Sie sind hier

Abo

Strafvollzug

Das Bieler Gefängnis hat ausgedient

Polizeidirektor Philippe Müller hat gestern dargelegt, wie er die Haftanstalten im Kanton Bern modernisieren will. Insgesamt sollen bis 2030 rund 587 Millionen Franken in deren Infrastruktur fliessen.

Das Regionalgefängnis Biel bröckelt mancherorts vor sich hin. Bild: Frank Nordmann

Quentin Schlapbach

Haben Sie das schon gewusst? Auf Google Review kann man nun auch Gefängnisse bewerten – so wie ein Hotel oder ein Restaurant. Ein Nutzer gab dem Regionalgefängnis Bern kürzlich bloss einen von fünf möglichen Sternen. «Das Gefängnis sollte man Amnesty International melden. In Zelle 320 war man mit sechs Häftlingen 23 Stunden lang eingesperrt», schreibt er in seinem Erfahrungsbericht. «Ich hatte in Lima (Peru) bessere Haftbedingungen.»

Dass es in den Berner Gefängnissen mitunter eng sein kann, wissen auch die Verantwortlichen der Polizei- und Militärdirektion. Seit Jahren sind die Haftanstalten chronisch voll oder gar überbelegt, die Infrastruktur überaltert und teils marode. Gestern erklärten der verantwortliche Regierungsrat Philippe Müller (FDP) und Romilda Stämpfli, die Vorsteherin des Amtes für Justizvollzug, wie sie den Sanierungs- und Modernisierungsbedarf in ihren Gefängnissen angehen wollen.

Eine Million pro Platz
Der Dreh- und Angelpunkt des neuen Masterplanes ist ein Neubau für 250 Häftlinge. Wo genau dieses Gefängnis dereinst zu stehen kommt, in unklar. «Ein konkreter Standort ist derzeit noch nicht vorhanden», sagt Romilda Stämpfli. Klar ist lediglich, dass es irgendwo im Seeland oder im Berner Jura sein wird. Diese Region hat im Vergleich zu den anderen Verwaltungsbezirken noch Aufholbedarf. Die Suche nach einem geeigneten Standort laufe derzeit, so Stämpfli.

Die Kosten für den Neubau schätzen die Kantonsbehörden auf 281 Millionen Franken. Das macht über eine Million Franken pro Gefängnisplatz. Das alte Regionalgefängnis Biel, das sich heute in einem besonders baufälligen Zustand befindet, hätte nach der Fertigstellung des Neubaus ausgedient. Neu gebaut werden soll auch in Thun, aber bloss eine Erweiterung des bestehenden Regionalgefängnisses. Die Kosten für die 80 neuen Plätze – samt Instandhaltung des alten Gebäudes – belaufen sich auf 101 Millionen Franken.

Trotz der Millionenausgaben: Die neue Justizvollzugsstrategie des Regierungsrats kommt auch einer Verzichtsplanung gleich. Vor gut einem Jahr stellte die Polizei- und Militärdirektion bereits drei mögliche Szenarien vor, wie und wo dereinst saniert und gebaut werden könnte. Von ihrem damaligen Wunschszenario gestrichen wurde neben dem Neubau des Regionalgefängnisses Bern insbesondere auch der Ersatzbau für die Justizvollzugsanstalt auf dem Thorberg.

Der Thorberg bleibt – vorerst
Die Zukunft des wohl berühmtesten Gefängnisses der Schweiz ist auch nach dem gestrigen Tag ungewiss. Klar ist, dass die Anstalt trotz der aktuellen Mängel bis mindestens 2030 weiterbetrieben werden soll. Dann könnten die Tage des Thorbergs aber definitiv gezählt sein. «Schliessen ist eine Möglichkeit», sagte Philippe Müller gestern vor den Medien. Wer den 24-seitigen Masterplan liest, kommt gar zum Schluss, dass eine Schliessung die bevorzugte Variante ist. Eine Gesamtsanierung des Gebäudes sei kostenintensiv und stehe in keinem günstigen Verhältnis zum Nutzen, heisst es im Bericht. «In einer gesamtheitlichen Betrachtung sprechen heute überzeugende Argumente für die längerfristige Aufgabe des Standorts.»

