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Gewerbe & Gastro

Das Wichtige aus zwei Welten

Viele Jahre hat Karin Mathys in der Region als Coiffeuse gearbeitet, lange Jahre war sie unterwegs. Nun eröffnet sie ihr erstes eigenes Geschäft. Im «Le Stübli» in der Bieler Altstadt gibt es mehr als einen Haarschnitt.

Bereit: Karin Mathys in ihrem «Stübli». Bild: Yann Staffelbach Copyright Bieler Tagblatt

von Raphael Amstutz

Der Urgrossvater von Karin Mathys war Coiffeur. Und der Grossvater auch. Da ist es ja naheliegend, dass sie es auch wird: Coiffeuse. Die Familie, das Vorbild, die Fussstapfen. Und damit: das Logische, das Offensichtliche. Könnte man meinen. Doch bei Karin Mathys ist es oft anders. Sie mag es, hinter die Dinge zu blicken. Zwischentöne sind ihr wichtig, das Unausgesprochene, das Feinstoffliche. So war es auch, als sie – ungeplant – viele Jahre in Asien gelebt hat.

Doch zurück zu den Haaren. Karin Mathys wollte gleich mit 18 Jahren die Töff- und Autoprüfung machen. Deshalb hat sie bereits als 14-Jährige in einem Salon in Orpund Haare gewaschen und Böden gefegt. Der zweite Grund: Sie wollte eine Ausbildung zur Maskenbildnerin machen. Dafür brauchte es damals im Vorfeld zwingend einen Abschluss als Kosmetikerin oder Coiffeuse.

Also absolvierte sie die dreijährige Lehre in Biel. Maskenbildnerin ist sie dann doch nicht geworden. «Das Leben kam dazwischen», sagt die Seeländerin und lacht. Offen sein für Neues, Vertrauen haben, auf den eigenen Bauch hören. Auch das etwas, was sie ausmacht.

Die Bürgermeisterin
Mehrere Jahre hat die heute 46-Jährige in unterschiedlichen Salons Haare geschnitten. Sie hatte ihre Stammkundinnen und Stammkunden, ihren Alltag in der Schweiz.

Irgendwann stellte sie sich die Frage: Eröffne ich ein eigenes Geschäft oder gehe ich auf Reisen? 2005 war das – und Karin Mathys entschied sich, nach Indien zu gehen.

Geplant war nichts, geworden sind es elf Jahre. In Indien und auf Bali. Anfangs kam sie jeweils für kurze Zeit zurück in der Schweiz, um Geld zu verdienen. Später nicht mehr. In Asien hat sie Yoga- und Massageausbildungen besucht und als Coiffeuse gearbeitet; auf Bali stand sie sogar kurz vor einer Geschäftseröffnung. Karin Mathys knüpft schnell Kontakte, lernt leicht Menschen kennen. Eine Kollegin habe ihr einmal lachend gesagt: «Du bist die Bürgermeisterin des Ortes.»

Der Gast
«Lange war es gar keine Option für mich, überhaupt je wieder richtig zurückzukommen», sagt sie. «Es kam mir vor, als ob in der Schweiz meine Seele verkümmert. Mir fehlte das Magische, das ich in Asien an jeder Ecke fand und spürte. Das Spontane, der ganz besondere Rhythmus.» Gleichzeitig vermisste sie die Natur und die Kultur von Europa, das Verbindliche. Über die Zeit spürte sie: «Auch wenn es mir hier so gefällt – ich bin nur Gast.» Und so stand sie 2016 wieder am Flughafen in Zürich. «Ich hatte nie die Absicht, auszuwandern. Und ich hatte auch nicht eine konkrete Vorstellung davon, zurückzuwandern. Alles hat sich ergeben und das ist gut so.» Sie sei in diesen Jahren ständig unterwegs gewesen in Asien und habe den Wunsch verspürt nach Sesshaftigkeit, nach etwas mehr Ruhe, einem Alltag. Bei jedem Satz ist zu spüren: Karin Mathys ist keine, die Entscheidungen bereut, Dinge erzwingt oder krampfhaft an etwas festhält.

Die Entscheidung
Zurück in der Schweiz hat sie begonnen, als Barista im «Hasard» an der Bieler Bahnhofstrasse zu arbeiten. Parallel dazu hat sie als Yogalehrerin unterrichtet. Was sie tue, sei eigentlich gar nicht so entscheidend, habe sie gespürt: «Das Wie ist entscheidend, und dass ich mit Menschen zu tun habe, sich Begegnungen ergeben.»

