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Pierre-Yves Grivel

Der Winkelried der Berner FDP

Der Bieler Grossrat und Schulleiter Pierre-Yves Grivel ist der designierte Präsident der Berner FDP. Er ist offen, engagiert und liberal, heisst es in der Partei. Und er ist der Einzige, der den Job machen will.

Rettet er den Berner Freisinn? Der Bieler Grossrat Pierre-Yves Grivel. Bild: Beat Mathys

Andrea Sommer
Auf Pierre-Yves Grivel kommt einiges zu. Er soll die Berner FDP in eine bessere Zukunft führen. Heute Abend ernennen ihn die Delegierten zu ihrem neuen Präsidenten. Ihnen bleibt auch gar nichts anderes übrig, denn der frankophone Bieler Grossrat ist der Einzige, der den Job machen will. Grivel suche solche Ämter nicht, sondern rutsche rein, sagt einer, der ihn gut kennt. «Er wächst dann aber an seinen Aufgaben.»

Wir treffen Pierre-Yves Grivel zum Kaffee im Bieler Restaurant Schöngrün, einen Steinwurf von der Sekundarschule Les Platanes entfernt, die er leitet. Hier isst er regelmässig, hier begrüsst man ihn mit einem kollegialen «Salut!». Letzten Dezember, nach dem Doppelrücktritt der Parteileitung, führte er die FDP interimistisch. Dass er der neue Präsident sein könnte, ging dem Romand im Januar auf, als er die Klausurtagung der FDP in Münsingen leitete. «Dort spürte ich, das Feuer ist bei den Mitgliedern noch da.» Dies trotz der historischen Schlappe bei den letztjährigen Nationalratswahlen, als die Berner FDP mit 8,7 Prozent Wähleranteil das schweizweit schlechteste Resultat der Partei erzielte.

«Wir brauchen Leadership»
Allerdings fehlte den Freisinnigen das Feuer, als es darum ging, das oberste Parteiamt zu besetzen. Nachdem der Thuner Beat Schlatter seine Kandidatur fürs Präsidium zurückgezogen hat, steht Grivel alleine da. Der Curlingtrainer, der einst die Schweizer Nationalspieler coachte, nimmt die Herausforderung sportlich. «Wir müssen jetzt eine gute Mannschaft zusammenstellen und diese dann zu Topleistungen motivieren.»

Schon morgen will Grivel damit beginnen, Vorstand und Geschäftsführung neu zu bestellen. Dabei schreckt er nicht davor zurück, Köpfe auszuwechseln. «Was wir jetzt brauchen, sind eine klare Linie, Leadership und gute Kommunikation.» Namen will er an der Delegiertenversammlung im August nennen: «Dann stelle ich die neue Parteiführung und unser Programm vor.»

«Er hat mich überzeugt»
Ein ambitiöses Ziel. Dass er es erreicht, traut ihm in der FDP manch einer zu. So etwa die Aarberger Alt-Nationalrätin und Unternehmerin Käthy Bangerter. «Ich habe den Eindruck, dass er etwas bewegen will und dass er die verschiedenen Flügel der Partei einen kann.» Auch der Bremgartner Alt-Nationalrat Jean-Pierre Bonny glaubt seit der Klausurtagung vom Januar an Grivel. «Er hat mich überzeugt, denn an der Tagung haben wir endlich über die grundsätzliche Positionierung der Partei gesprochen, statt wie sonst üblich über Alltagsgeschäfte.»

Unbekannt und unverbraucht
Dass Grivel im Kanton weitgehend unbekannt ist, stört wenige. Im Gegenteil: Er sei unverbraucht, heisst es, «und nicht im bernischen Filz verflochten», was laut Jean-Pierre Bonny ein Vorteil sein könne.

Bekannt ist Pierre-Yves Grivel vor allem in Biel. Dort ist der 59-Jährige Sektionspräsident der welschen FDP und sitzt seit 2004 im Stadtrat, wo er die Fraktion der bürgerlichen Parteien präsidiert. 2007 drängte er dank der Romand-Quote den Deutschschweizer FDP-Grossrat Hubert Klopfenstein aus dem Kantonsparlament. Bis auf das Grossratsmandat will Grivel bis Ende Jahr alle Ämter abgeben, um sich voll auf seine Aufgabe als Parteipräsident zu konzentrieren.

Auch will Grivel, geschieden und Vater von zwei erwachsenen Töchtern, nicht komplett auf Sport und Privatleben verzichten. «Ich spiele einmal pro Woche Curling und Unihockey, habe eine kleine Enkeltochter und eine Lebenspartnerin.» Dass der Job eines Parteipräsidenten finanziell nicht lukrativ und karrieretechnisch eine Sackgasse ist, lässt ihn kalt. «Das stört mich nicht, weil ich es aus Überzeugung mache.»

Dass Grivel als Staatsangestellter nicht den klassischen Freisinnigen verkörpert, sieht Alt-Nationalrat Bonny nicht als Nachteil. Der staatsnahe Flügel der FDP sei parteiintern lange Zeit eher vernachlässigt worden. Daran, dass Grivel auch vom Wirtschaftsflügel der Partei akzeptiert wird, zweifelt Bonny nicht.

Dies bestätigt Christoph Erb, Direktor der Berner KMU. Auch ihn hat der Bieler an der Klausurtagung vom Januar überzeugt. Entsprechend dick fällt das Lob aus: «Dort habe ich ihn als offen, engagiert konstruktiv, wirtschaftsfreundlich und liberal kennen gelernt», sagt Erb. «Ich traue ihm zu, dass er der FDP wieder ein bürgernahes und verständliches Gesicht gibt.»

«Savoir-vivre» für die FDP
«Wir müssen für unsere Ideen kämpfen, auf die Strasse gehen und unsere Botschaften an die Leute bringen», sagt Pierre-Yves Grivel denn auch. Die FDP müsse wieder zur Volkspartei werden, emotionaler politisieren. Dies will er auch mit der romanischen Lebensart erreichen. Seit er die Partei interimistisch leite, sagt er, sitze man nach den Sitzungen immer noch bei einem Gläschen zusammen. Denn beim ungezwungenen Plaudern kämen auch immer wieder interessante Ideen.

Daneben will Grivel die Partei auf einen klaren Kurs bringen. Nach ihm muss sich die FDP für Steuersenkungen, fürs Sparen, für eine Beschleunigung der Asylverfahren und für die Förderung erneuerbarer Energien starkmachen. Auch will Grivel in der Ausrichtung näher an die nationale FDP anschliessen. Deren Präsident, den Aargauer Nationalrat Philipp Müller, nennt er denn auch als sein Vorbild.

In den kommenden vier Jahren will Grivel die FDP hinter der SVP zur zweitstärkste Kraft im Kanton machen. Dass er die Energie dafür hat, glaubt man ihm. Ob die Partei mitmacht, ist fraglich. Die erste Enttäuschung musste er bereits wegstecken, als niemand der Parteischwergewichte die Führung übernehmen wollte. «In vier Jahren ziehen wir Bilanz», sagt Grivel und bleibt sportlich. «Wenn die Mannschaft die Ziele nicht erreicht, ist es wieder Zeit für einen Trainerwechsel.»

 

Stichwörter: Kanton Bern

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