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Biel

«Das wird nicht so schnell verziehen»

Für die Bäckerei Chez Rüfi wird es nicht einfach sein, das ramponierte Image wieder herzustellen. 
Der Zürcher Kommunikationsexperte Fidel Stöhlker sagt, wie man in Krisensituationen reagieren sollte.

Noch ist der Fall "Rüfi" nicht abgeschlossen. Bild: Nico Kobel

Deborah Balmer

Steckt ein Unternehmen in einer Krise, wie das bei der Bäckerei-Konditorei Chez Rüfi zurzeit der Fall ist, sei vor allem Tempo gefragt. Tempo, mit dem auf die Ausnahmesituation reagiert werden müsse, um das Image der Firma nach Möglichkeit noch zu retten. Das sagt Fidel Stöhlker, geschäftsführender Partner bei der renommierten Zürcher Kommunikationsagentur Stöhlker AG. Für das BT hat er sich in den Fall des Bieler Traditionsunternehmens Chez Rüfi eingelesen. Dieses machte letzte Woche während des Gerichtsprozesses um den Missbrauch von zwei Lehrtöchtern durch einen Lehrmeister unrühmlich von sich reden (das BT berichtete).

Für Stöhlker ist klar: «Christoph Rüfenacht, der verbleibende Geschäftsführer, hätte schon längst an die Öffentlichkeit treten und Klartext reden müssen, wie es nun mit der Bäckerei weitergeht.» Laut Stöhlker hätte er öffentlich mitteilen müssen, dass er sich geschäftlich von seinem Bruder getrennt hat, dass dieser aus dem Verwaltungsrat ausgetreten sei und dass man seinen Bruder ausbezahlt habe. «Dass dies bisher nicht geschehen ist, ist eigentlich eine Katastrophe», sagt Fidel Stöhlker weiter.

Zur Zielscheibe gemacht
Dass hingegen der verurteilte Bruder, Tom Rüfenacht, sich mit einem selbstverfassten Statement auf Facebook geäussert habe, in dem er sich für seine Taten entschuldigt, hätte ihm Stöhlker niemals empfohlen. «Damit hat er sich regelrecht zur Zielscheibe gemacht, denn in den Sozialen Medien wird der Wut ja freien Lauf gelassen.» Tatsächlich sind kurz nach Veröffentlichung der Stellungnahme in kürzester Zeit hunderte wütende und hetzerische Kommentare verfasst worden. Nicht einmal 24 Stunden später löschte Tom Rüfenacht seinen Post und die vielen Kommentare wieder. Von Christoph Rüfenacht, der das Geschäft nun weiterführt, war bisher aber nichts zu vernehmen. Gegenüber dem BT sagte er diese Woche, dass er sich derzeit nicht zu dieser Sache äussern wolle. Der Website von Chez Rüfi ist aber zu entnehmen, dass er sich unterdessen zwei Mitarbeiter als Verstärkung in die Geschäftsleitung geholt hat. Wie er sich genau um die Reputation des Betriebs kümmern will, ist offen.

Für Stöhlker ist klar: «Um das Image des Betriebs noch zu retten, darf Tom Rüfenacht nie mehr auch nur das Geringste mit der Bäckerei zu tun haben», sagt er. Dieser dürfe an keinem Firmenanlass mehr teilnehmen, nicht einmal mehr einen Fuss in die Bäckerei setzen. «Menschen verzeihen solche Dinge nicht so schnell. Würde man Tom Rüfenacht in fünf Jahren wieder in der Bäckerei sehen, würde die Wut bei der Kundschaft höchstwahrscheinlich wieder aufkochen», sagt Stöhlker.

Persönlich entschuldigt
Wie das BT weiss, hat Tom Rüfenacht, der aus allen operativen Funktionen und aus dem Verwaltungsrat ausgeschieden ist, kurz nach dem Gerichtsurteil bei verschiedenen seiner früheren Bieler Geschäftskunden persönlich angerufen, um sich für seine Taten zu entschuldigen. Für Stöhlker ist dieses Verhalten allerdings nicht förderlich, um das Image der Firma zu korrigieren. Der Name sollte nie mehr mit der Firma in Verbindung gebracht werden.

Für Stöhlker gäbe es auch auf der Firmen-Website noch grosses Verbesserungsmöglichkeiten: So sei es fragwürdig, dass auf einem Foto immer noch die beiden Brüder zu sehen seien. Und unter der Rubrik Jobs noch immer Bilder, die nur Frauen zeigen. «Nach der ganzen Geschichte ist so eine Bildsprache äusserst schädlich für das Image», sagt Fidel Stöhlker, der betont, dass der verbleibende Geschäftsführer Christoph Rüfenacht unbedingt auch firmenintern klare Ziele aufzeigen müsse. Schliesslich würden derzeit bei Chez Rüfi auch die über 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Druck stehen. «Gegenüber ihnen allen muss er nun klar sagen, dass das, was geschehen ist, nie mehr passieren dürfe.» Dazu gehöre es auch, aufzuzeigen, was man bei Chez Rüfi aktiv gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz unternehme.

Solidarität mit der Bäckerei
Nicht zuletzt überlegen sich derzeit wohl auch viele Bieler Kunden, ob sie ihre Ware weiterhin bei Chez Rüfi kaufen. In der Bäckerei Meyer am Bieler Zentralplatz hat man diese Woche von mehreren Kunden gehört, dass sie ab sofort die Bäckerei wechseln. Zu hören ist auch, dass einige grössere Firmen künftig auf Lieferungen von Chez Rüfi verzichten. Andere entscheiden sich ganz bewusst, bei der Bäckerei zu bleiben. So wie die Stadt Biel, die regelmässig bei verschiedenen lokalen Lieferanten bestellt. Vize-Stadtschreiber Julien Steiner sagt: Man verurteile die Taten des früheren Geschäftsführers Tom Rüfenacht klar und respektiere das Gerichtsurteil. Man finde, sein Rücktritt sei die richtige Entscheidung. «Wir können aber nicht ein Unternehmen und seine Angestellten verurteilen.» Bei der Sabag AG in Biel heisst es, man wolle nun sogar aus Solidarität den Catering-Service der Firma Chez Rüfi nutzen.

Der Gastronom und Geschäftsführer des «Odéon» und des «Le Nidaux» Rolf Schädeli sagt: Er habe diese Woche in Biel keinen Meter gehen können, ohne auf die «Rüfi-Geschichte» angesprochen zu werden. Schädeli betont, dass ihm das Ganze leidtue für die Bäckerei, die immer sehr innovativ war und erstklassige Ware angeboten haben. Davon habe die ganze Stadt profitiert. Und das habe wiederum mit den guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin zu tun, ohne die ein Laden nie laufe.

Schädeli ist überzeugt: «Für den verbleibenden Christoph Rüfenacht ist es nun hart. Aber wie es weitergehen wird, hängt in erster Linie von der Kundschaft ab.»

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