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Brasiliens Strassen sind anders

Wer lange auf Brasiliens Strassen herumfährt, dem werden früher oder später der Verkehr, die Strassen, die Beschilderung und natürlich die Landschaft auffallen.

Überholverbot und doppelte Sicherheitslinie: Brasilianische Lastwagenfahrer kümmern sich nicht um Verbote. Bild: zvg
  • Dossier

Bruno Furer

Zuerst etwas zur der Landschaft Brasiliens. Diese besteht zu fast 90 Prozent aus Hügeln. Die einzigen flachen Stellen sind Fussballplätze. Die bekannte Skyline von Rio mit Zuckerhut und Christo setzt sich so durch fast ganz Brasilien fort. Viele der Hügel haben es in sich, eine Steigung, die nicht aufhört und natürlich die dazu gehörende Abfahrt und dazu viele Kurven. Im Süden ist die Landschaft sehr grün und es kommen noch grosse bewaldete Gebiete vor. In dieser Gegend kann es durchaus im August Schneefall geben. Die Landschaft ist aber vor allem von Reis, Mais und Sojafeldern dominiert. Auch ist sehr viel Industrie vorhanden. Um Sao Paulo bis in den Norden wird vor allem Zuckerrohr angebaut. Nach Norden zum Amazonas gibt es grosse Steppenlandschaften mit Viehwirtschaft und natürlich immer wieder Zuckerrohr. Von den zwei Millionen Kilometern Strassen sind knapp 40 Prozent asphaltiert. Viele Strecken sind in einem mehr als erbärmlichen Zustand und haben mehr Löcher als ein würziger Emmentaler Käse. Brasilien mit dem Auto zu durchfahren ist daher eher mühsam und nicht wirklich abwechslungsreich.

Von Grossstadt zu Grossstadt gibt es fast keinen Individualverkehr, will heissen, Personenautos sind eher selten. Dafür besitzt fast jeder der 200 Millionen Brasilianer mindestens einen, wenn nicht zwei LKW. Und die meisten davon sind immer auf der Strecke unterwegs, die wir gerade befahren.

 

Ein Lastwagenland
Wer Lastwagen mag, ist in Brasilien richtig. Dabei ist von Oldies die schon seit einiger Zeit nicht mehr gebaut werden bis hin zum neusten elektronischen Modell alles vertreten. Die Lastwagen können dabei bis 67 000 Kilogramm Gewicht haben, 30 Meter lang sein und neun Achsen aufweisen. In Gebieten, wo Zuckerrohr geerntet wird, sind diese aber auch bis zu 35 Meter lang.

Kaum eine Steigung hat eine Kriechspur, ein Überholen ist also immer problematisch, da die Kurven ja keine weite Sicht erlauben, zudem besteht meist ein Überholverbot und eine doppelte Sicherheitslinie ziert die Fahrbahn. Was aber einen echten brasilianischen Motorista, wie die Lastwagenfahrer hier heissen, nicht daran hindert, dies trotzdem zu tun.

Viele Motorista sind 12 bis 16 Stunden hinter dem Steuerrad, was erlaubt ist. Wer aber locker mit einem Arm am Fenster durch die Gegend fährt, macht sich strafbar. Macht ein Fahrer eine Pause zum Tanken, wird gleichzeitig der Ölwechsel gemacht und das Fahrzeug geschmiert. Dem Fahrer stehen Duschen, verschiedene Restaurants, Einkaufsläden und manchmal sogar eine Kirche zum Beten zur Verfügung. Letztere ist auch dringend nötig beim Fahrstil vieler Brasilianer.

Die in ganz Südamerika stark verbreitete F1ASS Krankheit (F1ASS ist in der Fachpresse auch als Formel1/Ayerton Senna Syndrom bekannt) hat sich in Brasilien epidemisch ausgebreitet. Diese Krankheit ist dem normalen Brasilianer nicht anzusehen, sitzt er aber in ein Auto und hat ein Steuerrad vor seinem Kopf, bekommt er schlagartig krampfhafte Anfälle in seinem rechten Bein. Der brasilianische Auto- oder Lastwagenfahrer kennt nur Vollgas oder Vollbremsung. Einzig der Einbau von Lomos in den Strassenbelag kann dieses Problem etwas vermindern. Ein Lomo ist eine halbe Röhre quer über der Fahrbahn. Wer hier mit mehr als 20 bis 25 Stundenkilometer darüberfährt, haut sich die Birne an der Decke platt. Hat er Pech, ist er in der nächsten Werkstatt anzutreffen, wo die gebrochenen Federblätter ersetzt werden.

Für einen normalen Durchschnittseuropäer sind diese Lomos quer über die Fahrbahn aber eher eine moderne Foltermethode. Unfälle sind leider sehr häufig und meist nicht harmlos.

 

Der Strand lockt
Nach 450 Kilometern Strasse vor uns und 450 Kilometern Zuckerrohr neben uns verdienen wir eine Abwechslung und suchen uns einen Strand. Er ist von der Hauptstrasse auch gar nicht so weit weg.

Zuerst kommt eine Ortschaft mit 26 Lomos. Danach 20 Kilometer ohne Lomos. Weitere 3 Kilometer bis zu einem Fluss, nochmals mit 18 Lomos. Schon lange sehen wir das Meer und schöne weisse Dünen. Nachdem wir die 18 verbleibenden Lomos noch mit dem nötigen Genuss überqueren, stehen wir wie der Esel am Berg. Respektive das Pepamobil vor dem Fluss. 30 bis 40 Meter, mehr sind da nicht, aber keine Brücke und dahinter die Ortschaft mit unserem Sandstrand! So viel zur Beschilderung in Brasilien.

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