Haare geschnitten hat sie in dieser Zeit auch – wenn auch nicht fix in einem Salon. Nach und nach wuchs der Wunsch, der in ihrem Leben immer wieder mal wieder aufgeglommen ist, ein eigenes Geschäft zu eröffnen. «Selbstständigkeit ist zentral für mich», sagt sie. Forciert hat sie nichts. Auch hier vertraut sie darauf, dass sich die Dinge ergeben, zueinander finden.

Als Karin Mathys auf Facebook eine Wohnung in der Bieler Altstadt ausgeschrieben sieht, die auch als Geschäftsräumlichkeit benutzbar ist, meldet sie sich aus einem Gefühl heraus – und erhält den Zuschlag. Vom ersten Moment an ist sie begeistert von den schrägen Wänden, dem schönen Holzboden, den rau verputzten Wänden. Für sie ist klar: Das wird ihr «Stübli». Nach und nach hat sie es ausstaffiert und eingerichtet. Mittelpunkt und Blickfang des Geschäfts ist eine grosse Liege, die Mathys extra herstellen liess.

Die Erinnerung
So heisst es nun offiziell: «Le Stübli». Warum dieser Name? Für Karin Mathys hat er mit Erinnerungen zu tun. Erinnerungen an ihre Zeit als Kind, als sie ihren Grossvater beobachtete, wie er in seinem «Stübli» die Messer schliff, die Scheren und Kämme bereitlegte, wie er die Männer frisierte und rasierte. Dazu die angeregten Gespräche, der Geruch des Rasierschaums und das Knarren der Stühle. Die ganze Welt in einem kleinen Zimmer.

Karin Mathys möchte, dass auch ihr «Stübli» für ihre Kundinnen und Kunden zu einer Erweiterung des Wohnzimmers wird, dass es sich für die Menschen anfühlt wie ein Heim- und Ankommen.

Das Angebot
Deshalb bietet sie auch mehr an als die traditionelle Arbeit als Coiffeuse. Bei ihr gibt es auf Wunsch Kopf- und Gesichtsmassagen. «Wer nur darauf Lust hat, kann auch nur das buchen», betont sie. «Oder eben auch nur einen Haarschnitt. Oder beides. Jede Kombination ist denkbar.» Dazu will sie feinen Kaffee ausschenken. Eine Kolbenmaschine steht bereits im Stübli; den Kaffee bezieht sie aus dem «Hasard». Qualität ist damit garantiert. Das gilt auch für die Pflegeprodukte, die sie verwendet. Möglichst natürlich sind sie, kaum Zusatzstoffe oder Chemie sind zu finden, wenn man die Zusammensetzung liest. Auch das etwas, das Karin Mathys ein Anliegen ist: Sorge tragen, sorgfältig sein.

In ihrem Geschäft vereint sie das ihr Wichtige aus beiden Welten: Aus Asien die verschiedenen Massagetechniken, die philosophischen Zugänge, aus der Schweiz die Verbindlichkeit und Genauigkeit. Mit der Zeit möchte sie den therapeutischen Aspekten ihrer Arbeit mehr Gewicht verleihen. Weitere Ausbildungen sind geplant, bald besucht sie einen Kurs, um bei Haarausfall helfen zu können. Sie arbeite ganzheitlich, wolle den Menschen «in seiner Komplexität und seinem Sein wahrnehmen». «Die Haare sind dabei ein Aspekt», sagt sie.

Der Start
Bereits hat sich herumgesprochen, dass es das «Stübli» gibt in der Untergasse in Biel. Noch vor der offiziellen Eröffnung haben sich Freundinnen und Freunde, aber auch Unbekannte gemeldet. Die Mund-zu-Mund-Werbung funktioniert ganz offensichtlich. Und so schneidet Karin Mathys dieser Tage bereits Haare und massiert Schläfen und Stirne, auch wenn noch gar nicht alle Gestelle montiert sind.

Nur auf Anmeldung
Im «Le Stübli» an der Untergasse 34 in Biel gibt es keine fixen Öffnungszeiten. Der Grund: Karin Mathys möchte, dass jede Kundin ihren Raum hat und bei jedem Termin ausreichend Zeit bleibt für alle Behandlungen, Fragen und Gespräche. Anmelden kann man sich jederzeit telefonisch oder mit einer Nachricht an diese Nummer: 076 480 10 68.
Link: www.le-stuebli.ch

 

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