktor, Verschreibung von gewissen Medikamenten, Franchisen und Spitalaufenthalte im Vorjahr.

Die neue Methode durfte zwar für die fraglichen Rechnungsjahre nicht rückwirkend angewandt werden. Aber sie lieferte Anhaltspunkte, um die Bedeutung der Praxisbesonderheiten besser einschätzen zu können.

Dabei stellte sich heraus, dass diese einen «namhaften und zu berücksichtigenden Effekt» ausmachen. Der Wert liegt laut dem Schiedsgericht zwischen 17 und 27 Indexpunkten, wobei er nicht «kommagenau» ermittelt werden könne. Es schlug deshalb in diesem Fall auf den Toleranzwert von 130 noch 20 Punkte für die Bieler Praxis drauf.

Kosten bleiben innerhalb
der Toleranz

Mit dieser neuen Berechnung blieb der Arzt nun unterhalb der Schwelle der Überarztung. Das Schiedsgericht wies die Klage von Santésuisse ab, es wird keine Rückzahlung fällig. Wobei das Schiedsgericht anmerkte, dass die «hohe Anzahl Hausbesuche Fragen aufwirft».

Das Urteil des Schiedsgerichts ist nicht rechtskräftig. Santésuisse hat noch nicht entschieden, ob beim Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht wird. Der Entscheid müsse noch im Detail analysiert werden, schreibt die Pressestelle.

Der Arzt will zu der Sache keine Stellung nehmen, solange kein rechtskräftiges Urteil vorliegt.

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