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Nidau

Das Stedtli erhält eine mächtige Mitte

Wo sich Links und Rechts bis jetzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert haben, hat neu die Mitte grosses Gewicht. Die fünf neugewählten Grünliberalen können mit ihrer Positionierung die Stossrichtung des Nidauer Parlaments prägen.

Stadtpräsidentin Sandra Hess gratuliert Stefan Dörig von den Grünliberalen zum geglückten Einzug in die Nidauer Politik. Tanja Lander
  • Dossier
von Carmen Stalder
 
Die bürgerlichen Stadtratsmitglieder beschreiben die Debatten im Nidauer Parlament teils als frustrierend. Auch wenn sie für ihre Anliegen – nach eigenem Empfinden – noch so gute Argumente vorbringen, siegen am Ende doch meist die Mehrheit stellende Linke. In den Augen von SVP, FDP, PRR und die Mitte geben die Ratslinken zu oft ihren Segen für unnötige Luxus-Projekte, sie sind zu wenig restriktiv, wenn es um die Fahrenden geht, und sie geben sich ganz grundsätzlich zu ausgabefreudig.
 
Die Wahlen vom Sonntag haben die politischen Verhältnisse jedoch verschoben. Mit zwölf Stadträtinnen und Stadträten stellen die Sozialdemokraten und die Grünen zwar weiterhin eine knappe Mehrheit im 30-köpfigen Parlament. Ihnen gegenüber stehen elf bürgerliche Mitglieder. Die grosse Unbekannte ist nun aber die erstarkte Mitte: Wo bis jetzt die beiden EVPler das Zünglein an der Waage spielten, kommen nun fünf Grünliberale hinzu. Während des Wahlkampfs haben sie zu kaum einem Projekt klar Stellung bezogen. Bei den anderen Parteien herrscht entsprechend grosse Unsicherheit, wie im Stedtli künftig politisiert wird.
 
Gebremste Ausgabenfreude
 
«Es wird matchentscheidend, wo sich die GLP positioniert», sagt die wiedergewählte Stadträtin Tamara Münger (Die Mitte). Natürlich hoffe sie persönlich eher auf eine bürgerliche Ausrichtung. Gespannt zeigt sich auch die frischgewählte Gemeinderätin Amélie Evard (FDP). Bei zukunftspolitischen Themen wie der E-Mobilität und der Digitalisierung der Stadtverwaltung erhoffe man sich Unterstützung von den Grünliberalen. Und auch bei der Debatte ums Budget rechnet die FDP mit übereinstimmenden Ansichten.
 
SVP-Fraktionspräsident Leander Gabathuler sieht das ähnlich. «Endlich können wir bei finanzpolitischen Themen Mehrheiten gewinnen und die Ausgabefreude der Linken bremsen.» Beim Kampf gegen das neue Verkehrskonzept, das den motorisierten Individualverkehr zugunsten von Fussgängern, Velofahrerinnen und ÖV ausbremst, sieht Gabathuler die SVP dagegen allein auf weiter Flur. Sowieso ist die Stimmung seiner Partei getrübt: Der Verlust von zwei Stadtratssitzen schmerzt der Volkspartei. «Wir haben es verpasst, unsere Listen zu verjüngen und müssen jetzt über die Bücher gehen.»
 
Damit spielt Gabathuler darauf an, dass auffällig viele erfahrene Ratsmitglieder ihre Sitze für jüngere Nachfolgerinnen und Nachfolger räumen müssen (siehe BT von gestern). Unter ihnen sind mit Kurt Schwab (SP), Martin Fuhrer (FDP) und Philippe Messerli (EVP) gleich drei Gemeinderäte. Letzterer hat nun erstmals seit über 30 Jahren in Nidau kein politisches Amt mehr inne. «Das ist für mich schon ein grosser Einschnitt», so Messerli. Aufgrund der grossen Konkurrenz von Grünen und GLP habe er jedoch gewusst, dass sich der Sitzerhalt nicht als einfach erweisen würde.
 
Schlechte Arbeit habe keiner der drei Abgewählten geleistet, sagen alle befragten Politikerinnen und Politiker. Entsprechend wird die Abwahl von Schwab, Fuhrer und Messerli als grösste Überraschung des Wahlsonntags gehandelt. Dass die älteren Herren allesamt durch jüngere Kandidierende ersetzt werden, ist immerhin ein kleines Trostpflaster. «Von der Verjüngung von Stadt- und Gemeinderat erhoffe ich mir frischen Wind und neue Ideen», sagt etwa SP-Parteipräsidentin Bettina Bongard.
 
Hilfe für grüne Themen
 
Wie bei den Bürgerlichen verbindet auch die linke Seite den Einzug der neuen Partei mit Hoffnungen. Sowohl die Grünen als auch die SP wollen die GLP bei Umweltthemen einspannen. «Ich glaube, dass es grüne Anliegen künftig einfacher haben werden», prognostiziert Joel Schweizer (Grüne), der ebenfalls den Sprung in den Gemeinderat geschafft hat. Wie es bei Finanzfragen aussehen wird, sei dagegen schwer einzuschätzen, findet Bettina Bongard: «Es wird wohl auch innerhalb der GLP einen rechten und einen linken Flügel geben. Da stellt sich dann die Frage, wie die Kräfteverhältnisse genau aussehen.»
 
Auf die Positionierung angesprochen, gibt man sich bei den Grünliberalen bedeckt. Seit die Partei Anfang Jahr aufs politische Parkett des Stedtli getreten ist, betonen deren Mitglieder, dass sie sich fernab vom Links-Rechts-Denken bewegen wollen. Diese Haltung habe sich nicht verändert, sagt Parteipräsident Stefan Dörig, der in den Stadtrat nachgerutscht ist. Bei heissen Themen wie Agglolac oder dem Umgang mit Fahrenden habe man sich bewusst zurückgehalten. «Da verfügen wir noch über wenig Dossierkenntnis und müssen uns erst einarbeiten», so Dörig.
 
Klar ist: Im Namen Grünliberale stecken sowohl eine Nähe zu Umweltthemen als auch eine gewisse Wirtschaftsfreundlichkeit. Man werde mit allen zusammenarbeiten, die dafür Hand bieten, verspricht der Parteipräsident. Er macht klar, dass man gerade bei grünen Themen durchaus mit der entsprechenden Partei an einem Strick ziehen wolle und auch die gleichen Ziele verfolge. «Aber vielleicht haben wir eher andere Massnahmen im Sinn», sagt Dörig.
 
Eine spannende Frage hat die GLP bisher nicht beantwortet: Wen sie Ende Oktober im zweiten Wahlgang für das Stadtpräsidium unterstützen wird – die amtierende Sandra Hess (FDP) oder den Angreifer Tobias Egger (SP). Offenbar will die GLP noch heute ihre Empfehlung abgeben. Diese dürfte auch von den anderen Parteien mit Spannung erwartet werden.

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