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Biel

«Das ändert nichts am gemeinsamen Kampf»

Der Kanton will die Zentrumslasten der Stadt Biel besser abgelten – auf Kosten von Bern. Biels Finanzdirektorin Silvia Steidle nimmt das Geld zwar gerne, aber die zusätzlichen 1,6 Millionen seien nur eine kleine Korrektur.

Silvia Steidle (PRR) sagt: «Wir investieren in öffentliche Infrastruktur, von der die ganze Region profitiert.» acv/a

Interview: Lino Schaeren

Die Ausgangslage war klar: Obschon die Zentrumslasten für die drei grössten Städte im Kanton, Bern, Biel und Thun, in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen sind, will der Berner Regierungsrat nicht mehr Geld für die Abgeltung dieser in die Finger nehmen. Ein finanzpolitischer Entscheid, da der Kanton in anderen Bereichen mit dem Entlastungspaket 2018 erst kürzlich bedeutende Einschnitte vorgenommen habe. Die Kantonsregierung hat stattdessen eine Umverteilung vorgenommen, um das Geld unter den drei Städten gerechter zu verteilen. Denn obschon auch in Bern die Ausgaben für Infrastruktur und Kultur, von denen die ganze Region profitiert, längst nicht vollständig abgegolten werden, war das Missverhältnis in Biel und Thun noch grösser.

Das Resultat: Der Grosse Rat nimmt in seiner September-Session vom Bericht Kenntnis, in dem der Regierungsrat vorschlägt, bei Bern 2,7 Millionen wegzunehmen, um diese stattdessen auf Biel und Thun zu verteilen. Biel erhält vom Kanton in diesem Jahr deshalb für die Zentrumslasten neu 20,2 Millionen Franken. Eine Tatsache, die Biels bürgerliche Finanzdirektorin Silvia Steidle (PRR) freut – und gleichzeitig verärgert.

 

Silvia Steidle, der Regierungsrat will die Zentrumslasten von Biel mit 1,6 Millionen Franken mehr abgelten. Sind Sie zufrieden?
Silvia Steidle: Es ist eine gute Nachricht für Biel. Weniger erfreulich ist, dass der Kanton insgesamt denselben Betrag ausgeben will wie bisher. Es handelt sich um einen technischen Eingriff und um eine Momentaufnahme. Den Willen, die grossen Städte bei ihren Zentrumslasten zu unterstützen, kann ich beim Kanton nicht ausmachen.

 

Um den tatsächlichen Zentrumslasten gerecht zu werden, müsste der Kanton 15 Millionen zusätzlich an die Städte Bern, Biel und Thun verteilen. Macht er aber nicht. Wirken diese 1,6 Millionen vor diesem Hintergrund wie ein Trostpflaster für Biel?
Es handelt sich um eine kleine Korrektur. Tatsache ist, dass alle Städte in den letzten Jahren massiv investiert haben in ihre Region, was vom Kanton aber nicht entsprechend berücksichtigt wird. Die 1,6 Millionen sind ein Tropfen auf den heissen Stein.

 

Mit der Umverteilung werden nur 68 Prozent der Bieler Zentrumslasten abgegolten. Mit dem Abzug im Finanzausgleich wird der Deckungsgrad auf 77 Prozent erhöht. Der Regierungsrat hält in seinem Bericht fest: Die restliche Belastung sei für die Städte zumutbar. Einverstanden?
Das ist die Meinung des Regierungsrats. Fakt ist: Grosse Investitionen stehen an und wegen der fehlenden Abgeltung werden wir erneut Drittmittel für die Finanzierung aufnehmen müssen.

 

Von welchen Investitionen sprechen Sie?
Wir investieren in die öffentliche Infrastruktur, von der die ganze Region profitiert. Zum Beispiel im Bereich des privaten Verkehrs oder bei der Sportinfrastruktur. Sie wissen ja, dass in Biel jede Investition eine weitere Verschuldung der Stadt bedingt. Für Gemeinden, die ihre Rechnung immer mit grossen Überschüssen abschliessen, ist der fehlende Deckungsgrad bei den Zentrumslasten vielleicht zumutbar. Für uns wäre eine höhere Abgeltung der Zentrumslasten aber wesentlich.

 

Die Umverteilung der bestehenden Mittel sieht vor, dass Biel und Thun etwas mehr Geld erhalten auf Kosten der Stadt Bern. Haben Sie sich bereits mit dem Berner Finanzdirektor Michael Aebersold ausgetauscht?
Wir sehen uns regelmässig, haben uns aber vor der Eingabe der neusten Zahlen nicht abgesprochen. Das Resultat haben wir alle zeitgleich erhalten.

