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Bieler Wahlen

Bieler Stadtpräsidium wird von drei Seiten angegriffen

Stadtpräsident Erich Fehr (SP) erhält Konkurrenz: Neben Gemeinderat Beat Feurer (SVP) wollen auch die Stadträtinnen Sandra Gurtner-Oesch (GLP) und Titus Sprenger (Passerelle) das Präsidium.

Sozialdirektor Beat Feurer (SVP) hat sich erst am vergangenen Freitag entschieden, für das Stadtpräsidium zu kandidieren. Er ist davon überzeugt, dass sowohl die Sozial- als auch die Präsidialdirektion von einem Wechsel profitieren würde. Mattia Coda
Hannah Frei
 
Die Kandidatinnen und Kandidaten für die Bieler Wahlen am 27. September stehen fest: Für den 60-köpfigen Stadtrat sind es 364 Frauen und Männer auf 14 Listen, für die fünf Gemeinderatssitze 21 auf 5 Listen. Im Vergleich zu den letzten Wahlen 2016 sind das 22 Kandidierende mehr. Die Frist für die Wahlvorschläge ist gestern Mittag abgelaufen, zwei Stunden später zog Vize-Stadtschreiber Julien Steiner die Lose für die Zuteilung der Ordnungsnummern für die Listen (siehe Infobox).
 
Auch fürs Präsidium haben bis gestern vier Personen ihre Kandidatur bekannt gegeben: Neben Stadtpräsident Erich Fehr (SP) liessen sich Gemeinderat Beat Feurer (SVP) sowie die Stadträte Sandra Gurtner-Oesch (GLP) und Titus Sprenger (Passerelle) für die Wahl aufstellen.
 
Feurer wünscht sich Amtszeitbeschränkung
Anders als die Passerelle, die Sprengers Kandidatur fürs Präsidium bereits Anfang Juni bekannt gab, kommunizierten die SVP und die Liste Vereinte Mitte, zu der auch die GLP gehört, spät. Feurers Kandidatur wurde am Sonntag bekannt gegeben, die von Gurtner-Oesch erst gestern Vormittag, also kurz vor Ablauf der Frist für die Einreichung der Wahlvorschläge.
 
Feurer fällte den Entscheid erst am Freitag zuvor. Die SVP habe ihn zwar schon vor mehreren Monaten angefragt, doch für die definitive Zusage habe er sich Zeit gelassen, etliche Gespräche mit Parteikollegen, Bekannten und seinem Partner geführt. «Es war ein langer Reifungsprozess», sagt er. Denn würde Feurer zum Präsidenten gewählt, müsste er die Sozialdirektion, die er in den letzten acht Jahren geführt und weiterentwickelt hat, verlassen. «Das würde mir schwerfallen.» Und doch entschied er sich schliesslich für die Kandidatur. Feurers Hauptargument: «Jede Direktion profitiert davon, wenn sie nach acht Jahren einen neuen Vorsteher erhält.» Es bestehe die Gefahr der Betriebsblindheit, einer Eigendynamik, die eine Direktion behindern könne. Würde Feurer zum Präsidenten gewählt, würde er sich für eine Amtszeitbeschränkung für das Amt als Stadtpräsident einsetzen.
 
Die Präsidialdirektion sieht Feurer nicht auf der übergeordneten Hierarchiestufe, sondern auf derselben Ebene wie die anderen gemeinderätlichen Direktionen. Diese sollen durchlässig, die Zusammenarbeit effizient sein. «Der Sitz des Präsidenten soll nicht zum Thron werden», sagt Feurer.
 
Er trete jedoch nicht mit der Meinung an, es grundsätzlich besser zu machen als Erich Fehr. «Ich kann heute sagen, dass ich grosse Achtung vor seiner Arbeit habe. Aber nach zehn Jahren im Amt ist nun der Zeitpunkt gekommen, ihn als Stadtpräsident abzulösen und seine Begabungen als gewählter Gemeinderat in einer anderen Direktion zur Geltung kommen zu lassen.»
 
Besonders jetzt mit der Coronapandemie brauche es einen schlanken Staat, ein schlankes Biel, das sich aufs Wesentliche konzentriere. Diese bürgerliche Sicht sei wichtig, um die grossen wirtschaftlichen Herausforderungen in den kommenden Jahren zu stemmen.
 
Seine Chancen fürs Präsidium seien schwer abzuschätzen. Dass er bei den Wahlen vor vier Jahren das beste Resultat im Gemeinderat machte, müsse für die diesjährigen Wahlen nichts bedeuten. «Es wird eine Herausforderung. Biel ist eine tendenziell linke Stadt.» Wichtig sei jedoch, dass die Bevölkerung eine Alternative habe und ein lebendiger Wahlkampf durchgeführt werden könne. Deshalb begrüsst er auch die Kandidatur von Sandra Gurtner-Oesch.
 
