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Biel

Der Alarm, der keiner war

Landauf, landab haben gestern die Sirenen geheult. Wer hat jene in Biel eigentlich ausgelöst? Wie viele Anlagen gibt es 
auf den Dächern der Stadt? Und waren davon welche defekt?

Sven Eggli, Kommandant der Zivilschutzorganisation Biel/Bienne Regio, beim Restaurant du Lac. Bild: Peter Samuel Jaggi
Sarah Grandjean
 
Wenn das Trinkwasser verseucht ist, wenn bei einem Brand giftige Gase entweichen oder wenn es zu gefährlichen Überschwemmungen und Erdrutschen kommt, kann es sein, dass zur Warnung der Bevölkerung die Sirenen losheulen. Um sicherzustellen, dass diese in einem solchen Fall auch wirklich funktionieren, wird immer am ersten Mittwoch des Februars ein Sirenentest durchgeführt. So auch gestern. 
 
Zuständig für die Sirenentests in der Stadt ist der Zivilschutz Biel/Bienne Regio. Dieser betreut zudem die Gemeinden Leubringen, Twann-Tüscherz und Ligerz. Um zwölf Uhr steht Kommandant Sven Eggli vor der Zivilschutzanlage im Sahligut. Diese erstreckt sich entlang des Jägerwegs, ein Bau aus den 70er-Jahren, ausgestattet mit Dutzenden von Metallbetten, die noch nie genutzt wurden. Im Aufenthaltsraum sitzen die Zivilschützer beim Mittagessen.
 
Aufgabe: Schlüssel drehen
 
Eggli erklärt, was seine Leute während des Sirenentests zu tun haben. Grundsätzlich kann die Kantonspolizei Bern jede Sirene im Kanton fernauslösen. Dies geschieht jeweils um 13.30 Uhr. Sollte dies aber, etwa wegen eines Stromausfalls, nicht möglich sein, muss die Sirene auch manuell ausgelöst werden können. Und hier kommen die Zivilschützer zum Einsatz: Um 13.45 Uhr lösen sie die Sirenen mittels Schlüsselschalter ein zweites Mal aus.
 
Eigentlich simpel. Aber die Aktion erfordert einiges an Organisation. Spätestens sechs Wochen vor dem Sirenentest werden die Zivilschützer aufgeboten, rund 45 Personen waren gestern im Einsatz. Kadermitglieder haben die Routen geplant und die Zivilschützer je zu zweit den einzelnen Stationen zugeteilt. Gestern Vormittag gingen sie ein erstes Mal vor Ort, um zu schauen, wo sich die Sirene und der Schlüsselkasten befinden.
 
Nach dem Mittagessen fahren die Zivilschützer erneut dorthin. Sobald sie angekommen sind, geben sie den Kadermitgliedern via Funk Bescheid. «Es ist ein grosser Aufwand», sagt Eggli. «Aber es ist wichtig, dass die Sirenen funktionieren. Denn wenn man sie mal braucht, heisst das, dass etwas wirklich nicht gut ist.» Und in einem solchen Fall muss die Bevölkerung gewarnt werden können.
 
Einen richtigen Alarm hat Eggli in den 20 Jahren, die er beim Zivilschutz arbeitet, nie erlebt. Je nachdem käme der Zivilschutz auch dann zum Einsatz. Zum Beispiel, wenn es ein grosses Hochwasser gäbe und Gebiete evakuiert werden müssten. Wenn etwa die Schüss über die Ufer träte, könnte sie die Innenstadt fluten und die Keller rund um den Zentralplatz füllen. «Das wird wahrscheinlich nie passieren – aber es ist möglich», so Eggli. Zwar standen bereits während des Hochwassers im Sommer einzelne Keller in der Stadt unter Wasser, aber um einen Alarm zu rechtfertigen, hätte es noch einiges gebraucht.
 
Elf Sirenen in Biel
 
Um kurz nach 13 Uhr fährt Eggli los zum Restaurant du Lac an der Neuenburgstrasse, auf dessen Dach eine Sirene montiert ist. Insgesamt 17 Anlagen gibt es in den Gemeinden, für die der Zivilschutz Biel/Bienne Regio zuständig ist, davon elf in Biel. Die letzte wurde im vergangenen Jahr auf der Klinik Linde montiert, weil das Gebiet bis anhin schlecht beschallt war. Um 13.30 Uhr heult die Sirene zum ersten Mal los. Von den zuständigen Zivilschützern fehlt noch jede Spur.
 
Dass eine Anlage einen Defekt habe, komme schon mal vor, sagt Eggli. Aber meist merke man das bereits vor dem jährlichen Test. Denn die Sirenen werden vom Amt für Bevölkerungsschutz fernüberwacht. Sollte etwas nicht stimmen, erhält dieses eine Meldung, die es der zuständigen Stelle weiterleitet. So hat der Zivilschutz am Dienstag erfahren, dass die Batterie eben jener Sirene auf dem Restaurant du Lac zu schwach war. Noch am selben Tag hat ein Techniker sie ausgetauscht. Dass eine Sirene beim Test ganz defekt sei, kommt laut Eggli selten vor.
 
Er versucht, die Zivilschützer anzurufen, erreicht sie aber nicht. Vor 20 Jahren, erzählt er, war noch einiges anders. Zum Beispiel fuhr man Orte, die sich schlecht beschallen liessen, mit einem Auto ab, auf dessen Dach eine mobile Sirene montiert war. Betroffen waren der Wiler Gaicht oberhalb von Twann wie auch Orte in Magglingen und Leubringen. Heute gibt es auch dort fixe Sirenen.
 
Eggli verschwindet im Restaurant – und kehrt erleichtert mit den beiden Zivilschützern zurück. Um 13.45 Uhr dreht einer von ihnen den Schlüssel im Kasten oberhalb der Eingangstür. Die Sirene heult los. In dem Fall: alles in Ordnung.
 
Nur drei Sirenen im Kanton wiesen gestern einen Defekt auf, eine davon in Grossaffoltern. In Biel funktionierten alle einwandfrei.
 
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Wie soll man im Ernstfall handeln?
 
Im Kanton Bern gibt es 683 stationäre Sirenen und 400 mobile, die vor allem in Tälern zum Einsatz kommen. Wenn der allgemeine Alarm ertönt, soll man Radio hören, die Anweisungen der Behörden befolgen und die Nachbarinnen und Nachbarn informieren. Bei einem Wasseralarm, der in gefährdeten Gebieten unterhalb von Stauanlagen ertönen kann, soll man das Flutungsgebiet sofort verlassen.
 
Gemäss dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz gab es im Kanton Bern in den letzten zwei Jahren keinen Sirenenalarm. In anderen Kantonen hingegen kamen mehrere vor: Im Mai 2021 hat im zürcherischen Dällikon ein Betriebsgebäude gebrannt. Darin wurde Dünger gelagert, weswegen die Gefahr einer Explosion bestand. Im Juni 2017 ist ein altes Sportzentrum des Walliser Ferienortes Verbier niedergebrannt. Wegen der möglichen giftigen Rauchentwicklung wurde der Sirenenalarm ausgelöst. Im Dezember 2020 war das Trinkwasser im zürcherischen Rorbas verschmutzt, im Oktober 2019 jenes in den Zürcher Gemeinden Rifferswil und Mettmenstetten. sg

 

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