 

Der Regierungsrat begründet den Entscheid, nicht mehr Geld für den Lastenausgleich in die Finger zu nehmen, mit dem Entlastungspaket 2018. Gegen eben dieses waren sie ins Feld gezogen, haben zusammen mit Aebersold eine Front gebildet. Dieser ärgert sich nun darüber, dass Bern Abstriche machen muss. Sie bleiben solidarisch?
Selbstverständlich! Es geht um viel mehr als um diese kleine Umverteilung. Es geht um Sparprogramme, um die Steuerstrategie – und da haben wir gemeinsame Interessen. Dass Biel nun bei der Abgeltung der Zentrumslasten auf Kosten von Bern ein wenig gewinnt, ändert nichts am gemeinsamen Kampf.

 

Sie stehen mit der Finanz- und Steuerpolitik des Kantons sowieso auf Kriegsfuss – nach dem Zustandekommen des Referendums gegen die Steuergesetzesrevision 2019 hat der Gemeinderat diese Woche umgehend kommuniziert, dieses zu unterstützen.
Genau hier zeigt der Kanton, dass er unsere Anliegen nicht wahrnimmt. Die Unterstützung des Referendums durch die Stadt Biel war deshalb absehbar. Bei der Konsultation haben wir eine vollumfängliche Kompensation für die Steuerausfälle verlangt. Wir haben auch Vorschläge gemacht.

 

Zum Beispiel?
Eine Möglichkeit wäre die Entkoppelung der Steueranlage bei den natürlichen und juristischen Personen. Doch keine unserer Eingaben wurde berücksichtigt. Der Kanton sorgt sich nicht um die Gemeindefinanzen, die politischen Zeichen in diese Richtung fehlen komplett.

 

Biel hat vorgeschlagen, die Steueranlagen zu entkoppeln, um die drohenden Gewinnsteuer-Ausfälle bei den Firmen mit einer Erhöhung der Steueranlage bei ebendiesen Firmen zu entschärfen.
Zum Beispiel. So hätten Gemeinden auf Steuerausfälle reagieren können, ohne bei der Bevölkerung die Steuern erhöhen zu müssen oder den Service Public abzubauen.

 

Der Gemeinderat warnt, dass die Steuergesetzesrevision Steuererhöhungen für natürliche Personen und einen Abbau der öffentlichen Leistung bedeuten würde. Diese Argumentation erinnert an den Abstimmungskampf zur Unternehmenssteuerreform III, den Sie wohl gerade wegen der beschworenen Angst in der Bevölkerung vor Steuererhöhungen gewonnen haben.
Alles hat miteinander zu tun, der Kanton reagiert mit seiner Gesetzesrevision auf die nationale Vorlage. Deshalb bleiben auch die Argumente dieselben. Auf Bundesebene hat man leider die Signale bei der Ablehnung der USR III nicht verstanden. So entstand eine neue Steuervorlage, die die Städte wieder nicht unterstützen können. Für Biel würden die kantonale und die eidgenössische Vorlage zusammen ab 2022 ein Loch von 16 Millionen in der Stadtkasse bedeuten. Das kann gar nicht aufgehen. Und wer ist der Erste, der bei einem grossen Defizit nach Massnahmen schreien wird? Der Kanton.

 

Der Kanton Bern muss doch bei der Firmenbesteuerung Anpassungen vornehmen, um im interkantonalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben.
Selbstverständlich, er wird sogar zum Reagieren gezwungen. Doch wir brauchen eine ausgeglichene Vorlage, die Ausfälle für die Städte müssen kompensiert werden.

 

Heisst also: Sie werden, wie bei der USR III, an vorderster Front gegen die Regierung und das eigene bürgerliche Lager in den Kampf ziehen, diesmal auf Kantonsebene.
Ich vertrete immer meine Stadt. Biel hat mich gewählt und für Biel kämpfe ich. Ich kämpfe in dieser Frage nicht explizit gegen das bürgerliche Lager. Die Linke unterstützt nun die nationale Steuervorlage wegen des AHV-Deals – den Städten bringt das null und nichts. Ich engagiere mich gegen eine zusätzliche Verschuldung der Städte. Dabei finde ich mich mit Vertretern anderer Gemeinden immer, egal, aus welcher Partei sie kommen. Das hat sich bei der USR III und beim kantonalen Entlastungspaket gezeigt und das wird nun nicht anders sein.

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