Kantone sollen helfen
Ganz vom Thorberg verabschieden will sich der Kanton Bern dennoch nicht. Die Option eines Weiterbetriebs nach 2030 bestehe nach wie vor, so Philippe Müller. Das Gefängnis gilt als umstritten. Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter prangerte erst letztes Jahr die Haftbedingungen in der Anstalt an. Müller rechnet damit, dass man sich von der Kommission mit den neuen Plänen wieder etwas vorwerfen lassen müsse.

Müller hofft darauf, dass man den Thorberg ab 2030 vielleicht ersatzlos streichen kann. Er schielt dabei vor allem auf die Hilfe der zehn Kantone, mit denen der Kanton Bern das Strafvollzugskonkordat Nordwest- und Innerschweiz bildet. Innerhalb des Konkordats stellt Müllers Direktion heute knapp die Hälfte der Plätze bereit. «Der Kanton Bern leistet heute überproportional viel», so Müller. Der ebenfalls an der Medienkonferenz anwesende Konkordatssekretär Benjamin Brägger zeigte sich gesprächsbereit für die Forderungen aus Bern. Innerhalb des Konkordats sollen nun Verhandlungen stattfinden.

Als Nächstes kommt Müllers Masterplan vor den Grossen Rat. Wird er dort gutgeheissen, hätte der Kanton Bern in Zukunft 1099 Haftplätze zur Verfügung, 147 mehr als heute.


Regionalgefängnis Bern: Die Plätze werden von 126 auf 70 reduziert. Das Gefängnis hat kein langfristiges Potenzial, Ausbauten sind ausgeschlossen. Unterhaltskosten bis 2030: 13 Millionen Franken.


Regionalgefängnis Burgdorf: Die Plätze sollen in Zukunft nur noch für die Untersuchungs- und Sicherheitshaft genutzt werden. Sie werden von 109 auf 100 reduziert. Unterhaltskosten: 2 Millionen Franken.


JVA Thorberg: Beim Thorberg spielt der Kanton Bern auf Zeit. Investitionen sind keine vorgesehen, lediglich Instandhaltungsarbeiten, wo notwendig. Die Plätze werden von 180 auf 130 reduziert.


JVA Hindelbank (Frauen): Den Investitionsbedarf schätzt der Kanton auf 84 Millionen Franken. Die Instandsetzung soll bei gleich bleibendem Platzangebot und zeitlich flexibel erfolgen.


Regionalgefängnis Thun: Die Plätze im alten Gebäudeteil werden von 98 auf 74 reduziert. Ein Erweiterungsbau soll 80 neue Plätze schaffen. Die Gesamtkosten: 101 Millionen Franken.


Regionalgefängnis Moutier: Bis zum Entscheid über den Kantonswechsel gilt der Status quo. Wenn Moutier wechselt, stehen die Plätze Bern nicht mehr zur Verfügung. Investitionen sind keine geplant.


Regionalgefängnis Biel: Das alte Gefängnis soll geschlossen werden. Ob der Neubau auch in Biel steht, ist offen. Die mit 250 Plätzen neu grösste Anstalt kostet den Kanton 281 Millionen Franken.


JVA St. Johannsen: Den Investitionsbedarf schätzt der Kanton auf 74 Millionen Franken. Die Instandsetzung soll bei gleich bleibendem Platzangebot und zeitlich flexibel erfolgen.


JVA Witzwil: Den Investitionsbedarf schätzt der Kanton auf 32 Millionen Franken. Die Instandsetzung soll bei gleich bleibendem Platzangebot und zeitlich flexibel erfolgen.
 

Nachrichten zu Biel »