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Das Bieler Nachtleben geniessen – auch ungeimpft

Seit letztem Monat gibt es in Biel die Möglichkeit, sich vor dem Ausgang testen zu lassen. Damit können auch Menschen in Discos, Clubs- und Konzertlokale, die ungeimpft sind. Was sagen die Jugendlichen zu diesem Angebot?

Wie verändert die Zertifikatpflicht das Nachtleben? Bild: Keystone

Roman Bertschi

Wer in Biel in den Ausgang geht oder sich ein Konzert anhören will, benötigt seit längerem ein Covid-Zertifikat. Ein solches erhält, wer geimpft, getestet oder genesen ist. So schreibt es der Bund unter anderem auch für Discos und Tanzlokale vor. Diese und ähnliche Regelungen stellen sowohl die Betreiber als auch die Besucherinnen vor Schwierigkeiten. Veranstalterinnen und Veranstalter können weder Konzerttermine verbindlich festlegen noch wissen sie, welche gesetzlichen Hürden in Zukunft auf sie warten. Und Biels Nachtschwärmer müssen sich ständig fragen, wie lange ihr Lieblingslokal noch offen hat oder ob ihre Tickets gültig bleiben. Auch der Entscheid für oder gegen eine Impfung respektive einen Test gehört neuerdings zum Nachtleben.

Angst vor Nebenwirkungen

Letzterer fällt nicht immer leicht und ein Impfverzicht ist nicht immer Rebellion, sondern kann beispielsweise auch gesundheitliche Gründe haben. Dies zeigen die Beispiele von Svenja Kracke (22) und Enya Hangartner (18). Hangartner erlitt bei der obligatorischen Kinder-Sechsfachimpfung einen epileptischen Anfall, seitdem meidet sie Impfungen. Auch Svenja Kracke lässt sich aus persönlichen Gründen nicht impfen. Sie befürchtet Nebenwirkungen und Auswirkungen auf ihr Immunsystem. Trotzdem wollen die beiden jungen Frauen in den Ausgang gehen und sich ihre Freizeit nicht durch die aktuellen Bestimmungen einschränken lassen.

Um Menschen wie Kracke und Hangartner, die sich nicht impfen lassen, den Zugang zu Musik- und Kultur zu ermöglichen, gibt es in Biel seit Anfang August ein Testzimmer speziell für Konzert-, Bar- und Discobesucher. Dieses befindet sich in den Räumen des ehemaligen Galaxy-Spielsalons und hat jeweils ab dem späten Freitag- und Samstagnachmittag für die Besucher des Duo Clubs, des Bungalows und des «Le Singe» geöffnet.

Grosse Wissenslücken

Ins Leben gerufen wurde das Testzimmer von Sascha D’Antonio, dem Betreiber des Duo Clubs (das BT berichtete). Betrieben wird es durch Medin Biel/Bienne, das zum Spitalzentrum Biel gehört. Dieses betreibt auch das Impfzentrum am Bahnhof. Zuständig vor Ort ist Lucia Arni, die bereits für das Impfzentrum verantwortlich war. Sie steht mittlerweile seit 16 Monaten im Kampf gegen Corona im Einsatz. In dieser Zeit habe sie mehr gelernt als in den letzten Jahren zuvor, sagt die Medizinische Praxisassistentin. «Ohne ein starkes Team wäre dies alles nicht möglich gewesen», sagt sie.

«Nachdem die Impfbereitschaft gesunken war und wir freie Kapazitäten hatten, kam die Idee eines Testzimmers auf.» Dieses sei im Anschluss mit D’Antonio umgesetzt worden. Bei den Jugendlichen sei das Angebot sehr gut angekommen. «Offensichtlich fehlt ihnen die soziale Zusammenkunft.» Zudem macht sie grosse Wissenslücken aus: «Die Begegnungen im Testzimmer sind eine gute Gelegenheit, über die Impfung und rund um Corona zu informieren.» Viele Jugendliche wissen ihr zufolge nicht, dass es in der Schweiz nur zwei Impfstoffe gibt. Arni und ihr Team nehmen sich Zeit für die Gespräche, das Interesse sei gross.

Und was sagen die Jugendlichen zum Angebot? Für Hangartner kommt ein solches genau richtig. «In den Apotheken sind die Termine bis auf zwei Wochen ausgebucht, ich bin froh, dass ich den Test ohne Voranmeldung machen kann», sagt sie. Kracke ergänzt, dass sie das Angebot zwar gut finde, sich aber bewusst sei, dass auch dieses nicht 100-prozentig vor einer Ansteckung schütze. «Denn auch Geimpfte können das Virus übertragen», sagt sie. Falls die Tests, wie vom Bund bestimmt, ab Oktober kostenpflichtig sind, wollen die beiden jungen Frauen weiter in den Ausgang, jedoch weniger häufig. Damit würden sich die Kosten wieder ausgleichen, allerdings auf Kosten der Anzahl Lokal-, Konzert- und Partybesuche.

Keine Freude bei den Veranstaltern

Keine Freude an dieser Entwicklung haben die Bieler Gewerbetreibenden, darunter Daniel Schneider vom «Le Singe». Denn falls morgen die Erweiterung der Zertifikatspflicht auf Kulturlokale erfolgt und die Test ab Oktober kostenpflichtig werden, nehmen wohl mehr Menschen die Impfung in Anspruch, sagt Schneider. Allerdings kann es von der Anmeldung bis zur vollständigen Impfung rund vier Wochen dauern. Deshalb sollen Tests so lange wie möglich gratis bleiben, sagt er. Denn je länger diese kostenlos sind, desto einfacher sei es, Konzerte zu veranstalten, an denen nur Geimpfte, Genesene oder Getestete zugelassen sind. Entfallen letztere, weil Test und Eintritt zusammen zu teuer sind, verzichteten noch mehr Menschen auf einen Konzert- oder Discobesuch.

Damit trägt das Testangebot mit dazu bei, die gebeutelte Branche wenigstens teilweise zu entlasten. D’Antonios Duo Club war während eines Jahres geschlossen und auch Christoph Geisers Bungalow war zehn Monate nicht in Betrieb. «Für uns und das Nachtleben in Biel ist das Testzentrum ein Glücksfall, wir können davon profitieren und sind sehr dankbar», sagt er. Sicher lösen die Gratistests nicht alle Probleme der Branche. Doch ohne diese würde noch ein Stück Flexibiltät mehr wegfallen. Genau diese braucht die Branche jetzt jedoch.

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