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Krankenkassen

Bieler Hausarzt hat nicht zu teuer behandelt

Der Fall zog sich über Jahre hin und wurde durch viele Instanzen gezogen. Es ging um über eine halbe Million Franken, die die Krankenkassen forderten. Nun ist der Arzt vollständig entlastet worden.

Symbolbild: Keystone

Hans Ulrich Schaad

Es ging um viel Geld, sehr viel Geld. Über eine halbe Million Franken sollte ein Hausarzt aus Biel verschiedenen Krankenkassen zurückzahlen. Die rund 30 Kassen, vertreten von Santésuisse, hatten gegen den Mediziner geklagt, weil er seine Patientinnen und Patienten in den Jahren 2014 und 2015 nicht wirtschaftlich behandelt haben soll. Die verrechneten Kosten seien überdurchschnittlich hoch, lautete der Vorwurf. Das zuständige kantonale Schiedsgericht entschied im Juni 2018 zugunsten von Santésuisse.

Erfolgreicher Umweg übers Bundesgericht

Seither kämpfte der Hausarzt gegen diese hohen Rückforderungen von rund 560 000 Franken. Dieser Kampf ist nun definitiv zu Ende – und zugunsten des Arztes ausgegangen.

Der entscheidende Etappensieg war im April 2019. Damals hiess das Bundesgericht seine Beschwerde gut. Das Schiedsgericht habe die Praxisbesonderheiten zu wenig berücksichtigt, legte das Bundesgericht dar. Der Arzt betreue alte und schwer kranke Personen, mache viele Hausbesuche. Zudem seien unter den Patientinnen und Patienten viele ausländischer Herkunft. Das sei tendenziell aufwendiger und kostenintensiver. Damit sei der Vergleich mit anderen Ärzten nur bedingt möglich. Diese Besonderheiten seien von der kantonalen Instanz noch zu wenig abgeklärt worden.

Der Fall ging zurück ans kantonale Schiedsgericht, das die Rückforderungsklage neu beurteilen und diese Besonderheiten berücksichtigen musste. Im letzten August kippte das Schiedsgericht seinen früheren Entscheid und wies die Klagen ab. Der Arzt hat keine zu hohen Rechnungen gestellt, die Rückforderungen sind nicht berechtigt. Dabei ging es noch um eine weitere Klage von Santésuisse. Für 2016 hatte der Verband weitere gut 70 000 Franken eingeklagt.

Kein juristischer Streit wegen veralteter Vergleichsstatistik

Bei den neuen Berechnungen folgte das Schiedsgericht den Anweisungen aus Lausanne. Es konnte die Praxisbesonderheiten nicht aufs Komma genau ermitteln. Es gewährte einen Zuschlag von 20 Indexpunkten. Mit dieser Korrektur blieb der Bieler Arzt innerhalb der Toleranz, die Schwelle zur Überarztung war nicht überschritten.

Der Entscheid ist mittlerweile rechtskräftig. Santésuisse verzichte auf eine Beschwerde vor Bundesgericht, erklärt Matthias Müller, Leiter Kommunikation, auf Anfrage. Es sei aber wichtig gewesen, dass der Sachverhalt gerichtlich beurteilt worden sei. Denn die ausserordentlich hohen Kosten zulasten der Versicherten hätten Santésuisse zu diesem Schritt gezwungen.

Müller weist darauf hin, dass der vorliegende Fall noch auf einer alten statistischen Vergleichsmethode gründe. Diese ist zwischenzeitlich gemeinsam mit der Ärztegesellschaft FMH weiterentwickelt und präzisiert worden. Sie berücksichtige die Besonderheiten einer bestimmten Praxis besser und halte der richterlichen Beurteilung stand, wie Fälle in der jüngeren Vergangenheit gezeigt hätten. «Wir möchten keine veraltete Methodendiskussion juristisch weiterführen», betont Matthias Müller. Das würde die Ressourcen von allen unverhältnismässig stark belasten.

Die neue Methode durfte für die Rechnungsjahre 2014 und 2015 zwar nicht angewandt werden. Doch sie lieferte Hinweise darauf, dass die Praxisbesonderheiten des Bieler Arztes einen «namhaften und zu berücksichtigenden Effekt» ausmachen.

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