Gurtner-Oesch will keine Wahl nur unter Männern
Die Kandidatur der GLP-Frau war bis kurz vor Ablauf der Frist gestern Mittag noch nicht in Stein gemeisselt. Die Bieler Betriebswirtschafterin hat den Entscheid der SVP und der FDP für eine allfällige Kandidatur abgewartet. Hätten sie eine Frau ins Rennen geschickt, wäre Gurtner-Oeschs Entscheid vielleicht anders ausgefallen. «Das Teilnehmerfeld wäre rein männlich gewesen. Da hätte was gefehlt. Wenn wir die 50 Prozent Frauen in Biel auch wirklich vertreten wollen, müssen wir Frauen uns auch für die Wahlen aufstellen lassen», sagt sie. 
 
Hätte beispielsweise PRR-Gemeinderätin Silvia Steidle das Präsidium angegriffen, wäre sie wohl nicht angetreten. Einer bisherigen Gemeinderätin hätte sie den Rang nicht streitig machen wollen, so Gurtner-Oesch.
 
Grundsätzlich ist die 48-Jährige jedoch davon überzeugt, dass sie frischen Wind in die Präsidialdirektion bringen würde. Wie Feurer wünscht auch sie sich einen Wechsel im Präsidium. Schliesslich wisse man auch aus der Wirtschaft, dass jede Führungskraft eine Halbwertszeit habe. Und besonders jetzt, wo die Klimakrise und die Coronakrise aufeinandertreffen, sei eine klare Linie nötig. «Ich bin klar grüner als Fehr und bringe ein breites Erfahrungspaket aus der Wirtschaft mit», sagt sie. Als Geschäftsführerin von Profawo Bern, einem Betrieb für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ist sie für mehr als 100 Angestellte zuständig.
Ihre Chancen auf das Präsidium bezeichnet sie als «durchaus intakt».
 
Sprenger will Partizipation der Bevölkerung fördern
Die Chancen von Stadtrat Titus Sprenger scheinen hingegen vergleichsweise klein. Zwar ist er zusammen mit Dana Augsburger-Brom bei den Gemeinderatswahlen Spitzenkandidat der Passerelle, aber anders als Feurer und Gurtner-Oesch vertritt er die Haltung einer der kleinsten Parteien in der Bieler Politik. Zudem bringt er weniger politische Erfahrung mit als die anderen beiden. Im März 2018 rückte er in den Stadtrat nach.
 
Sprenger sieht seine Kandidatur trotzdem nicht aussichtslos. Wahlen seien immer unberechenbar. «Vielleicht haben die Wählerinnen und Wähler genug von den bekannten Köpfen», sagt er.
 
Als Präsident würde er die Partizipation der Bevölkerung stärker miteinbeziehen. Zudem müsse die Stadt in den Bereichen Digitalisierung, Transparenz und Reaktionszeit einen grossen Schritt vorwärtsmachen, um den künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein, so der Wirtschaftsinformatiker.
 
Vor etwa einem Monat sagte Sprenger noch, er werde nicht mehr für den Stadtrat kandidieren. Im Parlament gebe es zu viele Grabenkämpfe und zu wenig Platz für Sachpolitik. Nun hat er sich jedoch umentschieden und tritt trotzdem für alle drei Ämter an. 
 
Er glaubt, dass sich die Zusammensetzung im Stadtrat bei den diesjährigen Wahlen stark verändern könnte. «Ich hoffe, dass der Stadtrat weiblicher, grüner und jünger wird. Dann würde die Parlamentsarbeit auch wieder Freude machen», sagt er.
 
Bis zu den Wahlen im September könnte die Liste der Kandidierenden für das Präsidium noch erweitert werden. Grundsätzlich können alle der 21 Kandidierenden für den Gemeinderat auch für das Stadtpräsidium gewählt werden. Dazu benötigt es keine Bekanntgabe.
 

Die Liste für die Wahlen am 27. September

 
Listen Stadtrat:
Liste 1: Du stimmst
Liste 2: SVP – Die Eidgenossen
Liste 3: FDP – Die Liberalen Biel/Bienne
Liste 4: JUSO – Junge Linke
Liste 5: Passerelle – ökologisch, sozial, unabhängig
Liste 6: Grünliberale (GLP)
Liste 7: Vereinte Mitte
Liste 8: Grüne / junge Grüne und Gewerkschaften
Liste 9: Evangelische Volkspartei (EVP)
Liste 10: Les Radicaux Romands (PRR)
Liste 11: SP und Gewerkschaften
Liste 12: Parti Socialiste Romand (PSR) et syndicats
Liste 13: Eidgenössische-Demokratische Union (EDU)
Liste 14: Partei der Arbeit (PdA)
 
Listen Gemeinderat:
Liste 1: Bienne solidaire – die rot-grüne Kraft
Liste 2: SVP – Die Eidgenossen
Liste 3: Passerelle – ökologisch, sozial, unabhängig
Liste 4: Vereinte Mitte
Liste 5: Die Liberalen
 
Kandidaturen Stadtpräsidium (Stand 13. Juli):
Erich Fehr (SP)
Beat Feurer (SVP)
Sandra Gurtner-Oesch (GLP)
Titus Sprenger (Passerelle)
haf

 

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