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Biel

«Das ist doch einfach wunderbar!»

Dia-Abend mit Astronaut: Claude Nicollier, der einzige Schweizer im Weltraum, hat gestern Abend von seiner Leidenschaft 
für die Raumfahrt erzählt. Auch er hat bei seinen Missionen im All eine Bieler Uhr getragen.

Er hat das All gesehen und denkt an die Erde: «Wir müssen zur Erde Sorge tragen», sagt Claude Nicollier. Bild: Frank Nordmann

Tobias Graden

Der Mond. Voll und hell und rund leuchtet sein Bild am Rand der Aula des Seeland-Gymnasiums. Fast 50 Jahre, nachdem erstmals Menschen ihren Fuss auf das Gestirn gesetzt haben, fasziniert der Himmelskörper ungebrochen. Und mit ihm die Raumfahrt. So ist die Aula gestern Abend übervoll, als Claude Nicollier von seinen Erfahrungen erzählt.

Es ist der öffentliche Anlass des Forums Telebielingue, des Fördervereins für das hiesige Regionalfernsehen. Nicolliers Auftritt möglich gemacht hat die Uhrenmarke Omega, und das ist kein Zufall. Einerseits ist Nicollier Mitglied des Verwaltungsrats der Swatch Group, anderseits – und in diesem Zusammenhang wichtiger – ist Omega die Verbindung zwischen Biel und dem All: Es waren Omega-Uhren, die von der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa für weltraumtauglich befunden worden waren, die Omega Speedmaster ist immer noch die einzige Uhr, die je auf dem Mond gewesen ist.

 

«Bescheidene Leistungen»
Auf dem Mond ist Nicollier nicht gewesen, aber mehrmals im All, und das grosse Interesse an seinen Worten zeigt, wie sehr dies die Menschen im Land nach wie vor bewegt. Er erröte ja schier ob all der Komplimente, sagt Nicollier, «aber eigentlich war ich ja nur ein Funktionär, der seine Arbeit getan hat, meine Leistungen waren bescheiden».

Warum zieht es den Menschen überhaupt ins All? Nun, die Nutzung des Weltraums und die damit verbundene technische Entwicklung habe unglaublich viel Positives für die Menschheit gebracht, sagt Nicollier. Etwa für die Kommunikation, die Navigation (GPS) oder hinsichtlich der Beobachtung der Erde. Ist das Eine «bloss» überaus nützlich, so kann das Andere Leben retten, etwa wenn aus dem All die Route von Wirbelstürmen observiert werden kann.

Am Ursprung steht aber ohnehin der menschliche Forschungs- und Entdeckungsdrang. Nicollier illustriert dies mit einem Bild aus der Renaissance, auf dem ein neugieriger Mensch versucht, hinter das bekannte Himmelszelt zu blicken. So ist das All faszinierend und inspirierend zugleich – der junge Claude Nicollier liess sich vom 1953 erschienenen Tim-und-Struppi-Band «Reiseziel Mond» («Objectif Lune») vom Virus anstecken.

 

Kennedy: «Dieser Mut!»
Weniger poetisch, aber umso entschlossener machten sich die Amerikaner in den 60er-Jahren ans Werk. 1961 hatte die Sowjetunion erstmals einen Menschen ins All gebracht, Juri Gagarin. Dies zu einer Zeit, als man gar nicht recht wusste, was ein Aufenthalt im All mit dem menschlichen Organismus anstellen würde. «Gagarin war sehr mutig», sagt Nicollier, «jeder Astronaut entbietet ihm grossen Respekt.»

Es war die Zeit des Kalten Kriegs, und die USA konnten der Entwicklung nicht tatenlos zusehen. So verkündete Präsident John F. Kennedy ein paar Wochen später das Apollo-Programm, das den Menschen zum Mond führen sollte. Nicollier bewundert die Rede heute noch: «Das ist doch einfach wunderbar! Dieser Mut! Dieser Wille! Diese Botschaft: Wenn man etwas wirklich will, dann kann man es erreichen.»

Im Juli 1969 tat Neil Armstrong den berühmten kleinen Schritt für sich, der zugleich ein so grosser für die Menschheit war.

 

«Nimm dich nicht zu ernst»
Claude Nicollier wurde 1977 zum ESA-Astronauten selektioniert und war in den 90er-Jahren mehrmals im All. Seine grossen Leidenschaften halfen ihm dabei, diesen Traum zu verwirklichen: Die Astrophysik und die Fliegerei – und diese immense Faszination fürs All, die noch heute in jedem seiner Sätze spürbar ist. Als erzählte er vom Traumurlaub seines Lebens, führt er durch diese Diaschau eines Astronauten. Bruce McCandless, auf dem fliegenden Sitz im All schwebend: «Magnifique!» Der tiefschwarze «Himmel», wenn an der Position des Shuttles gerade wieder für eine Stunde lang «Tag» ist: «Incroyable!» Das Shuttle-Cockpit mit den unzähligen Knöpfen, Bildschirmen und Reglern: «Ein extrem intelligentes Konzept! Doch leider sehr kompliziert.»

Bei aller Professionalität und nötigen Disziplin in seiner Nasa-Zeit kam der Spass nicht zu kurz. Eine Reise von Houston nach Los Angeles? Ab in die T-38, das Trainingsflugzeug der Nasa. «Das war auch ein Spielzeug», sagt Nicollier, man flog auch mal kopfüber. «Mache deinen Job seriös, aber nimm dich selber nicht zu ernst», lautete die Losung – Bilder der Mannschaften in der Raumfähre zeigen lustige Gruppen; Männer und Frauen, lächelnde Menschen, die wie Kapitän Haddock im Comic von 1953 eine Wasserkugel in der Schwerelosigkeit beobachten.

 

Galaxie um Galaxie
«Wir verstanden und vertrauten uns blind», sagt Nicollier über die Kameradinnen und Kameraden auf den Missionen, «ein Jahr lang hatten wir zusammen für diese eine Woche trainiert.» Die Arbeit war überaus fordernd: 1993 galt es, die fehlerhafte Optik des Hubble-Teleskops zu korrigieren. Milliarden hatte das Hubble-Projekt bereits verschlungen, und doch lieferte das Teleskop nur unbefriedigende Bilder. Der Hersteller hatte nach immensen Kostenüberschreitungen auch die Kontrolle vernachlässigt. So hiess es für Nicolliers Reparatur-Mission: «Failure is not an option», ein Versagen kommt nicht infrage. 600 Kilometer über der australischen Südküste war Nicolliers Arbeitsplatz, und danach lieferte Hubble Bilder, wie sie die Menschheit noch nie zuvor gesehen hatte. Einblicke in die Tiefen des Alls, Galaxie um Galaxie, «absolument magnifique».

Bald wird der Hubble-Nachfolger noch präzisere Bilder liefern, die ESA plant eine Station auf dem Mond, die USA ziehts zum Mars, Elon Musk sieht die Menschheit als multiplanetare Spezies.

Claude Nicollier aber hat das All gesehen und denkt an die Erde. Er sagt zum Schluss: «Wir leben auf einem verletzlichen Planeten. Wir müssen alles dafür tun, dass wir zu ihm Sorge tragen.»

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